Die Kinder des Dr. h.c Any Nemo - Folge 28
Hinter dem Kleid des Marmors der Fassaden, hinter dem strahlenden Licht der Bühnen der großen Welt lebt und arbeitet ein Mensch. Herr Dr. h.c. Any Nemo, CEO des größten Unternehmens der Welt. Die Frage nach seinen Kindern, um die es heute gehen soll, berührt alle Menschen.
Männer sind auf diesem Feld des Labyrinths des Lebens aller Erfahrung nach nicht immer unbedingt begnadet, reden sich aber ganz gut heraus. Aber, wir werden sehen.
Das Interview findet heute nicht im eleganten Vorstandsbüro statt, sondern auf einer anderen Etage.
Nemo: “Rufen Sie an, wenn Sie da sind, meine Durchwahl ist 103.“
Das andere Büro oder nennen wir es lieber das Refugium des Dr. Nemo ist ein großzügiger Raum. Er ist oval und vermittelt eine fast verspielte Atmosphäre.
An den Wänden hängen Bilder der Familie Nemo. Würdige Herrschaften und drei Bilder fröhlicher, junger Menschen.
Nemo: „Mein Privatissime!“
Interviewer: „Wer sind die drei jungen Leute auf den Bildern?“
Nemo: „Die junge Frau ist meine Tochter Gemma, der Name bedeutet „Edelstein“, mein Liebling. Daneben hängt das Bild von meinem Sohn Rubirosa, schon damals ein Playboy und ihm folgte Cesare, ein feiner Geist.“
Interviewer: „Man hört in der Presse nichts von Ihren Kindern.“
Nemo: „Meine Kinder haben mit WMIA nichts zu tun. Gemma ist Sängerin geworden und lebt inkognito unter einem Künstlernamen. Rubirosa vergnügt sich in der Südsee und betreibt ein kleines Hotel. Cesare ist Landarbeiter, er pflegt Gärten und beschneidet Oliven auf der Insel Marittimi Blu, manchmal schnitzt er Skulpturen aus dem Holz.“
Interviewer: „Tritt niemand in Ihre Fußstapfen?“
Nemo: „Ich hätte es mir gewünscht, aber sie gingen ihre eigenen Wege. Ich sehe sie kaum.“
Interviewer: „Haben Sie darin versagt, Ihren Kindern eine Rolle in der großen Welt zu verschaffen?“
Die Frage blieb erstmal unbeantwortet wie die meisten Fragen, die ans Herz gehen.
Dem Interviewer kommt es vor, als schält er eine Zwiebel, Schicht für Schicht enthüllt sich.
Nemo sagt dann doch etwas zu dieser Frage: „Nun gut, ich habe mit Macht versucht, der Macht des Geldes, die Kinder in meine Spur zu bringen. Mein Sohn Rubirosa fuhr mit mir als kleiner Junge auf dem Tank meiner Harley an unserem Strand am mittleren Meer. Er hat das etwas zu wörtlich genommen, worum es im Leben geht… Gemma galoppierte mit ihrem weißen Pferd hinter uns her und sang im Wind, Cesare sammelte Muscheln in den Wellen …. sehen Sie, ich habe alles getan.“
Interviewer: „Sie lieben aber Ihre Kinder, auch wenn sie nicht so sind wie Sie es wollten?“
Nemo: „Lieben? Ja schon, allerdings nicht so wie früher als sie klein waren. Die Liebe zu den Kindern verändert sich im Laufe des Lebens, oder?“
Interviewer: „Mmmh…“
Nemo zieht eine Schublade seines Tisches auf. „Schaun Sie mal hier, das ist ein Foto der Kinder von vor 20 Jahren.“
Nemo versucht, abzulenken. Das Thema „Liebe“ ist offensichtlich ein wunder Punkt. Der Interviewer hakt deshalb nach.
Interviewer: „Die Liebe wandelt sich im Laufe des Lebens? Wie ist es mit der Liebe zum Beruf, das ist ja auch so eine Art Kind, das manche Männer haben.“
Nemo: „Die Liebe zum Beruf? Nein, das war einmal, heute empfinde ich eher Lust an dieser Aufgabe.“
Interviewer: „Was ist denn der Unterschied zwischen Liebe und Lust?“
Nemo: „Das ist der Unterschied zwischen liebevollem Sex und Pornografie. Das Surrogat für Liebe ist die Lust am Herrschen.“
Interviewer: „Das klingt ja schrecklich!“
Nemo: „Wissen Sie, Lieben, Beherrschen und Besitzen wird sehr oft verwechselt. Ich bin da wenigstens klar, ich will Macht!
Wenn ich schon keinen Einfluss mehr in meiner Familie habe, meine Kinder nicht das wurden, was ich gerne wollte, wenn schon keine Liebe mehr ist, jedenfalls die, die ich mir vorstelle, so will ich Macht.“
„Wo die Liebe endet, beginnt die Macht…. eine billige Ultima Ratio und trotzdem gern genommen,“ denkt der Interviewer und ihm fallen die Schlagzeilen der Zeitung ein, die er am Morgen las.
Interviewer: „Würde man Sie für diese Entscheidung eines Tages verdammen?“
Nemo: „Ich habe das nicht wirklich gewollt, aber die Hand, die mir das Schicksal reichte, war verführerisch…“
Als wäre „verführerisch“ das Stichwort für die nächste Szene in Dr. Nemos Theater… Elvira betritt den Raum.
In der Hand hält sie ein kleines Päckchen.
Elvira: „Das kam heute mit der Post, es ist von Ihrem Sohn Cesare.“
Nemo öffnet das Päckchen. In ihm lag eine Schnitzerei. Ein lächelnder Buddha.
„Für Papa, mit lieben Grüßen,“ stand auf einem Zettel.
Nemo war gerührt, jedenfalls für einen Wimpernschlag, der das Feuchte seiner Augen verbarg.
Elvira begleitet den Interviewer zum Fahrstuhl.
Interviewer: „Was wird aus WMIA, wenn Dr. Nemo nicht mehr ist? Wer folgt nach?“
Elvira: „Das fragen Sie ihn mal am nächsten Dienstag…“
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