Die agile Kommunalverwaltung
Die steigende Komplexität macht nicht vor den Amtsstuben halt. Eine Herausforderung, der sich auch die Städte und Gemeinden stellen müssen und sich zunehmend bemerkbar macht. Klassische Vorgehensweisen erweisen sich zunehmend als ungeeignet. Die Kommunalverwaltungen drohen ihre Handlungsfähigkeit zu verlieren. Unter diesen Bedingungen braucht es eine andere Vorgehensweise, andere Wege.
Das Unplanbare wird zum Normalzustand
Das Unplanbare ist in einer hochgradig komplexen Welt der Normalzustand. Daher ist die Kombination aus Lean Management, agilen Projektmethoden und partizipatorischen Führungsgrundsätzen – davon bin ich fest überzeugt – einer der effektivsten und effizientesten Wege, um mit der wachsenden Komplexität, mit der wir uns tagtäglich auseinandersetzen müssen, adäquat arbeiten zu können. Komplexität lässt sich nicht steuern, beherrschen – Mensch kann lediglich lernen mit ihr umzugehen und sich sogar ihrer zu eigen zu machen.
Was ist “Agile”
Wenn ich von “agile” spreche, dann beziehe ich mich dabei auf das Agile Manifest mit seinem 12 Grundprinzipien. Diese haben allerdings ein kleines Manko. Sie wurden für Entwicklungsprojekte im Softwareumfeld geschrieben und verfasst, denn dort ist die Idee entstanden. Eine abschließende und “knackige” Definition gibt es leider nicht. Agile ist auch kein neuer Ansatz, sondern kombiniert verschiedene Ansätze und steht letztendlich für eine bestimmte Grundhaltung. Es bedient sich des Lean Thinkings, greift auf Methoden des Lean Managements zurück uvm. Die ursprüngliche Idee dahinter, das Projektmanagement von “Verschwendung” zu befreien und auf das wesentliche zurückzuführen. Die Anspruchsberechtigten und das Team, die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten und die Kommunikation zwischen allen Beteiligten wird als zentrales Element gesehen, dass zum Erfolg oder Nichterfolg eines Auftrags führt.
Allen Unkenrufen zum Trotz – ist die Idee der Agilität mittlerweile auch in Dienstleistungsbereich angekommen. Die Prinzipien der agilen Projektentwicklung lassen sich auch dort gut einsetzen. Scrum, Kanban sehe ich in diesem Zusammenhang als besonders geeignet und hilfreich. Wobei die Methodik allein, nicht ausreicht. Es geht primär darum, die Geisteshaltung dahinter zu verinnerlichen. Eine Geisteshaltung, die die tayloristische Grundhaltung in Frage stellt und eine radikale Abkehr der klassischen Managementsicht bedeutet.
Prinzipien hinter dem Agilen Manifest - Wir folgen diesen Prinzipien:
- Unsere höchste Priorität ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierliche Auslieferung wertvoller Softwarezufrieden zu stellen.
- Heiße Anforderungsänderungen selbst spät in der Entwicklung willkommen. Agile Prozesse nutzen Veränderungen zum Wettbewerbsvorteil des Kunden.
- Liefere funktionierende Software regelmäßig innerhalb weniger Wochen oder Monate und bevorzuge dabei die kürzere Zeitspanne.
- Fachexperten und Entwickler müssen während des Projektes täglich zusammenarbeiten.
- Errichte Projekte rund um motivierte Individuen. Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe erledigen.
- Die effizienteste und effektivste Methode, Informationen an und innerhalb eines Entwicklungsteams zu übermitteln, ist im Gespräch von Angesicht zu Angesicht.
- Funktionierende Software ist das wichtigste Fortschrittsmaß.
- Agile Prozesse fördern nachhaltige Entwicklung. Die Auftraggeber, Entwickler und Benutzer sollten ein gleichmäßiges Tempo auf unbegrenzte Zeit halten können.
- Ständiges Augenmerk auf technische Exzellenz und gutes Design fördert Agilität.
- Einfachheit — die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren — ist essenziell.
- Die besten Architekturen, Anforderungen und Entwürfe entstehen durch selbstorganisierte Teams.
- In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann und passt sein Verhalten entsprechend an.
Folgende Grundsätze lassen sich allgemein aus dem agilen Manifest ableiten:
- Veränderungen sind willkommen und ausdrücklich erwünscht. Kontinuierliche Verbesserung, ein offener Umgang mit Fehlern und regelmäßiges Reflektieren aller Beteiligten werden als elementar angesehen (hier zeigen sich die Wurzeln von Agile im Lean Management). Das Team wird befähigt sich selbst und seine Arbeitsweise ständig weiterzuentwickeln.
