Die Arbeit der Zukunft
Im Umfeld der gleichnamigen ARD-Themenwoche Anfang November verzeichnete Google etwa acht Mal so viel Zugriffe zum Stichwort Arbeit der Zukunft wie normal. Das ist also ein Thema, das zumindest kurzfristig viele von uns bewegt hat. Im Netz finden wir eine Menge Vorhersagen, was sich mit dem Fortschreiten von Globalisierung und Digitalisierung insbesondere aus Sicht der Beschäftigten ändern wird.
Da wird über Automatisierungsgrade spekuliert und behauptet, die Massenarbeitslosigkeit kehre zurück, weil etwa 50% aller Arbeitsplätze durch Automatisierung gefährdet seien. Sozialwissenschaftler prognostizieren fortschreitende Armut, weil der Wettbewerb um Aufträge zunehme, nur die billigsten zum Zuge kämen und selbständige Auftragsverhältnisse oder „zero hour contracts“ immer weniger Sicherheit böten ...
Alle Horrorszenarien leiden naturgemäß an Einseitigkeit, denn am Ende ist unser eigenes Streben nach Wohlstand, Preiswürdigkeit, Verfügbarkeit, Komfort, Individualität, Mobilität und Gesundheit der zentrale Treiber aller technologischen, gesellschaftlichen und organisatorischen Veränderungen. Globalisierung und Digitalisierung wirken sich dabei nur beschleunigend aus.
Und auch sonst ist die Betrachtung einseitig, weil sie medienwirksam auf unsere großen Konzerne zugeschnitten ist. Landwirtschaftliche, industrielle und dienstleistende Massenproduktionen befinden sich bereits seit Jahren auf der Jagd nach den global kostengünstigsten, am wenigsten reglementierten oder risikobehafteten Produktionsbedingungen. In Deutschland wird diese Arbeit deshalb zukünftig nur noch so weit geleistet werden, wie entweder die Lohnkosten durch Immigration oder Wohlstandsverzicht sinken, Automatisierung den Menschen entbehrlich macht oder globale Kunden bereit sind, Premiumpreise zu bezahlen. Unsere Massenfertiger werden deshalb tatsächlich gezwungen sein, hochautomatisierte Systeme zu schaffen und ihre homogenen Produkte im Wege der Konfiguration modularer Angebote zu individualisieren. Glücklicherweise repräsentieren sie nur 1% aller Unternehmen und beschäftigen nur knapp 40% aller erwerbstätigen Personen.
Wie sieht die Arbeit der Zukunft jenseits der Massenfertigung aus? Da werden wir individuell oder als Firmen nur etwas über unseren lokalen Marktplatz hinaus verkaufen können, wenn wir der Welt etwas Besonderes zu bieten haben, einzigartige Varianten, neuartige Produkte oder intelligente Lösungen. Lokal werden wir zunehmend mit globalen Wettbewerbern konkurrieren, die immer weitere Leistungsarten auf Einzelauftragsbasis oder Zeit anbieten und in Netzwerken oder über Plattformen kooperieren. Internet, Einheitssprache, Standardapplikationen und Transportdienstleister senken ihre Markteintrittsbarrieren in unseren angestammten Märkten und Bewertungssysteme ersetzen persönliches Vertrauen und sorgen für Leistungstransparenz. Am Ende werden wir als Firmen nur noch von Faktoren wie Verderblichkeit unserer Produkte, Immobilität, lokalem Spezialwissen bzw. lokalen Gesetzen oder dem Bedarf an persönlichem Kontakt geschützt.
Das bedeutet, wir brauchen in diesem Sinne marktfähige Produkte und ausgefeilte kooperative Geschäftsmodelle, bei denen wir uns auf das konzentrieren, was wir besonders gut können, und ansonsten unsererseits automatisierte Angebote und globale Marktplätze nutzen.
