Ziehen ist besser als Schieben - der Engpass bestimmt bei der Auftragsfreigabe den Takt.
Wenn Sie alle Maßnahmen getroffen haben, um Ihren Engpass optimal auszunutzen, sollten Sie noch einen Schritt weitergehen. Der Engpass muss den Takt Ihrer Produktion angeben. Auszug 11 aus meinem Buch "Produktionssystem, Fertigungssteuerung, Toyota und Kata - durch Konsequenz zur Exzellenz".
Viel Spaß beim Lesen!
Andre Kürzel
„Ausnutzungsgrade von Nichtengpässen werden nicht durch ihr eigenes Potenzial, sondern durch andere Sachzwänge des Systems bestimmt“
Eliyahu M. Goldratt
In der traditionellen schiebenden Fertigung werden die Aufträge in die Fertigung gepresst:
- Das IT-System gibt den Takt vor, in dem es Planaufträge vorschlägt – teilweise aufgrund falsch gepflegter Systemparameter, teilweise unabhängig von realen Produktionskapazitäten und/oder abweichend von tatsächlichen Verbräuchen
- Der Disponent/Steuerer gibt die Planaufträge ggf. unreflektiert frei
- Aufträge werden in die Fertigung gepresst
- Auf Basis dieses Auftragsvolumens und des vorhandenen Kapazitätsangebots priorisiert der Steuerer die Aufträge
- Material staut sich (an den Engpässen)
- Hauruckaktionen zur Beschleunigung der wichtigsten Aufträge
- Neue Aufträge überholen alte Aufträge
- Unkontrollierte Entstehung von Langliegern
- Die Durchlaufzeiten gehen hoch und trotz "Druck" nicht herunter
Gibt es dazu eine Alternative?
Geben Sie stattdessen nur die Aufträge in das System, die an der jeweiligen Engpassmaschine auch tatsächlich abgearbeitet werden können. Wenn Sie wandernde und sich ändernde Engpässe in einer Produktionslinie haben, wählen Sie den Arbeitsplatz, der am ehesten dem Nadelöhr entspricht.
Widerstehen Sie dem Irrtum, dass durch mehr Aufträge mehr Auftragsdurchsatz entsteht. Geben Sie deshalb nur Aufträge frei, die am Engpass ohne Stau produziert werden können und legen sie Regeln fest, die einen möglichst gleichmäßigen Fluss erzeugen (siehe Artikel vom 15.04.24: Waren Sie bisher konsequent genug in Bezug auf die bestmögliche Nutzung des Engpasses?)
Ziehende Fertigung ausgehend vom Engpass:
- Holprinzip - es wird nur produziert, was ver-/gebraucht wird - besser: kundenauftragsorientierte Fertigung ohne Fertigteile-Lager
- Die Auftragsfreigabe orientiert sich an der Engpass-Kapazität
- Die untergeordneten Prozesse bzw. Nicht-Engpassmaschinen werden systematisch am Engpass ausgerichtet
- Führungskräfte und Mitarbeiter sind gut geschult, so dass Leerlauf an den Engpässen minimiert wird
- Auftragsgrößen werden an die Schlüsselmaschinen angepasst
- Zwischenpuffer werden durch minimierte Aufträgslosgrößen reduziert - idealerweise eine ausgetaktete Linie bzw. one piece flow
- Maschinen werden nicht durch Großaufträge vollgestopft, nur um Rüstzeiten zu sparen
- Engpasskapazitäten sind im Fokus - nur hier wird ein größerer Materialpuffer vor der Maschine geduldet
Natürlich sollten gleichzeitig Maßnahmen getroffen werden, um fehlende Kapazitäten auszugleichen, zum Beispiel durch Mehrarbeit oder externe Kapazitäten. Engpasskapazitäten sollten nicht nur im Fokus des Fertigungsleiters und des Disponenten sein, sondern auch in den Köpfen der Mitarbeiter in der Fertigung. „Der Engpass 4711 muss immer laufen“ muss zum täglichen Vokabular aller Beteiligten gehören.
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