Lean im Handwerk – Geht das überhaupt?

Lean im Handwerk – Geht das überhaupt?

Wer kennt das nicht? Der langjährige Werkstattmeister wandelt jeden Morgen durch die Werkbänke und verteilt die nächsten Aufgaben an seine Belegschaft. Manchmal sogar mehrmals täglich, weil es kurzfristige Kundenwünsche gibt. „Unsere Alleinstellungsmerkmale sind unsere Qualität und die große Flexibilität auf Kundenwünsche schnell zu reagieren.“ lächelt mich der Werkstattmeister an. „Das macht uns wettbewerbsfähig und einzigartig!“

vor 3 Tagen von Susanne Birke


Wer kennt das nicht? Der langjährige Werkstattmeister wandelt jeden Morgen durch die Werkbänke und verteilt die nächsten Aufgaben an seine Belegschaft. Manchmal sogar mehrmals täglich, weil es kurzfristige Kundenwünsche gibt. „Unsere Alleinstellungsmerkmale sind unsere Qualität und die große Flexibilität auf Kundenwünsche schnell zu reagieren.“ lächelt mich der Werkstattmeister an. „Das macht uns wettbewerbsfähig und einzigartig!“

Weit gefehlt! Die Kosten für diese Geschäftsführung sind astronomisch und werden von allen Kunden mitgezahlt. Jeder von uns Kunden leistet einen Beitrag für diese antiquierte Unternehmensführung, wenn wir denn einen Auftrag vergeben sollten. Einer verliert dabei immer - entweder der Kunde oder das Unternehmen.

Sieht man sich die Wertstromanalyse an, dann wird es sehr schnell deutlich. Bestände mit einem durchschnittlichen Warenumschlag von weniger als einmal pro Jahr stapeln sich im Produktionsbereich. Mitarbeiter verlassen ständig den Arbeitsplatz, um Handwerkszeuge und Verbrauchsmaterialien zu besorgen. Läger sind chaotisch sortiert und haben Suchzeiten von vielen Minuten, die sich zu Stunden täglich aufsummieren. Die auftragsbezogene Warenbereitstellung ist nicht existent. Die Materialbeschaffung in der Lieferkette geschieht durch Zuruf verschiedener Personen ohne Abstimmung untereinander. Im Spaghetti-Diagramm analysiert der Lean-Experte kilometerlange Arbeits- und Beschaffungswege der einzelnen Mitarbeiter zu Ihrem Wertschöpfungsplatz. Da rinnen die Arbeitsstunden einfach so hinweg.

Unterbrechungen in der Fertigung gibt es dann reichlich – ungeplant - durch erratisch anliefernde Lieferanten, die mit einer lächelnden Mine Ganzjahresverbräuche in die begrenzten Werkstattflächen schieben. Es war ja billiger durch einen 10%igen Jahresrabatt des Zulieferers.

Stopp!!

Lean funktioniert im Handwerk, genauso wie in der Industrie. Es geht um den Prozess und nicht um das Produkt. Ob in der Bäckerei, beim Fliesenleger, der Autowerkstatt oder aber auch im Krankenhaus und in der Arztpraxis, der Lean Experte sieht immer den Prozess und nicht das Produkt.

Unsere Erfahrung ist, dass wir im Durchschnitt 30% Effizienz steigern und damit 30% Wachstum unterstützen ohne Mehrpersonal. Wir sehen Bestandsreduzierungen von 30-50% mit geringerem Platzverbrauch. Hinzukommt die Schonung der eigenen Liquidität, die man ja besser für Investitionen nutzen kann. Letztlich wird Produktionsfläche um 30% frei und kann neue Produkte und wertschöpfende Aufgaben aufnehmen.

„Lean geht in Werkstätten nicht“ ist ein Ammenmärchen und wird häufig als Argument benutzt, um sich einer dringend notwendigen Veränderung zu widersetzen. „Wenn wir erst alle analogen Prozesse digitalisiert haben, dann kommt die Kostensenkung von ganz allein“, lächelt mein Werkstattmeister mich an. Ich wünsche ihm viel Freude dabei, wir sehen uns bestimmt wieder.



Kommentare

Andreas Kopp
Andreas Kopp, vor 3 Tagen
Die 30% bestätigen auch meine Erfahrungen - oft sind es sogar noch mehr.
Das ganze ist übrigens ziemlich branchenunabhängig. Das Potenzial beim Elektriker, Maler, oder Fliesenleger ist ähnlich groß, wie z.B. beim Bauunternehmen, Bäcker, oder Tischler.

Die Qualitätssteigerung durch Lean und somit auch riesige Kostensenkung durch weniger Reklamationen ist im Bericht nicht angemerkt und kommt als Potenzial noch hinzu!

Hinzu kommt ebenfalls - und auch das war hier noch gar nicht beschrieben: insbesondere Betriebe von Selbstständigen sind im gesamten Administrativen Bereich zumeist höchst ineffizient. Auch hier sind (Zeit-) Einsparungen von 40% bis 60% und manchmal sogar mehr möglich!

Was grundsätzlich im Handwerksbereich fehlt, ist das Grundverständnis Lean, von Effizienz, von Prozessen.
Leider ist das Handwerk häufig sehr Beratungsresistent, oft sogar Beratungsallergisch...
Susanne Birke
Susanne Birke, vor 2 Tagen
Ich kann Ihre Erfahrungen bedenkenlos unterschreiben, aber wenn man dann einmal einen Handwerksbetrieb leant, wird man belohnt durch Motivation der Mitarbeiter, Quantensprünge bei den financial und non-financial Verbesserungen sowie die Erlangung einer außergewöhnlichen Wettbewerbsfähigkeit. Allein für diese Erfahrung lohnt sich alle Mühe und der Aufwand beim Kunden als auch beim Berater.

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