Bildungs-Allergien im Management überwinden

Bildungs-Allergien im Management überwinden

Was die Kompetenzen und damit das Wissen der Führungskräfte und CEOs betrifft, da scheiden sich die Geister.

#leanmagazin
am 02. 01. 2020 in LeanMagazin von Guenther Wagner


Ein höheres Bildungsniveau ist nicht nur erforderlich, sondern dank der neuen Technologien auch möglich. Unmengen an Lerntipps stehen jedem zur Verfügung.

  • Doch genügt das, um Lernen, Fort- und Weiterbildungen tatsächlich erfolgsversprechend zum Wirken zu bringen?
  • Wann ist es wirklich notwendig, eine Fortbildung anzusetzen?

Was die Kompetenzen und damit das Wissen der Führungskräfte und CEOs betrifft, da scheiden sich die Geister. Außenstehende würden sagen, dass das Management heute im Jahr 2017 einiges zu Lernen hat. Das Management selbst sieht das vielleicht nicht ganz so. Am Beispiel der Digitalen Kommunikation zeigt sich, dass Deutschlands Management doch einiges zu Lernen hat.

Im Social-Media-Ranking steht Deutschland gemeinsam mit Russland auf dem letzten Platz weltweit.

Den einzigen Dax30-CEO, den man auf Twitter findet, ist Bill McDermott von SAP. Ihm folgen 33.500 Personen, und über sein Linkedin-Profil ist er mit 179.400 Personen verbunden. Der Ökonom Thomas Straubhaar meint, in Kinderzimmern findet sich mehr digitale Kompetenz als in den Chefetagen der Wirtschaft. Das sei bedenklich. So entrinnt den Führungskräften ein großes Potential. Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey kommt zu dem Ergebnis, dass die Produktivität von MitarbeiterInnen durch die Einführung eines Social Internet zwischen 20 und 25 Prozent steigen könnte.

Doch der Einsatz der Social-Media-Tools verlangt zum einen die Kompetenz, richtig damit umzugehen und den Mut, die damit verbundenen Veränderungen und Lernfelder in Angriff zu nehmen.

Heute möchte ich jedoch weniger den Punkt, was gelernt werden sollte, sondern das Lernen als solches betrachten. Am Schluss von diesem Artikel werde ich 5 Tipps anführen, die meiner Meinung und Erfahrung nach für eine nachhaltig wirksame Fortbildung im Erwachsenenalter notwendig sind.

Überheblichkeit und Angst bremsen Bildungsmaßnahmen

Mit Adorno beginnt Bildung nicht damit, etwas zu wissen, sondern damit, zu wissen, was man nicht weiß.

Arnold Schwarzenegger, Ex-Gouverneur und Filmstar, sagt von sich, dass er während seiner Zeit als Gouverneur sich mit Leuten umgeben hat, die viel klüger waren als er. Donald Trump rät er, mehr zu lesen. Es sei seine Verantwortung, sich besser zu informieren. Das verlangt jedoch die Einsicht, in gewisser Weise sogar Demut, dass man erkennt, dass der eigene Wissensstand und manche Verhaltensweisen, insbesondere in hochkomplexen Zeiten wie heute, überholt sind. Die Arbeitswelt 4.0 verlangt unglaublich viel Fachwissen und ein äußerst breitgefächertes Verhaltens-Know-how in Bezug auf Agilität, Kollaboration und Innovation für einen erfolgsversprechenden Umgang mit den Herausforderungen der VUCA-World.

Wie schon öfter in meinen Artikeln erwähnt, werden die mit den neuen Kompetenzen einhergehenden Fähigkeiten in den Aus- und Weiterbildungen jedoch kaum ausgebildet. Prof. Dr. Gunter Dueck – Philosoph, Mathematiker, Autor und Gewinner des Wirtschaftsbuchpreises 2006 – beleuchtet kritisch die Lehrpläne der Universitäten und fragt sich, wie die Universitäten damit leben, dass StudentInnen in vielen Disziplinen vom gelernten Stoff später im Beruf „nichts“ gebrauchen können.

Lernen beginnt also mit der Einsicht bzw. einer urteilsfähigen Selbstführung. Solange man meint, dass die eigene Kompetenz ausreicht, wird lernen und verändern nicht möglich sein. Microsoft-Gründer Bill Gates, der erfolgreiche Unternehmer Warren Buffett und Paypal-Erfinder Elon Musk – so unterschiedlich drei der erfolgreichsten Menschen unserer Zeit auch sind, sie alle ruhen sich nicht auf Ihrem Wissen aus, sondern lernen täglich neu dazu. Im Lean-Management spricht man von der Bereitschaft zu lernen.

