Wer lesen kann, ist im Vorteil ... Folge 103
Die Begegnung mit seinem Sohn Rubirosa, der mit dem Versandhandel Alibaba in Fernost eigentlich ohne die Unterstützung seines Vaters das in dieser Branche profitabelste Unternehmen gegründet hat, hat Dr. h.c. Any Nemo beeindruckt.
Insbesondere die Bemerkung seines Sohnes, dass Nemo mit Managern dieses Schlages, dieser anderen „Denke“ nichts anfangen könne und sein Sohn keinen Wert darauf legt, im elterlichen Unternehmen – immerhin dem größten der Welt – zu arbeiten, nagt an ihm.
Nun ist die Einstellung seines Sohnes so weit von den Traditionen der alten Dampfer entfernt, dass man nicht erwarten kann, dass Nemo mit fliegenden Fahnen auf den Zug der Gedanken aufspringt. Der Umgang mit solchen Mächtigen wie Nemo ist eben ein Lehrstück in Demut. Kurzgefasst, man kann schon damit zufrieden sein, wenn neue Eindrücke zwar keine Wirkung zeigen, jedoch einen gewissen Effekt.
Nemo hat sich für sein Büro ein Stehpult angeschafft.
Der Interviewer betritt das Vorstandsbüro.
Interviewer: „Oh, findet unser Treffen jetzt im Stehen statt?“
Nemo: „Das Topmanagement arbeitet jetzt im Stehen!“
Interviewer: „Wie kommen Sie auf die Idee?“
Nemo: „Habe ich gelesen, wer lesen kann, ist ja im Vorteil. Interessant, was man so lesen kann. Die sagen da, wir müssen unseren Hintern nicht plattsitzen, sondern bewegen! Das macht Sinn.“
Den Zusammenhang zwischen dem Hirn des Managements und deren Hintern hinterfragt der Interviewer anständigerweise nicht.
Interviewer: „Was lesen sie da gerade?“
Nemo: „Die Bibel!“
Interviewer: „Die Managementbibel?“
Nemo: „Nein, die normale Bibel!“
Interviewer: „Mmmh!“
Nemo: „Andrea Marchese Bianchini, mein Freund der Mönch hat sie mir geschenkt.“
Interviewer: „Und?“
Nemo: „So weit so gut … Nur hört diese Bibel, die ja eigentlich 984 Seiten hat, nach 5 Seiten auf … der Rest ist weißes Papier.“
Elvira, die neuerdings und wahrscheinlich unter dem Einfluss ihres Lovers, dem Interviewer, sich schon tagsüber gelegentlich einen Prosecco gönnt, schmunzelt. Sie mag solche Scherze wie die weißen Blätter in einem Buch, sie liebt Menschen mit Witz und Geist. Der Mönch gefällt ihr schon seit langem, mehr sagen wir dazu jetzt mal nicht.
In dem Moment erscheint der Mönch im Vorstandsbüro, Freunde haben da immer Zutritt. Elvira errötet leicht.
Nemo: „Andrea, was soll das, das mit den weißen Seiten. Du meinst doch nicht etwa, ich kann nicht lesen … oder nähme mir keine Zeit, Bücher zu lesen.“
Andrea: „Klar kannst Du lesen, deshalb bist Du in deiner Welt klar im Vorteil!“
Nemo: „Na also!“
Andrea: „Allerdings …“ Und in dem Moment zuckt Nemo und schaut den Mönch in einer Mischung aus Erwartung, Skepsis, ein wenig Spott, Ungläubigkeit, Stirnrunzeln, na ja eben diesem Cocktail, den man gemeinhin auch – natürlich mit allen Abstrichen der Höflichkeit folgend – Borniertheit nennen könnte, an.
Andrea: „Allerdings …“, so fährt er fort, „Du siehst nur das Schwarze, die Schrift. Das Wesentliche steht auf den weißen Seiten …“
Nemo: „Gibt es dafür ein management summarize, ich meine für die weißen Seiten?“
Andrea: „Der Satz „Wer lesen kann, ist im Vorteil“ ist nicht vollständig. Lesen kann heute jeder, Verstehen ist auch keine Kunst. Die Schrift auf den weißen Seiten nach dem Text zu entziffern, das ist Kunst.“
Interviewer: „Mmmh!“
Nemo: „Was steht denn auf den weißen Seiten. Mach kein Geheimnis draus, das halte ich nicht aus.“
Andrea: „Keine Ahnung, was da steht. Das ist Dein Part, Du erzählst die Geschichte weiter …“
Nemo: „Ist das nicht Frevel, die Bibel selber weiterzuerzählen…?“
Elvira bekreuzigt sich.
Andrea: „Nein, das ist kein Frevel, das ist Freiheit! Ach übrigens“, so sagt Andrea nach einer kleinen Pause,“ das gilt auch für Eure Managementbibeln.“
Nemo muss wieder zum nächsten Termin.
Elvira, Andrea und der Interviewer gehen zum Fahrstuhl.
Elvira: „Andrea, ist Nemo ein freier Mensch?“
Andrea antwortet darauf nicht.
Wie es weitergeht mit Dr. Nemo, WMIA Incorporated und Elvira erfahren wir nächsten Dienstag …
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