Wozu gehst Du arbeiten?

Wozu gehst Du arbeiten?

Die Letzte Generation klebt sich im Berufsverkehr auf den Asphalt. Freitags geht die Zukunft demonstrieren. In Glaspalästen sprechen Politiker und führende der Wirtschaft darüber, wie sie die Klimaziele 2050 erreichen. Derweil macht der Anteil der Beschäftigten, die im Umweltschutz tätig sind, gerade einmal 0,67% der Erwerbspersonen in Deutschland aus. Für die meisten Menschen findet die Rettung der Welt in ihrer Freizeit statt. Doch was wäre, wenn wir das änderten?

26. Juni 2023 um 11:04 Uhr von Gebhard Borck


Unsere Welt geht vor die Hunde. Die Meeresspiegel steigen mit den Temperaturen. Extremwetterereignisse kommen häufiger. Pandemien werden zum neuen Normal. Flüchtlinge strömen von Süd nach Nord. Von Ost nach West. Wasser, Luft, Boden, alles ist verschmutzt. Überall. Wälder verbrennen. Tiere und Pflanzen sterben aus. Wir schauen dem Spektakel jeden Tag in den Nachrichten zu. Das gibt uns zu allem Überfluss noch ein Gefühl von Ohnmacht, bevor wir ins Bett gehen.

Doch wann sollen wir unsere Welt retten? Bevor oder nachdem wir die Kids zum Sport gebracht haben? Im Urlaub, wenn wir uns verdientermaßen erholen? Beim Essen? Abends, vor dem Fernseher, wenn Netflix uns gerade mal zwei Stunden von dem ganzen Wahnsinn ablenkt? Daran glaube ich kaum noch. Deshalb machte ich mich Ende letzten Jahres auf die Suche nach der Zeit, in der wir unseren Planeten aufräumen können. Ich fand sie in Arbeitsstatistiken der UNO, der EU, des Statistischen Bundesamtes und anderen internationalen Quellen.

Menschen verbringen 3 Millarden 345 Millonen 359 Tausend und 457 Mannjahre – das sind in Zahlen 3.345.359.457 auf Arbeit. Jedes Jahr!

Das ist heute schon gelenkte, organisierte und produktive Arbeit. Ganz unverfrohen gehe ich davon aus, dass wir mit 20% davon unseren Planeten bis 2030 aufgeräumt haben sollten. Damit das freiheitlich demokratisch abläuft steigt die Anforderung an Neue Arbeit. Es braucht mehr, als das Wohlfühlen der Mitarbeiter:innen. Es braucht mehr als die Partizipation von Angestellten in ausgewählten Firmenentscheidungen.

Aktuell bestimmen die Eigentümer:innen und ihre Firmenvertreter:innen darüber, was Ökonmie macht. Sie tun das nach ihren persönlichen Wertvorstellungen, Meinungen und Bedürfnissen. Das greift zu kurz. Selbst eine Gemeinwohlorientierung, die sich auf die Bedürfnisse von uns Menschen konzentriert ist zu wenig.

Was wir brauchen ist eine wirtschaftliche Verantwortung für das Dasein selbst. Es ist Zeit, dass die Existonomie die Öknomie an die Leine nimmt.

In den letzten Jahrzehnten habe ich mich damit auseinandergesetzt, was das bedeuten kann und wie es sich in kurzen Thesen beschreiben lässt. Bevor es endgültig zu spät ist, schalge ich folgende Thesen vor, an denen sich die Existonomie orientiert:

Sein:

  • Verantwortung vor Vertretung
    Du und ich, wir sind der Souverän. Wir entscheiden die Themen selbst und stehen dafür ein. Kein Wegducken. Kein Auf-Andere-Zeigen. Kein Kopf-Aus-Der-Schlinge-Ziehen.

  • Stimmrecht vor Eigentum
    Unternehmungen haben ein Gedächtnis. Es merkt sich, wer, wann, mit welchem Beitrag, wie lange, welches Risiko (mit)getragen hat. Die Menschen, die diesen Einsatz erbrachten, erhalten einen abgemachten Anteil am Ertrag. Das Recht, zu bestimmen, was die Firma tut, wird davon losgelöst. Hier erhält jede:r genau eine Stimme, die:der gerade aktiv ist.

Wandel:

  • Freiheit vor Abhängigkeit
    Jedes Kind bekommt mit der Geburt eine Gewerbenummer. Diese erlaubt den Menschen immer, Rechnungen im eigenen Namen auszustellen. Niemand muss, alle können.

  • Integration vor Mehrheiten
    Wir verwenden Zeit, Energie und Geld dafür, konstruktive Sichtweisen von aktiven Minderheiten unter einen Hut zu bringen. Wir hören auf, Mehrheiten nachzulaufen.

Tun:

  • Klarheit vor Bürokratie
    Jede:r bezahlt sofort 0,5% Steuern, wenn er:sie Kapital überträgt. Egal ob beim Kauf, Verkauf, Erben, Lohn, Zins usw. einfach immer.

  • Vermeidung vor Aktionismus
    Wirtschaft hat nur das Recht, die Ziele zu erreichen, die vermeiden, was dem Dasein nachweislich schadet.

Kontrolle:

  • Lösung vor Spektakel
    Es sind nur Nachrichten, wenn sie ein gangbares Lösungsverhalten mit aufzeigen.

  • Wirklichkeit vor Wirtschaftlichkeit
    Jede Angabe in Dollar, Euro und Co., wird ergänzt um die Info, über die verschmutzen Liter Trinkwasser und die verbrauchte Menge an fossilen Brennstoffen. Auf dem Lohnzettel. Auf der Eintrittskarte. Im Supermarkt. Auf dem Bauteil. Beim Herunterfahren vom Rechner, Smartphone, Tablet. Am Ende des Films. Auf dem Tacho. In der G&V ...

Aufklärung vor Macht:

Damit Bürger sinnvolle Entscheidungen treffen können, klärt sie ihr Staat auf. Das passiert zeitgemäß. Inhaltlich, methodisch und technologisch konstruktiv. Das machen insbesondere Wissenschaftler: innen, Journalist:innen, Lehrer:innen, Professor:innen, Politiker:innen, Expert:innen, Think Tanks, Berater:innen ...

In den Thesen steckt ein neues Verständnis von Arbeit. Es wird uns nur gelingen, die Welt zu retten, wenn wir unsere Arbeitszeit dafür verwenden. Wenn die Rettung der Welt selbst dafür sorgt, dass wir unsere wirtschaftlichen Existenzen erhalten. Das Potenzial ist gigantisch. Es ist die Zeit, darüber zu reden. 

Quelle: Manifest für Existonomie



Kommentare

Ralf Volkmer
Ralf Volkmer, am 26. Juni 2023 um 11:27 Uhr
Klasse und interessanter Artikel!
Gebhard Borck
Gebhard Borck, am 26. Juni 2023 um 11:39 Uhr
Danke!

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