Leider zeigt sich jedoch oft eine Art Lern-Allergie. Viele ergreifen die Flucht, wenn es ums Lernen geht. Zum einen aus einer gewissen Überheblichkeit heraus, zum anderen jedoch aufgrund negativer Erfahrungen in der Schule und darüber hinaus. Bei manchen ist die Überheblichkeit, man wüsste schon alles, eine Not-Strategie, um Lernschwierigkeiten aus früheren Zeiten nicht mehr ausgeliefert sein zu müssen.

Lernen wird heute die wichtigste Arbeit in der Arbeit werden – auch im Management. Davon wird die erfolgreiche Zukunft von einem selbst als Führungskraft und von Unternehmen abhängen.

Es ist also höchste Zeit, die Lern-Traumata aus der Schul- und Studienzeit zu überwinden.

Bildung neu lernen

Das Entscheidende über das Lernen findet sich bereits früh in der Menschheitsgeschichte. So brachte in der Orestie, einer bedeutenden griechischen Tragödie aus dem Jahr 458 v. Christus, erst Zeus die Menschen auf den Weg zum richtigen Denken und zur Einsicht in das Ganze. Die anderen sind daran gescheitert. Das göttliche Gesetz von Zeus beschreibt: Durch leiden lernen. Genau das wollen wir jedoch nicht.

Aber gerade der Leidensaspekt, wenn dieser das Maß des Erträglichen überschreitet, ist der Auslöser, um etwas zu lernen bzw. zu verändern.

Das ist eigentlich ein Paradoxon. Das schlimme daran ist, dass man in Bezug auf das was man erträgt, sehr lange ausharren kann – oft auch zu lange. Es geht aber auch nicht bloß um Spaß. Es geht um die Balance: Tun, leiden, lernen. Der Leidensaspekt gehört dazu und kann, wenn respektvoll behandelt, das Sprungbrett zu neuem Wissen werden. Genau an diesem Punkt spielt die Selbstführung und der Einsatz einer positiven Fehlerkultur eine wesentliche Rolle, wie ich in meinem Artikel „10 Tipps für eine positive Fehlerkultur“ zu vermitteln versuchte. Fehler gehören zum Lernprozess. Doch gerade vor dem Fehlermachen haben viele Angst. So wird das Lernen bereits im Keim erstickt. Oder man wird zum zwanghaften Büffler, aus der Angst heraus, Fehler zu machen.

Das Lernen wird viel zu einseitig und vor allem selbstbezogen betrachtet. Das Lernen ist weit komplexer als das, was man in der Schule und anderen Weiterbildungen unter Lernen versteht. Sicher werden einige von Ihnen das auch so sehen. Manchen anderen ist aber dieses komplexe Lernverständnis abhandengekommen und damit auch die Einsicht, dass Lernen mehr braucht als nur rationale Wissenserweiterung. Informationen bloß aus Büchern und Vorträgen in seinen Kopf zu hämmern, und dann auf Knopfdruck auszuspucken, heißt nicht unbedingt zu wissen. Mag sein, dass viele genau das als Lernen verstehen. Wissen und die darauf begründete Kompetenz braucht mehr.

Lernen ist das Wechselspiel von eigenem Wissen, eigener Visionen und Emotionen in Verbindung mit dem Wissen und den Visionen und Emotionen der anderen.

Der Erfolg von Google, Facebook und Co begründet sich nicht auf deren technisches Super-Know-How, sondern darauf, dass sie ein elementares menschliches Grundbedürfnis stillen, das Bedürfnis nach Information und Kommunikation. In gewisser Weise nutzen Google und Co die kindliche Art des Lernens, die spielerische Weise sich neues Wissen anzueignen. Kinder lernen aus Leidenschaft, mit Körper und Emotionen. Genau das ist auch die Basis für ein erfolgsversprechendes Lernen: Lernen ist die Verbindung von Wissen mit menschlichen Bedürfnissen und Leidenschaften, wie auch menschlichen Zweifeln.

Das Lernen durch Versuch und Irrtum ist ein wesentlicher Aspekt im Lean-Management. Hier wird in Bezug auf das, was erlernt und verändert werden soll, eine Hypothese erstellt. Dann wird in kleinen Schritten gelernt, neue Wege zu gehen und überprüft, in wie weit man mit den neuen Prozessen/ Verhalten die Hypothesen-Vorgaben erreicht. Verfehlt man diese, dann checkt man, woran es liegen könnte, dass die Lernziele bzw. Hypothesen nicht erreicht werden konnten, eine Grundvoraussetzung für eine positive Fehlerkultur.

So braucht es eigentlich LehrerInnen/TrainerInnen/Coches, die keine vorgefertigten Lernschemata abwickeln, sondern rational und emotional erkennen, was jemand noch nicht weiß bzw. nicht wissen möchte und dies ehrlich und respektvoll ansprechen. Die in der Folge das fehlende Wissen rational und emotional anregen, testen und umzusetzen versuchen. Im Lean-Management spricht man vom offenen Lernprozess. Jedes Lernen heißt, dass zunächst einmal etwas Unbekanntes auf einen zukommt. Angelehnt an ein Zitat von Johan Wolfgang von Goethe heißt Lernen:

Wir lernen nur, wenn wir das zu Erlernende nicht beurteilen können. Das was wir von einem Buch/LehrerIn beurteilen können, das bzw. der/die müsste von uns lernen.

