Teil 2: Aus der Hexenküche eines Interimmanagers
Wie bereits im Teil 1 beschrieben, ist ein auftretender Innovationsstau ein wirkungsvoller Auslöser einer Unternehmenskrise. Damit stellt sich die Frage, wie ein Innovationsstau verhindert oder aufgelöst werden kann.
Um der Vollständigkeit willen, sei an dieser Stelle angemerkt, daß ich in diesem Text nicht zwischen den Begriffen Innovationen und Disruption unterscheiden will, sondern den Begriff der Innovation stellvertretend für beide Formen der Erneuerung verwenden möchte.
Innovationen lassen sich wunderbar verhindern, wenn das Management sich sehr stark dem Prinzip der Kompetition verschworen hat. Diesem Prinzip folgend werden Teams und Abteilungen gegeneinander aufgestellt, Kooperation zwischen den Einheiten unterbunden, um so dem Ehrgeiz des Einzelnen vollen Raum zu verschaffen. Professor Kruse hat dies mit seiner Metapher vom Krabbenkorb wunderbar veranschaulicht. Das Ergebnis ist vorhersagbar. Die einzelnen Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker kümmern sich ausschließlich um ihr Projekt und bewachen dieses geradezu eifersüchtig. Doch Gedankenblitze lassen sich nur dort beobachten, wo auch die Hirne der innovationsbeteiligten Akteure miteinander verdrahtet sind, miteinander in Kontakt stehen. Spannung braucht Reibungs- und Grenzfläche und diese lässt sich in der geistigen Verödung getrennter Abteilungen nicht realisieren.
Idealtypisch konnte ich dies bei einem medizintechnischen Unternehmen beobachten. Einst aus zwei Unternehmenskernen entstanden, hatte das Management nie daran gedacht, diese beiden Urkeime der Firmenentstehung miteinander zu verschmelzen. Dies führte dazu, daß sowohl ein italienisch-französisch Kern seine Entwicklungen vorantrieb, die schwedische Erfindertruppe jedoch genau in die entgegengesetzte Richtung entwickelte. Das Ergebnis war eindeutig. Die F&E-Kurve verflachte, die Investitionen in den F&E-Bereich explodierten und alle Kunden warteten auf die Ablösung der Altprodukte. Aus einem Weltmarktführer wurde ein Übernahmekandidat.
Nicht minder erfolgreich ist es, den F&E-Teams die Mittel abzugraben. Dies lässt sich sehr gut dann beobachten, wenn Gier und kurzfristiges Denken das Hirn und Herz des Managements besiedelt haben. Gerne lässt sich das bei Marktführern beobachten, die anfangen, sich auf ihrem Unternehmenserfolg auszuruhen. Zweifelsohne richtig ist diese Vorgehensweise bei Produkten, die sich nicht mehr weiterentwickeln lassen. Cash Cows sollte man melken, neue Produkte haben Raum, Zeit, Liebe und Dünger verdient.
Nun wird der ein oder andere anwenden, dass ich leicht reden habe. Man müsse ja Rendite im Heute erzeugen und dazu sei es nun mal notwendig, sich sehr gut zu überlegen, ob man Rendite abschöpfen oder in die Zukunft investieren wolle. Ich verstehe dieses Denken, ich selbst stehe ja auch ständig unter der Beobachtung der Investoren oder Anteilsinhaber. Und dennoch insistiere ich und behaupte hartnäckig – und damit zur Lösung überleitend -, daß ich keineswegs gezwungen bin, berechtigte Renditeforderungen in Frage zu stellen, um F&E Raum und Ressourcen zur Verfügung stellen zu können.
Es braucht schlichtweg nur eines: eine gesteigerte Rendite, in dem man sich unnotwendige Ausgaben, Managementklimbim und Businesstheater erspart. Diese machen eh kaum einen glücklich und stehen den Kunden und dem Unternehmenserfolg nur im Weg. Zusammengefasst lässt sich sagen: Sparen wir uns doch bitte überflüssige Ausgaben und investieren wir anstatt dessen diese freigewordenen Finanz- und Zeitressourcen in die Forschung und Entwicklung. Messen, deren Wirksamkeit sich nie nachweisen ließ, Marketingunterlagen, die man nur hat, weil sie jeder hat und Meetings, die man halt macht, weil man sie schon immer gemacht hat, können wir uns schenken, an Innovation und Zukunft sollten wir hingegen niemals sparen.
Der dritte Weg zur garantierten Innovationsuntauglichkeit lässt sich auch sehr konsequent erreichen, so man sich völlig vom Kunden abwendet. „Wo käme man da auch hin?“, wenn man sich auch noch um den Kunden kümmern wolle. „Toll“, werden Sie sagen, wir haben auch jede Menge Seminare und andere Aktivitäten, die das Thema Kundenzentrierung in den Mittelpunkt stellen.
Nur eine Frage an dieser Stelle: „Warum fragen Sie nicht einfach Ihren Kunden, was er braucht?“. Laden Sie doch mal den Kunden zu einem dieser Seminare ein. Stellen Sie ihm Ihre Fragen und hören Sie ihm zu, anstatt sich weiter die sich ständig wiederholenden Foliensätze irgendwelcher Beratungsgesellschaften anzuhören.
Kurzum, es braucht mit Sicherheit drei Elemente, um F&E sinnvoll zu organisieren und nach vorne zu entwickeln – Kundenzentrierung, die Reduktion von sinnlosen Ausgaben und die Förderung des Austausches von Gedanken. Einmal zwischen Menschen innerhalb Ihres Unternehmens und dann noch zwischen Ihrem Unternehmen und Ihren Kunden.
Viel wurde schon geschrieben, welchen Einfluss eine innovationsfreundliche Kultur auf den nachhaltigen Gesamterfolg eines Unternehmens hätte. Großartige Beispiele von noch viel tolleren Firmen werden genannt – nicht selten immer wieder die gleichen. Nun sind wir aber nicht alle Steve Jobs oder tragen den Namen irgendeines anderen Wunderkindes, sondern reale Menschen. Wie also die Innovationskultur fördern? Meine Antwort ist simpel: Hören wir doch einfach mal auf, die Innovationskultur, die in jedem Unternehmen mehr oder weniger vorhanden ist, Tag für Tag mit Füßen zu treten. Hören wir auf, innovationsfeindlich zu sein, indem wir jeden Tag aufs Neue die Kreativität der Menschen durch ein überbordendes Regelwerk einengen. Freier Geist will fliegen, nicht in Ketten liegen. Es reicht völlig nicht innovationsfeindlich zu sein, der freie Geist mit all seiner Fähigkeit zur Innovation wird aufblühen und neue Ideen sich den Weg bahnen.
Zusammengefasst lässt sich sagen, daß es einige Hebel gibt, die Sie in die Hand nehmen können, um Ihre Innovationsgeschwindigkeit zu beschleunigen und die Stoßrichtung in die richtigen Bahnen zu bringen. Tun sie dies konsequent, wird Ihre Zukunftsfähigkeit sich mit Sicherheit verstärken.
Dazu gehört es, sich auf den Kunden und seine Bedürfnisse zu fokussieren. Und alles andere, was nicht genau auf diesen Fokus einzahlt, kann weg.
- Was will der Kunde, was sind seine Bedürfnisse?
- Was machen wir jeden Tag, was dem Kunden nichts nutzt und was kann davon weg?
- Wo kann ich Kosten sparen, die nicht dem Kunden und der Innovation dienen?
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