„Die Leute“: Über die giftige Saat der Ablehnungs- und Blockadenarrative
Wir neigen zu der Annahme, dass Veränderung schwierig sei. Ein weit verbreiteter Irrglaube. Aber noch etwas anderes steht uns im Weg, wenn wir beginnen, über Veränderung und Wandel nachzudenken: Und das sind Ablehnungs- und Blockadenarrative. Tatsächlich gibt es in Organisationen und Zusammenarbeit reichlich solcher Narrative oder Theorien. Hier wie auch in unseren Gesellschaften behindern populäre, teilweise durchaus ansteckende Narrative den Fortschritt oder bremsen ihn ganz aus. Auf jeder Ebene, jeden Tag, zu jeder Stunde.
Falls Du glaubst, solche Mythen selbst nie gefördert zu haben, muss ich Dich warnen: Wir alle haben wohr irgendwann einmal auf die eine oder andere Weise bedenkliche Verweigerungsnarrative verbreitet – ich eingeschlossen. Hier ein paar Beispiele für gängige Ablehnungs- und Blockadenarrative aus der Domäne von Arbeit und Organisationen, die Du möglicherweise wiedererkennen wirst.
- Die (da oben) wollen das nicht
- Unseren Managern ist das egal, wirklich
- Aber unsere Führungskräfte sind zufrieden, so wie die Dinge stehen
- Führungskräfte haben null Interesse am Fortschritt
- Die sind sehr egoistisch, verstehst Du?
- Die profitieren doch vom Status quo
- Die haben einfach keinen Grund, sich zu verändern
- Unsere Mitarbeiter widersetzen sich dem Wandel
- (Die meisten) Mitarbeiter wollen keine Veränderung
- Unsere Leute in der Produktion/in XZY sind anders
- Das erfordert aber Mut (den „sie“ nicht haben)
- Die sind noch nicht bereit
- Die wollen die Macht, die sie haben, nicht loslassen
- Die klammern sich an Autorität
- Die wollen nicht aus ihrer Komfortzone heraus
- Ich hab’s verstanden. Aber meine Kollegen/Vorgesetzten/Mitarbeitenden nicht
- Banken/Eigentümer/Behörden lassen das nicht zu
- Ich würde ja, aber die Vorschriften
- In unserer Branche unmöglich. Compliance, verstehst Du?
Diese Behauptungen haben etwas gemeinsam: Sie halten einer näheren Betrachtung oder logischen Hinterfragung nicht stand. Es sind Mythen, Vorurteile, Schuldzuweisungen, oder eben arbeitsbezogene Verweigerungsnarrative über Menschen, Gruppen oder Institutionen.
Schauen wir uns ein Beispiel genauer an: „Die haben einfach keinen Grund dazu, etwas zu ändern.“ Diese Aussage bezieht sich in der Regel auf Manager, Führungskräfte, „Chefs“ oder Eigentümer. Oft ist diese Art von Aussage mit mindestens einem weiteren Vorurteil über persönliche - oder Gruppeninteressen verknüpft, wie z. B. „Wir machen Gewinn, also sind die doch zufrieden.“ Bei näherer Betrachtung ist diese Behauptung selten haltbar: Man merkt schnell, dass alle Beteiligten mehrere bzw. viele Interessen und (legitime) Erwartungen haben, die sich durchaus widersprechen können. Kein Akteur hat nur ein einziges Interesse wie „Einkommen“ oder „Gewinn“.
Sicher, einzelne Motive einer Person oder Gruppe mögen zu einem bestimmten Zeitpunkt befriedigt sein. Andere Erwartungen indes werden nicht vollständig erfüllt sein. Im Falle von Managern oder Führungskräften könnten dies zum Beispiel „persönliche Arbeitsbelastung“, „persönliches Lernen“, „persönliche Arbeitszufriedenheit“, „Interesse an Innovation“, „Interesse an allgemeinen Organisationsgesundheit“ oder „Fürsorge für andere bei der Arbeit“ sein. Außerdem: Wer sagt eigentlich, dass andere Interessengruppen („Die Leute“) kein Interesse am Gemeinwohl haben, etwa am gesellschaftlichen Fortschritt, an demokratischer Fairness oder Nachhaltigkeit?
Überhaupt nicht harmlos
Ablehnungs- und Blockadenarrative werden gern als Glaubenssätze verpackt herumgereicht. Manche Managementmethode ist jedoch geradezu um derartige Narrative herum konstruiert worden. Dies ist bei den so genannten Kompetenz- und Reifegradmodellen der Fall; bei Konzepten, die den Begriff der „Readiness“ nutzen; oder bei Persönlichkeitstests und -evaluierungen, die zu Beurteilungszwecken eingesetzt werden.
Kurzum: Ablehnungs- und Blockadenarrative nicht bloss lustiger Unsinn: Schuldzuweisungen, Mythen und Vorurteile wie die oben genannten erschweren Fortschritt oder machen ihn gänzlich unmöglich. Ich gehe davon aus: Das ist auch Dir nicht gleichgültig.
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