Augenwischerei ... Folge 111

Augenwischerei ... Folge 111

"Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“, sagte einst Antoine de Saint-Exupéry und Dr. Nemo zitiert ihn aus dem „Kleinen Prinzen“. Er hat Besuch. Der Interviewer und ein Gast. Herrschaften in diesen Kreisen umgeben sich ja gern mit Menschen, von denen sie meinen, etwas lernen zu können. Dr. Nemo und lernen? Na ja, wir werden sehen …

#WMIA
Podcast, am 10. 09. 2018 in Interview mit Dr. h.c. Any Nemo von Kurt August Herrmann Steffenhagen


Zu Gast ist ein Poet, einer aus der Zunft derer, die viel zu sagen haben und deren Sprache umfassender ist als die des Managements. Jedenfalls kennt die Poesie keine Shortcuts wie VUCA, die Buchstaben stehen für volatility, uncertainty, complexity und ambiguity oder ähnliche verbale Eindampfungen, die mit 4 Buchstaben die Welt erklären wollen, sollen oder können … was auch immer … eigentlich egal.

Der Poet ist ein schlanker Mann mit den nervigen Händen eines Klavierspielers, sein Künstlername ist Scrivo, Benito Scrivo.

Scrivo: „Sie lesen „Der kleine Prinz“?“

Nemo: „Ja, mich interessiert dieses Sehen mit dem Herzen. Wie geht das eigentlich?“

Nur nebenbei bemerkt … eine Frage fällt nicht einfach so aus dem Himmel … Fragen stehen an den Bruchstellen, Grenzen zwischen den Welten … geistigen Welten und, so scheint es, begegnen sich hier zwei Welten, von denen jede ihre Berechtigung hat und jede dieser beiden aus einer anderen Quelle entspringt. Aber, hören wir weiter zu.

Der Interviewer übrigens mischt sich nicht ein … eigentlich hätte er alle Augenblicke sein bedeutungsschweres „Mmmh …!“ sagen können.

Scrivo: „Sie wollen eine Antwort darauf, wie man mit dem Herzen sieht?“

Nemo: „Ja, sonst ist das doch alles poetische Augenwischerei, geben Sie mir eine Anleitung …“

Scrivo: „So gern ich Sie Ihnen geben würde, ich kenne keine Anleitung dazu.“

Nemo: „Na also … nix dahinter … eben Poesie.“

Scrivo: „Na gut. Ich gebe Ihnen eine poetische Antwort. Sie ist sehr kurz. Mit dem Herzen sehen ist keine Frage der Wahrnehmung, es ist eine Frage der Haltung.“

Nemo: „Ja und?“

Scrivo: „Stellen Sie sich vor, die Welt sei eine Tonschale. Sie kennen diese Dinger wahrscheinlich … sie klingen, wenn man sie anstößt … und stellen Sie sich weiter vor, Sie würden auf die Schale Buchstaben kleben. V und U und C und A, um nur ein Beispiel zu nennen und dann zerschlagen Sie die Schale in die Teile V und U … und so weiter …“

Nemo: „Ich weiß schon, worauf Sie hinauswollen …“

Scrivo: „Dann brauche ich ja nicht weiterzureden.“

Nemo besinnt sich einen Moment.

Nemo: „Ok, also weiter …“

Scrivo: „Kennen Sie die Schale, wenn Sie die Einzelheiten kennen?“

Nemo: „Das ist das Prinzip unserer Wissenschaft. Wir gehen den Dingen auf den Grund, aber jetzt kommen Sie mal zum Thema … wie geht das „Mit dem Herzen sehen“?“

Scrivo: „Sie fragen immer nach dem „Wie“.

Nemo: „Na klar, ich will doch wissen, wie das geht!“

Scrivo: „… und warum wollen sie das wissen?“

Nemo stutzt. Sicher, er hätte sagen können, er sei neugierig, aber das wäre billig.

So spannend es sein mag, dem zuzuhören, die Unterhaltung dreht sich im Kreise.

Nemo muss zum nächsten Termin.

Der Interviewer geht allein auf dem Flur zum Fahrstuhl.

Elvira kommt ihm entgegen.

Elvira: „Du schaust so nachdenklich.“

Interviewer: „Elvira, wie geht das, dies mit dem Herzen sehen?“

Elvira nimmt seine Hand, dann flüstert sie ihm etwas ins Ohr.

Nun möchte jeder wissen, was Elvira da geflüstert hat.

Nun, erstens lassen wir den beiden ihr Geheimnis und zweitens kann ja jeder selber finden, was das heißt, dies Sehen.

Der Poet Scrivo wurde übrigens nicht mehr eingeladen.

Er habe keine Antworten, so hieß es später.

Das Leben geht weiter … Dr. Nemo spielte die ganze Nacht Klavier.

Am nächsten Morgen wartet eine Überraschung auf ihn.

Welche das ist und was dann geschieht, erfahren wir nächsten Dienstag.

Doch halt … noch ein Gedanke, der dem Interviewer durch den Kopf geht: „Sind wir nicht alle ein bisschen Nemo?“



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