- Offene, dialogorientierte Kommunikation zwischen allen Beteiligten nimmt einen hohen Stellenwert ein. Sprich Partizipation, über die reine Information hinaus, wird großgeschrieben. Dabei sind selbstorganisierte Teams das Maß aller Dinge. Führungsaufgabe ist diesem Zusammenhang die Befähigung der Mitarbeiter zu Selbstorganisation. Dabei wird davon ausgegangen, dass Selbstorganisation die Motivation der Teams im Sinne des Organisationsziels und -zwecks deutlich erhöht und eine deutlich höhere Produktivität erzeugt. Nicht das Individuum steht im Hauptaugenmerk, sondern das Team als Einheit.
- Statt auf vermeintliche Produktivitätskennzahlen wie Auslastung der Mitarbeiter zu schielen, gilt das Hauptaugenmerk den Ergebnissen und dem “Kundennutzen”, der gestiftet werden kann.
- Iterativ-inkrementelles im Sinne einer höheren Anpassungsfähigkeit. Dadurch wird eine frühe und schnelle Rückmeldung erzeugt. Fehlentwicklungen können in einem frühen Stadium identifiziert werden. Die Planungsphasen werden bewusst kurz gehalten, um am Ende jeder Planungsphase inne zu halten und zu prüfen, ob die geleistete Arbeit auch die Anforderungen erfüllt, die gemeinsam mit den Anspruchsberechtigten definiert worden sind.
Eine erste Vision der agilen Kommunalverwaltung
Übertragen auf die Kommunalverwaltung bedeutet dies, dass eine agile Kommunalverwaltung auf selbstorganisierten Teams basiert, die im Rahmen partizipativer Koordinierungsformen vertrauensvoll mit Bürgern, Gemeinderat und Verwaltungsspitze zusammenarbeiten. Wesentliches Kennzeichen sind reflektive Prozesse auf allen Ebenen, die regelmäßig dazu führen, dass die Zusammenarbeit im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses fortentwickelt wird. Hierarchien sind flach. Teams sind interdisziplinär aufgestellt, arbeiten fachbereichsübergreifend. In einer Kultur der gegenseitigen Wertschätzung beschränken sich die hierarchischen Entscheidungswege auf ein absolutes Minimum.
In die Entscheidungsprozesse werden auch die Mitarbeiter auf allen Ebenen als Sachverständige wahrgenommen, wertgeschätzt und eingebunden. Mitarbeiterführung basiert auf dem Prinzip der dienenden Führung (Servant Leadership), bei der sich Führungskräfte nicht als Herrscher über seine “Bediensteten” verstehen, sondern als “Befähiger” und Motivatoren agieren. Transparente Informations- und Entscheidungswege stehen alle interessierten Beteiligten offen. Wissens- und Informationsaustausch hat einen hohen Stellenwert.
Die Kommunalverwaltung wird beweglich, in dem Entscheidungswege verkürzt, Entscheidungsbefähigung auf alle Ebenen geschaffen werden. Prozesse, Abläufe sind “schlank”. Frustrierende, unnötige Prozesse, Abläufe und Aufgaben werden reduziert. Mitarbeiter werden als motivierte Mitstreiter gesehen, die einen wertvollen Beitrag leisten. Ihre Fähigkeiten und ihr Wissen werden gefördert, fortentwickelt und sie haben die Möglichkeit neue Kompetenzen aktiv zu entwickeln.
Der Fokus liegt darauf möglichst die Ressourcen zu bündeln, die Kommunalverwaltung in einer nachhaltige, bürgerorientierte Institutionen zu entwickeln, die nicht als notwendiges Übel gesehen wird. Die reflektive Vorgehensweise erleichtert eine schnelle Anpassung an Veränderungen und Lernerfahrungen. Der Bürger, der interne Kunde, die Verwaltungsführung (Gemeinderat, Bürgermeister) sie alle sind laufend eingebunden und können so wertvolle Impulse stiften.
Das Klima ist von Experimentierfreude geprägt. Das Prinzip Führung durch Wertschätzung, Anerkennung und auf Augenhöhe fester Bestandteil der agilen Kultur. Bürgerschaft und Verwaltung arbeiten gerne, transparent und Hand in Hand daran die Kommunalgemeinschaft zu fördern und voranzubringen.
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