Wann ist ein Fertigungsleiter ein guter Fertigungsleiter und wann ist ein Disponent ein guter Disponent?

Wann ist ein Fertigungsleiter ein guter Fertigungsleiter und wann ist ein Disponent ein guter Disponent?

Trotz der derzeit wieder steigenden Zinsen gibt es Führungskräfte, die davon überzeugt sind, dass Material in der Produktion minimale Kosten bzw. Probleme verursacht. Dies ist ein Irrglaube. Auszug 6 aus meinem Buch "Produktionssystem, Fertigungssteuerung, Toyota und Kata - durch Konsequenz zur Exzellenz".

Viel Spaß beim Lesen!
Andre Kürzel

23. Dezember 2023 um 04:30 Uhr von LeanThinking - Andre Kürzel


„Wir verkürzen die Durchlaufzeit, indem wir alle Bestandteile eliminieren, die keinen Mehrwert generieren“
Taiichi Ohno

Wann ist ein Einkäufer und ein Disponent ein guter Disponent?
Wenn er Termine hält und keine Fehlteile hat. 
Also sorgt er für eine „gute“ Bevorratung. Das ist menschlich.

Damit raubt er jedoch dem Unternehmen Chancen, die Problemursachen für Störungen zu finden und dauerhaft zu eliminieren. 
Somit werden Durchlaufzeiten nicht auf das mögliche Minimum reduziert. Kurze Durchlaufzeiten sind jedoch die Basis einer guten und zuverlässigen Lieferfähigkeit. 
Die Fähigkeit zur Reduzierung der  Durchlaufzeiten auf ein minimales, aber verlässliches Niveau, wird für jedes Unternehmen immer wichtiger. Die Erreichung kurzer und verlässlicher Lieferzeiten wird in Zukunft ein noch entscheidender Wettbewerbsvorteil sein.
 
Trotz der derzeit wieder steigenden Zinsen gibt es Führungskräfte, die felsenfest davon überzeugt sind, dass Material in der Produktion minimale Kosten bzw. Probleme verursacht. Dies ist ein Irrglaube, denn es gehen neben Kapitalzinsen auch Kosten für den umbauten Raum, für Wartung, Schwund, Verschrottung, Versicherung, Steuern, Inventur, Transport- und Rangieraufwand ein. Gerade auch der negative Einfluss des (Unterwegs-)Bestands auf die Durchlaufzeit ist schwer zu kalkulieren.
Jährliche Lagerkosten von 15 bis 30% des Lagerwerts stellen eine realistische Berechnungsgrundlage dar. Da die zurechenbaren Kosten in der traditionellen Zuschlagkalkulation versteckt sind, wird dieser Faktor in Unternehmen normalerweise zu niedrig angesetzt.

Insbesondere der Punkt Transparenz ist monetär schwer zu bewerten, aber ein nicht zu unterschätzender Faktor. Intransparenz sorgt unbemerkt für Aufwände, die in den Grenzherstellkosten keine Berücksichtigung finden, wie z.B. das Steuern von Aufträgen und den Transport von Teilen. 
 
Warum ist Transparenz so wichtig für Steuerer und Disponenten? 
 
Durch die Vielzahl an Teilen bzw. Aufträgen besteht bei konventionellen Dispositionsverfahren die Gefahr, dass vom Disponenten eine gut gemeinte, aber kontraproduktive Negativspirale in Gang gesetzt wird (siehe Abbildung: „Auswirkung von hohen Durchlaufzeiten auf Fertigungstermine“).
 
Der Anfang der Misere entsteht dadurch, dass die tatsächliche Durchlaufzeit für ein bestimmtes Teil nicht erreicht wird. Als Folge erhöht der Disponent oder Steuerer die Plandurchlaufzeit im SAP, wodurch Plan-Aufträge früher gestartet werden und somit noch mehr Aufträge in die Fertigung gedrückt werden.
Wenn sich an dem Kapazitätsangebot in der Fertigung nichts ändert, werden die Aufträge jedoch nicht schneller fertig – sie warten nur länger vor der Maschine und die Übersicht für alle Beteiligten wird noch schlechter. 
 
Die Folge ist, dass die Transparenz in der Fertigung kontinuierlich sinkt und dadurch falsche Prioritäten gesetzt werden: 

  • Der Meister/Fertigungsleiter sieht nicht mehr, welche Aufträge im Werkstattbestand neu oder dringend sind.
  • Der Steuerer hat lange Auftragslisten und versucht den Meister durch Prioritätslisten zu helfen, die richtigen Aufträge auszuwählen. Es gibt nicht nur „wichtig“, sondern auch „sehr wichtig“ und „noch viel wichtiger“. Deshalb verliert der Steuerer die Langlieger fast ganz aus seinem Blickfeld.
  • Gleichzeitig nutzen die Fertigungsmitarbeiter oder der Meister die vielen Aufträge dazu, Rüstkosten zu sparen und fassen gleichartige Teile zusammen. Dies ist gut gemeint, denn es erhöht auf den ersten Blick die Produktivität. Es führt aber zu Fehlteilen, die mit hohem Aufwand angetrieben werden müssen.  Unter dem Strich ist dies nicht nur schlecht für die Versorgungssicherheit, sondern auch noch unwirtschaftlich.
  • In diesem „Chaos“ steigt der Regieaufwand überproportional. Dadurch mutieren Steuerer und Vorarbeiter zu reinen Terminjägern.
    Strategische Ziele und die Optimierung der Auftragsbearbeitung gelangen vollkommen in den Hintergrund.
  • Die Gefahr ist hoch, dass immer wieder mal Übergangszeiten im SAP erhöht werden, denn diese scheinen vermeintlich zu niedrig zu sein – begründet wird das mit „nicht erreichbaren Durchlauf- bzw. Lieferzeiten“.

Im nächsten Beitrag beschreibe ich, wie der Teufelskreis durchbrochen werden kann.



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