Kultur braucht Kante – wie wir durch klare Werte Haltung zeigen und Vertrauen schaffen

Kultur braucht Kante – wie wir durch klare Werte Haltung zeigen und Vertrauen schaffen

Werte sind in aller Munde. Kaum eine Organisation, die nicht über Vision, Mission und eine sauber gestaltete Wertepräsentation verfügt – vorzugsweise auf Flyern, Bildschirmschonern oder PowerPoint-Folien. Hinter all dem Aufwand steht allerdings oft ein bröckelndes Fundament. Denn ein Wertesystem entfaltet seine Kraft nicht durch Design, sondern durch Klarheit, Konsequenz und gelebte Praxis. Was nützen uns Werte, wenn sie nicht spürbar sind? Wenn sie nicht helfen, Orientierung zu geben? Wenn sie nur dazu dienen, ein gutes Bild nach aussen zu erzeugen, aber intern keinen Halt bieten? Ein starkes Wertesystem ist kein Marketing-Gag, sondern ein Führungsinstrument. Und das braucht mehr Mut zur Reduktion als zur Dekoration.

31. März 2025 um 09:41 Uhr von Roman P. Büchler


Das Fundament jeder gesunden Unternehmenskultur

Das Wertesystem definiert die Prinzipien, an denen sich unser Handeln, unsere Entscheidungen und unsere Zusammenarbeit orientieren. Es schafft Identität, stiftet Sinn und trägt dazu bei, Vertrauen aufzubauen – sowohl innerhalb des Teams als auch gegenüber Kunden und Partnern. Ein gut verankertes Wertesystem beeinflusst neben dem Miteinander auch wirtschaftliche Kennzahlen. Mitarbeiterbindung, Motivation, Kundenzufriedenheit, Innovationsfähigkeit – all das hängt eng mit der Kultur zusammen, die durch Werte geprägt wird. Doch Werte entstehen nicht durch Absichtserklärungen. Sie brauchen Struktur, Konsequenz und Pflege.

Die vier Kategorien von Werten nach Lencioni

Der Autor Patrick Lencioni bringt mit seiner Unterscheidung von vier Wertekategorien Licht ins Dickicht der Begriffsverwirrung. In seinem Buch «Der Vorteil» unterscheidet er zwischen:

  • Grundwerten: Unverhandelbare Prinzipien, die das Herz der Organisation bilden.
  • Mindestwerten: Verhaltensstandards, die jede und jeder Mitarbeitende mitbringen muss, um Teil des Teams zu sein.
  • Zufallswerten: Werte, die ungeplant entstehen, aber nicht bewusst gepflegt werden.
  • Wunschwerten: Ideale, die wir anstreben, um uns kulturell und strategisch weiterzuentwickeln.

 
Diese Unterscheidung hilft, Klarheit zu schaffen. Denn nicht jeder Wert, der im Raum steht, gehört automatisch ins Zentrum des gemeinsamen Selbstverständnisses. Wer alles gleichzeitig betonen will, landet schnell im Beliebigkeitsstrudel.

Der grösste Fehler: zu viele Werte, zu wenig Wirkung

In der Praxis zeigt sich oft: Weniger ist mehr. Die Versuchung ist gross, ein ganzes Werte-Bouquet zu definieren – sieben, acht, neun Schlagworte, die möglichst viele Perspektiven abdecken sollen. Doch genau das führt zur Überforderung und Verwässerung. Ein besonders einprägsames Beispiel: Eine Organisation, mit der ich die Zusammenarbeit gerade begann, präsentierte stolz fünf Kernwerte, jeweils ergänzt um fünf Unterwerte. Macht in Summe 30 Werte. Diese waren grafisch unterschiedlich formatiert – kursiv, fett, unterstrichen. Die Frage, was die Formatierung bedeuten solle, blieb unbeantwortet. Die Werte selbst? Beliebig austauschbar. Die Wirkung? Gleich null.
 
Was ich damit deutlich machen möchte: Werte, die nicht klar sind, geben keine Orientierung. Und noch schlimmer: Sie laden zur Ausrede ein. Wer soll wissen, was gilt, wenn alles gleichzeitig wichtig ist?

Die drei Grundwerte – eine klare, mutige Entscheidung

Ein funktionierendes Wertesystem braucht also Klarheit und Konzentration. Wir müssen bereit sein, uns zu beschränken. Drei Grundwerte – mehr nicht. Diese drei stehen für die DNA der Organisation. Sie sind bereits da, müssen nur freigelegt und geschärft werden. Und: Sie sind nicht verhandelbar. Das ist wichtig.
 
Diese Grundwerte definieren, wie wir miteinander arbeiten, welche Entscheidungen wir treffen, woran wir Menschen messen – intern wie extern. Wer gegen einen dieser Grundwerte verstösst, muss mit Konsequenzen rechnen. Keine Ausnahmen, keine Relativierungen.

Werte leben heisst: gemeinsam Verantwortung übernehmen

Ein Wertesystem ist kein Plakat, das nur den Flur in der Empfangshalle ziert. Es ist ein lebendiger Prozess. Es lebt davon, dass wir es im Alltag anwenden – in Entscheidungen, Gesprächen, Konflikten, Erfolgen. Die Verantwortung liegt bei allen, nicht nur bei der Führung. Gleichzeitig kommt der Führung eine Vorbildfunktion zu. Wer Werte fordert, muss sie selbst vorleben – sichtbar, konsistent und konsequent.
 
Das bedeutet auch: Werte gehören in Prozesse und Systeme. Sie zeigen sich im Onboarding, in Zielvereinbarungen, in Personalentscheidungen, in der Kundenkommunikation. Nur so werden sie wirksam.

Reflexion, Feedback, Anpassung – Werte brauchen Pflege

Zusammengefasst: Werte sind keine statischen Monumente. Sie müssen gepflegt, überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Nicht die Grundwerte, wohl aber Wunschwerte und Ausprägungen. Regelmässige Feedbackschleifen helfen uns, zu erkennen, ob die Werte noch wirksam sind oder ob sie zum Lippenbekenntnis verkommen. Trends – etwa in Richtung Nachhaltigkeit – können Wunschwerte beeinflussen. Doch Vorsicht: Wunschwerte brauchen Substanz. Greenwashing ist kein Wert.
 
Ein funktionierendes Wertesystem braucht Mut zur Reduktion, Klarheit in der Kommunikation und Konsequenz in der Umsetzung. Es reicht nicht, Werte aufzuschreiben – wir müssen sie leben. Jeden Tag. Nur dann entfalten sie ihre Kraft. Nur dann werden sie zur Basis für eine starke Kultur, die trägt – auch in schwierigen Zeiten. Wer seine Grundwerte kennt, kennt auch seine Identität. Und das ist der beste Kompass, den eine Organisation haben kann.
 
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