Dieser Schritt macht dem einen oder anderen Angst – berechtigterweise. Im Rahmen einer Studie des Thinktanks 2bAhead nannten 52 Prozent der daran teilnehmenden ManagerInnen Angst als den Innovationsverhinderer Nummer eins. 35 Prozent der insgesamt 202 befragten Innovationschefs gaben sogar zu, dass sie selbst schon Innovationen aus Angst verhindert haben.

70 Prozent der Old-School-ManagerInnen verbringen 70 Prozent ihrer Arbeitszeit damit, ihre bisher erreichte Macht abzusichern anstatt Neues zu Lernen.

Die kommende Wissensgesellschaft erzwingt eine Höherentwicklung des Menschen, der nun in seine professionelle und persönliche Entwicklung sehr viel mehr Energie stecken muss, um in Zukunft mithalten zu können. Das ist die eindringliche Aufforderung von Prof. Dr. Gunter Dueck.

5 Bildungs-Tipps

Zusammenfassend und den Text ergänzend möchte ich Ihnen jetzt 5 Tipps geben, Ihre persönliche Fort- bzw. Weiterbildung sowie die Ihrer MitarbeiterInnen erfolgsversprechend anzugehen.

  1. Ergründen Sie wirklich ehrlich, ob eine Weiterbildung ansteht oder nicht. Wenn Widerstand hochkommt, dann können Sie sicher sein, dass Sie einen Punkt getroffen haben. Wagen Sie es, sich mit Ihren und den von Ihren MitarbeiterInnen aufkommenden Bildungswiderständen auseinanderzusetzen. Das wird vieles klären, und eine vertrauensvolle Lernbasis schaffen. Selbsterkenntnis und ein gutes Stressmanagement gehört zum Lernmanagement dazu.
  2. Prüfen Sie die Weiterbildung auf Sinnhaftigkeit/Motivation. Lernen ohne Sinn ist bloß wie ein Windhauch. Er kommt und geht, ohne etwas tiefgründig und nachhaltig zu hinterlassen. Im Moment des Windhauchs mag dieser für manche erfrischend sein, aber sobald dieser weg ist, ist alles beim Alten. Der Sinn und die Motivation begründet sich in der emotionalen Berührtheit von dem zu Erlernenden. Dazu gehören nicht bloß die Freude und der Spaß, sondern unter Umständen auch Frust, Ärger oder sogar Traurigkeit. Insbesondere die negativen Aspekte brauchen Verständnis. Aus dem heraus kann in Folge für das zu Erlernende sehr viel an zusätzlichem Wissen und Innovationen gewonnen werden.
  3. Entwickeln Sie deshalb ein ganzheitlich ausgerichtetes Weiterbildungsprogramm inkl. Ergründung des individuellen Lerntyps gemeinsam mit dem Management und qualifizierten, erfahrenen BeraterInnen. Zum Lernen gehört Leidenschaft, Emotion und Körperlichkeit – der rationale Aspekt wird sich dann fast von selbst manifestieren bzw. im Hirn als Erinnerung abspeichern. Das entwickelte Lernprogramm sollte so individuell wie möglich ausgerichtet bzw. adaptierfähig sein. Man sollte die unterschiedlichen Lerntypen mit dem Fortbildungsprogramm erreichen können.
  4. Geben Sie sich selbst und Ihren MitarbeiterInnen Zeit zum Üben, und schaffen Sie eine positive Fehlerkultur. Fehlermachen gehört zum Lernen dazu. Reflektieren Sie mit anderen über das zu Erlernende. Das Sprechen hilft, das neue Wissen besser, tiefgründiger und weitreichender zu verstehen, und darüber hinaus auch noch mögliche Blockaden oder gar Sinnfragen zu klären. Ebenso hilft es, ein handschriftliches Weiterbildungs-Tagebuch zu führen. Das Tippen in das Tablet/PC bringt kaum etwas.[18] Das kognitive und emotionale Erfassen der Zusammenhänge sind für das zu Erlernende unglaublich wichtig. Nur dann kann das neue Wissen wirklich greifen und sinnvoll wirken.
  5. Nutzen Sie Erinnerungshilfen – in Form von Gegenständen, inneren Bildern oder auch durch KollegInnen und MitarbeiterInnen. Das neue Wissen geht in der Hektik vom Arbeitsalltag leicht wieder verloren. Allzu leicht lässt sich das Neue durch negative Gedanken wieder einschüchtern und verschwindet im Hintergrund. Gleichzeitig dient die Erinnerungshilfe auch unserer Gedankenkontrolle.


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