Wollen wir in diesem Wettbewerbsumfeld bestehen, werden wir in der Lage sein müssen, zwei bisher grundsätzlich gegensätzliche Stärken zu vereinen: Zum einen wiederkehrende Aufgaben zu automatisieren bzw. für ihre Erbringung standardisierte Dienstleistungen zu nutzen. Das schließt langfristig auch ein, jede Art von Überraschung und Abweichung von der Norm konsequent zu analysieren und auszuschließen, im Extremfall auch den Menschen an sich als bedeutendste Überraschungsquelle. In automatisierten Systemen werden wir nur noch als Prozessadministratoren gebraucht werden, um sie zu erfinden, weiterzuentwickeln, zu duplizieren oder Störungen zu beheben. Im Ergebnis werden wir alle damit unsere heutigen Routinetätigkeiten an IT-Systeme, Internetplattformen, Roboter und später auch an KI-Systeme verlieren.
Zum anderen werden wir beim übrig bleibenden Teil der Arbeit der Zukunft, der aus variierenden und einmaligen Aufgaben bestehen wird, auf Flexibilität, Ideenfindung, Problemlösungsfähigkeit, Zusammenarbeit und Vertrauen angewiesen sein. Statt starrer tayloristischer Abteilungsorganisation und festen Stellen werden wir flexible Ordnungen schaffen, d.h. verlässliche grundsätzliche Regeln, Rollen und Vorgehensmodelle, die selbst bei einmaligem Vorgehen und individuellen Teamzusammensetzungen allen Beteiligten Orientierung bieten.
Im Interesse der Wirtschaftlichkeit werden wir bestenfalls in der Lage sein, auf bestehende Arbeitsergebnisse aus unseren Dokumentenmanagementsystemen zurückzugreifen und diese in kreativen Prozessen auf die aktuelle Aufgabenstellung anzupassen. Je einzigartiger Aufgaben sind, desto größer wird das Fehlerpotential sein und wir werden uns damit beschäftigen, unter welchen Rahmenbedingungen Mitarbeiter Herzblut für ihre Aufgaben empfinden und aufmerksam zusammenarbeiten.
Bei der Personalsuche und -entwicklung werden wir uns darauf konzentrieren, dass unsere Mitarbeiter über Kreativität, freien Willen, Initiative, Gemeinschaftssinn, gewinnendes Erscheinungsbild, ausgewogenes Selbstbewusstsein und eine positive Lebenseinstellung verfügen. Wir werden uns bemühen, dass sich diese Menschen mit außergewöhnlichen Talenten in unseren Unternehmen wohlfühlen und wir ihrem Bedürfnis nach Anerkennung, Zugehörigkeit und Sicherheit gerecht werden. Denn sie haben ihrerseits die Möglichkeit, ihre Leistungen global oder in einem der mit zunehmender Individualisierung entstehenden Berufsfelder zu vermarkten: Als Personal-, Outfit-, Body-, Lern- oder Biosignal-Coach, Wohnort-Makler, Natur-, Lifestlye- oder Freizeitgestalter, System-Supervisor, Auftragsbeschaffer oder Berater für jedes nur denkbare Fachgebiet.
Wollen wir uns auf die Arbeit der Zukunft vorbereiten, sind wir als Firmen gut beraten, uns zugleich um die konsequente Automatisierung wiederkehrender Aufgaben, die Schaffung flexibler Ordnungen und die Entwicklung unserer Mitarbeiter zu kümmern. In jedem Fall wird die Arbeit der Zukunft bunter, individueller und herausfordernder. Ob das in Summe mehr oder weniger Arbeit als heute sein wird, hängt im Wesentlichen davon ab, wie gut uns die Anpassung gelingt.
Als Bürger müssen wir deshalb fragen, wie uns die Politik unterstützen kann, die Veränderungsgeschwindigkeit zu verkraften und diejenigen Talente zu entwickeln, für die in der Arbeitswelt der Zukunft etwas bezahlt wird. Das gilt zumindest so lange, wie Bildung noch staatlich organisiert ist.
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