Murphy, Pareto, Parkinson & Co. - Universalgesetze, oder Binsenweisheiten? ## Teil 6 ##
Teil 6 der Artikelserie zu oft zitierten Gesetzen beschäftigt sich mit Conways Gesetz, das eine Beziehung zwischen der (Kommunikations-) Struktur eines Unternehmens und der Struktur der durch die Organisation erschaffenen Systeme herstellt!
Conways Gesetz
Sehr spannend (und vielleicht sogar erschreckend) ist auch Conways Gesetz, das eine Beziehung zwischen der Struktur eines Unternehmens und deren Systemen herstellt. Ursprünglich wurde das Gesetz für Softwareunternehmen formuliert, aber schnell wurde klar, dass diese Gesetzmäßigkeit in allen Unternehmen wiederfindet. Es lautet:
„Jede Organisation, die ein System entwirft, wird ein Design produzieren, dessen Struktur eine Kopie der Kommunikation der Organisation ist“.
Demnach haben die existierenden Kommunikationsstrukturen in einer Organisation einen erheblichen Einfluss auf die von der Organisation hervorgebrachten und eingesetzten Systeme. Ganz gleich ob mit gutem oder schlechtem Design – „ein System ist immer die Reproduktion der Interaktionsbeziehungen seiner erschaffenden Akteure.“
Der Begriff „System“ bezieht sich dabei nicht nur auf die von einer Organisation genutzten, oder selbst programmierten IT-Systeme. Auch Prozesse, Produkte und Dienstleistungen sind Systeme, welche unter das Gesetz von Conway fallen.
Wichtig ist zudem, dass Conways Gesetz nichts über die Qualität und Strukturen eines Systems aussagt, sondern nur über die Zwangsläufigkeit ihres Entstehens. Last but not least unterscheidet das Gesetz nicht zwischen formalen und informalen Kommunikationsstrukturen.
Das klingt nach ziemlich „starkem Tobak“ und manch einer ist sicherlich geneigt, der Aussage von Conway zunächst keinen Glauben zu schenken…
Angenommen, wir befinden uns in einem Unternehmen, das sehr abteilungsgeprägt ist. Dann sind mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit auch die abteilungsübergreifende Kommunikation und Koordination „etwas holprig“ – zumindest im Vergleich mit der Kommunikation innerhalb der Abteilungen.
Es lässt sich in einem solchen Unternehmen zumeist feststellen, dass gleiche Informationen häufig mehrfach (abteilungsweise) abgelegt werden und auch, dass gleiche Tätigkeiten in unterschiedlichen Abteilungen unterschiedlich ausgeführt werden, vielleicht sogar zu anderen Ergebnissen führen.
Will man nun in diesem Unternehmen beispielsweise abteilungsübergreifende Prozesse („End-To-End“-Prozesse, wie z.B. „Order-To-Cash“, also vom Auftragseingang bis Rechnungslegung und zum Zahlungseingang)) neu modellieren, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die neuen Prozesse an genau den Abteilungsübergängen große Ineffizienzen aufweisen werden. Eben weil die Anforderungen an den Prozess dieselben Silos widerspiegeln, wie sie auch in der Organisation vorhanden sind und weil beim Abgleich der Prozessdefinition dieselben Kommunikationsschwierigkeiten auftreten, wie sie auch „im Tagesgeschäft“ zwischen den Abteilungen vorhanden sind.
Gleiches passiert, wenn ein solches Unternehmen eine Software neu einführt, die von verschiedenen Abteilungen genutzt werden soll. Überall dort, wo eine Abteilung Informationen erfasst, bearbeitet und ablegt, die dann von der nächsten Abteilung weiterverwendet werden, drohen Ineffizienzen. Und obwohl beide Abteilungen im selben Prozess, an fast derselben Stelle arbeiten, wird man häufig sehen, dass letztendlich mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit zwei Abteilungen zwei unterschiedliche Programmfenster und unterschiedliche Reports für ein und dieselbe Sache haben werden.
