Warum Berater oft zum Selbstzweck mutieren
Die Welt der Berater ist vielfältig aber oft auch sehr scheinheilig. Sicher gibt es sie, diejenigen, die eine gute und wichtige Expertise in Unternehmen und Organisationen bringen. Aber gefühlt sind das nicht sonderlich viele, denn das Geschäftsmodell von vielen Beratungen ist eher Abhängigkeit als Unterstützung.
Berater müssen sich überflüssig machen
Ich finde, jeder Berater sollte das Ziel haben, sich selbst überflüssig zu machen. Ja, Sie haben richtig gelesen. Wir als Berater müssen in unseren alltäglichen Aufgaben daran arbeiten, uns arbeitslos zu machen. Ich erlebe oft große Verwunderung, wenn ich diesen Satz im Kreise anderer Berater ausspreche, denn es klingt erst mal masochistisch. Es ist aber der nachhaltigere Weg. Nur wenn man wirklich die Einstellung lebt, dass man es mit den Unternehmen, für die man arbeitet, gut meint, kann man erst einen guten Job machen. Diese Haltung wird jetzt niemand negieren, doch wenn es um den Verkauf von Beratungstagen geht, sind sich die meisten doch wieder selbst am nächsten.
In den vergangenen Tagen konnte man bei Spiegel-Online einen Artikel lesen, in dem berichtet wurde, dass im Bundesverteidigungsministerium ein Beraterbudget von 100 Millionen Euro angesetzt ist. 100 Millionen Euro würden bei 2.000 Euro pro Tag übersetzt 50.000 Tage bedeuten!
Bei unredlichen Beraterhonoraren, wie sie die großen Beratungen oft verlangen, kommt man immer noch auf 25.000 Tage!
Bei dieser enormen Menge muss man sich schon fragen, ob es in diesem Ministerium neben Beratern überhaupt noch Angestellte gibt und was in dieser Organisation so dermaßen schiefläuft, dass man so viel externe „Expertise“ benötigt.
Darüber hinaus stellt man fest, dass viele Führungskräfte in dieser Behörde ehemalige Berater einschlägiger Beraterfirmen sind. Das riecht sehr nach Vetternwirtschaft und erinnert mich an die Erzählungen meiner Eltern über den Sozialismus im ehemaligen Jugoslawien. Nur mit dem Unterschied, dass damals nicht die Zugehörigkeit zu einem Beraternetzwerk ausschlaggebend war, sondern die Mitgliedschaft in der Kommunistische Partei.
Viele, insbesondere die großen, Beratungen arbeiten mit diesem Netzwerkprinzip. Berater aus ihrem Umkreis sichern sich lukrative Führungspositionen in Unternehmen und Behörden und holen dann deren ehemaligen Kollegen, um ihnen attraktive Beratungsmandate zu verschaffen. Es ist eine Art Verbindung, die auf Lebenszeit einander verpflichtet ist. Es gilt das Prinzip: „Du hast deinen Job durch uns bekommen, jetzt verschaffst du uns dafür lukrative Beratermandate.“ Ob diese Beratungsexpertise den betreffenden Unternehmen wirklich nützt, sei dahingestellt.
Konsequenzen für die „Lean-Welt“
Was heißt das alles nun für die Lean-Berater-Szene? Auch wenn viele Lean-Beratungen nicht so groß sind, so müssen auch sie darauf achten, dass sie nicht zum Selbstzweck verkommen. Aber auch im Lean-Bereich kann man beobachten, dass manche die Unternehmen von sich abhängig machen. Sie bieten keine Unterstützung in Form von Hilfe zur Selbsthilfe, sondern sie haben einen Methodenkasten, den sie, je nachdem, wie viel ein Unternehmen zahlt, mehr oder weniger weit öffnen.
Für die Umsetzung dieser Methoden werden natürlich wieder die Berater gebraucht und dabei kommen immer wieder neue Methoden ans Tageslicht, mit denen man die Unternehmen erneut anfüttert um sie danach abhängig zu machen. Gerade in der Lean-Welt ist diese Methodenreiterei sehr oft sichtbar, weil es vermeintlich einfach ist. Und in der Tat ist es viel leichter, Unternehmen Methoden zu verkaufen. Im Verkaufsgespräch geht das schneller und ist für interessierte Kunden greifbarer, als wenn man über Unterstützung, Befähigung und langfristige Unternehmensentwicklung spricht. Dennoch kann man hier feststellen, dass immer mehr Unternehmen lernen, dass es wesentlich mehr gibt, als die rein auf Methoden reduzierte Denkweise.
Darüber hinaus fokussieren viele Berater allein auf Effizienz, denn auch diese Sichtweise ist zunächst einfach, weil sie sich schnell in ein paar Zahlen darstellen lässt. Dabei werden enorm viele Fehler gemacht. Alles muss schneller, schlanker und profitabler werden. Dabei fallen aber Kunden und auch Mitarbeiter völlig hinten runter, denn es fragen nur wenige, weshalb man denn genau schneller werden muss und weshalb man nun genau an der einen Stelle mehr Produktivität braucht. So werden Beratungsmandate zum Selbstzweck ohne Sinn und Verstand.
Selbstzweck ist inakzeptabel
Die Berater müssen, viel mehr als andere Branchen, unbedingt darauf achten, nicht eigennützig zu sein. Das ist bei Beratern besonders schwierig, weil es im ersten Schritt danach aussieht, als ob man sein eigenes Geschäft torpediert. Kurzfristig ist das auch so, langfristig ist es entgegengesetzt. Unternehmen merken sehr bald, ob man es wirklich gut mit ihnen meint oder ob man nur Tage und Methoden verkaufen will. Die großen Beratungsunternehmen können dieses Dilemma teilweise umgehen, weil sie durch ehemalige Kolleginnen und Kollegen ihr Netzwerk in den Unternehmen und Organisationen aufgebaut haben und kostspielige Aufträge dadurch recht einfach abgenickt werden.
Gerade die Lean-Beraterszene muss hier ein Vorbild sein. Wer behauptet, der Markt sei nun mal so und meint, er müsse das Spiel entsprechend mitspielen, hat den wahren Kern dessen, was Kaizen bedeutet, nicht verstanden. In dem Fall sollte man aber seine Tätigkeit nicht nur hinterfragen.
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