Wir alle wissen auch, wie Unternehmen mit Berechtigungskonzepten in Systemen umgehen – genau, in den meisten Fällen abteilungsorientiert, anstatt prozessorientiert. Auch damit spiegeln wir im System die Abteilungsdenke wider, anstatt uns auf das Wesentliche zu konzentrieren: den Prozess, den wir möglichst effizient gestalten wollen!
Diese Abgrenzungen und Modulbildungen sind nicht immer sofort offensichtlich, aber sie sind in jedem Unternehmen vorhanden. In fast jedem Prozess und in jedem System, was das Unternehmen betreibt und auch in vielen Produkten und Dienstleistungen, die es hervorbringt.
Als Außenstehende sehen wir das häufig bei Dienstleistungsunternehmen: „Moment, da muss ich sie mit einem Kollegen aus der anderen Abteilung verbinden.“
Wie können wir nun aber zu gewünschten, effizienten und fürs Gesamtunternehmen optimaleren Prozessen und Systemen kommen und die Effekte von Conway vermeiden?
Zunächst einmal – wenn das einfach wäre, würde es Conways Gesetzt vermutlich nicht geben!
Wir müssen immer bedenken, dass ein Unternehmen nun einmal irgendeine Form von Struktur und somit Aufbauorganisation hat, die sich nicht beliebig schnell und oft variieren lässt. Mehr noch, Menschen innerhalb der Organisation brauchen diese Art von Struktur, um zu funktionieren. Selbst bei sehr agilen Organisationsformen sind diese Strukturen vorhanden – zumindest implizit!
Und von eben diesen Strukturen leiten sich wiederum auch die Kommunikationsstrukturen explizit, oder implizit ab.
Diese lassen sich aber unter gewissen Umständen positiv beeinflussen, was zu einer besseren Zielerreichung führen kann.
Hierzu gibt es mehrere Ansätze, die gleichsam Stärken und Schwächen aufweisen:
- Zielformulierung und Teamgestaltung
Die Zielformulierungen sind oft ausschließlich auf das Endergebnis abzielend formuliert. Was innerhalb des Prozesses, oder Systems passieren soll, ist meist unzureichend vorgegeben. Daher sollte man in die Teilziele und Ziele neben dem zu erlangenden Endergebnis immer auch explizit die Beseitigung der oben genannten Probleme nach Conway hineinformulieren. Daraus ergeben sich dann konkrete Anforderungen an die Zusammenstellung der Projektteams und somit auch an deren Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte, sowie an deren Kommunikation und Interaktion.
- „Inverses Conway Manöver“
Die Idee hierbei ist, dass man vor dem eigentlichen Projekt ganz bewusst und gezielt die Kommunikationsstruktur in den betroffenen Bereichen beeinflusst und so quasi das Projektergebnis als Kommunikationsfluss „vor-einstellt“.
Beide Ansätze bauen auf formale Kommunikationsvorgaben, mit denen das Ergebnis gezielt erreicht werden soll. Menschen sind aber immer auch abseits der fomalen Kommunikationsstrukturen vernetzt (Stichwort: „kurzer Dienstweg“). Diese oft sehr starken, nicht-formalen, oft versteckten Kommunikationsstrukturen können durch beide Ansätze nicht aufgebrochen werden und führen so möglicherweise zu nicht vorhersehbaren, oder gar zu unerwünschten Ergebnissen.
Dennoch sollten beide Varianten immer in Betracht gezogen werden, denn die Ergebnisse werden trotz genanntem Problem besser werden, als gänzlich ungesteuert.
Denn bei ungesteuerter Kommunikation gilt immer:
„Zeige mir Deine Prozesse und Systeme, und ich sage Dir, wie die Organisations- und Kommunikationsstruktur in Deinem Unternehmen ist!“
Der nächste Teil der Artikelserie dreht sich um Ockhams Rasiermesser, auch bekannt als Sparsamkeitsprinzip, oder als Parsimonitätsprinzip.
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