Leadership konsequent systemisch denken
Immer mehr Berater, Leader, Mitarbeiter fragen nach krisenfunktionaler Organisation.
Je wohlhabender Gesellschaften sind, desto mehr ihrer Menschen fragen nach Sinn in ihrem Leben, der nicht allein durch Konsum bestimmt wird.
Während wir gesamtgesellschaftlich dabei sind, die für Menschen notwendige planetare Ökologie vor die Wand zu fahren und dabei Myriaden Leben mit in den Untergang zu reißen, werden die Fragen danach, welche Strategien für Leadership global zukunftsförderlich wirken, immer dringlicher.
Dabei schauen ganz besonders in Unternehmensorganisation, aber auch in Sachen Gesellschaftsorganisation, Viele auf psychologische Ansätze: Von Empathie ist die Rede, von Resilienz, von gesunden Beziehungsdynamiken.
Das Problem: Wir sind gerade erst seit Kurzem dabei, eher trockene systemische Ansätze zu würdigen, und die Diskussion wird zu großen Teilen aus psychologischer Blickrichtung orientiert.
Das funktioniert gut für Einzel- und Gruppentherapie und dafür, Beziehungsdynamiken auf ihre Funktionalität hin zu untersuchen und auszurichten. Gleichzeitig kann dieser Ansatz aber für Organisationen bedeuten, dass Produktionsprozesse blockiert werden, weil Ebenen vermischt werden.
Konsequent systemisch zu denken bedeutet nicht, auf menschlich funktionierende Beziehungsdynamiken zu schauen, sondern an KonfliktFORMen zu organisieren.
Stehen Beziehungsdynamiken und Psychen im Vordergrund der Teamorganisation oder gesamtgesellschaftlicher Orientierung, verliert Organisation dadurch Momentum, dass stets diejenigen, die mit evolutionär älteren Programmen arbeiten/entscheiden als jene, die systemisch operieren, bestimmen, bis wohin gegangen werden darf.
Es braucht für New Leadership eine freilassende Ethik, die weder Führungsstile vorschreibt, noch versucht Beziehungsdynamiken zu kitten und Wohlfühlprogramme vorzugeben.
Ton und Stil sollten statt dessen insoweit frei gegeben werden, als dass ausschließlich die Frage relevant ist: Erreichen wir das augenblickliche Unternehmensziel und wirkt es global konstruktiv? Je gesellschaftlich destruktiver die Gesprächsstrukturen innerhalb des Unternehmens, desto mehr besteht das Risiko, dass sich das auf die Gestaltung des Unternehmensziels auswirkt und gesamtgesellschaftlich fortpflanzt. Umgekehrt: Wenn jemand kaputte Autos verkauft, ist ziemlich wahrscheinlich, dass sich diese Form zu lügen in die Organisation des Unternehmens überträgt.
Als Google gegründet wurde, war nicht Unternehmensziel Werbung zu machen, sondern effiziente Suchmaschinen zu bauen, die besser sind als alle anderen. Dann hat sich herausgestellt, dass mit Werbung ein riesengroßer Geldtopf aufgemacht werden kann, und jetzt haben wir Suchmaschinen, die als Werbemaschinen funktionieren, die uns das Suchen erschweren und die soziale Anpassungsprogramme schreiben. Das heißt, wir haben das alte Modell aus der Vor-Internetzeit verstärkt, nutzen aber die Möglichkeiten, die uns das Internet bietet, nicht effizient.
Werbung und Marketing passen sich Tonvorgaben aus Gesellschaft an. Sie schreiben (an) Konditionierungsprogramme(n mit).
In dem Augenblick, in dem Menschen Ton diskutieren, haben sie die Sachebene verlassen.
In dem Augenblick, in dem die Psychen der Mitarbeiter und Kollegen für Organisation relevant werden, rutscht Organisation in den therapeutischen Bereich ab und wird übergriffig.
Freilassend systemisch zu organisieren bedeutet statt dessen, jeden Menschen in seine eigene Welt und vor allem in seine Unberechenbarkeit zu entlassen (inklusive einem selbst), weil systemisch zu denken uns lehrt, dass Komplexität zu unterdrücken eine minderwertige Form von Komplexitätsreduktion ist.
Immer dann, wenn Ton und Stil diskutiert werden, beginnt Rhythmisierung in Richtung rigider Personen: Formen zwischen Psyche und Sozialsystem werden festgesetzt, eingeengt, und die damit verbundenen kommunikativen (Selbst)Rhythmisierungen bringen spezifische FORMen von Konflikten hervor und grenzen andere aus. Das System läuft in Richtung Fragmentierung oder Stagnation.
Man stelle sich mal vor, Angela Merkel würde zu Donald Trump sagen: „Aber nicht in diesem Ton!“ Sie würde damit augenblicklich auch Inhalte unterdrücken.
Wir sehen das gesamtgesellschaftlich dort, wo menschliche Entwicklung im Kontext der großen Krisen unserer Zeit diskutiert werden: Immer dann, wenn der psychologische Ansatz verallgemeinert wird, bilden sich ideologische, sogar sektenähnliche Strukturen, weil der psychologische Ansatz mit Kommunikationsvorgaben kommt, die in Richtung Anpassung der Psyche(n) an Umwelten befragen.
Psychische Anpassungsleistung ist aber etwas, das Unternehmen den Menschen überlassen müssen – und das gleich aus mehreren Gründen:
- Findet ein schnell dominierender Teil der Menschen die eigene Psyche und die mit ihr verbundenen Beziehungsspiele interessanter als die Arbeit.
- Sind psychologische Ansätze inkompetent, wenn es um die Analyse von KonfliktFORMen in kommunikativen Riesenwellen geht – und diese schwappen auch in Unternehmen (zum Beispiel dadurch, dass parallel das Handy eingeschaltet bleibt und der Mitarbeiter sich auf Facebook streitet):
Psychen können nur was über psychische Prozesse wissen.
Nur Kommunikationssysteme können was über kommunikative Prozesse wissen.
Der psychische Ansatz kann keine adäquaten Beschreibungsmodelle dafür liefern, wie kommunikative Riesenwellen oder Kommunikationsorganisation funktioniert.
Auch im Versuch etwas anderes zu beschreiben, beschreibt jedes autopoietische System immer nur sich selbst. Autopoietische Systeme können Erwartungshaltungen gegenüber den Auswirkungen ihrer Umwelt auf sie/sich selbst formen. - Finden sich Viele durch wohlklingende Werte eher psychologischer Ansätze wie „Empathie“, „Einfühlungsvermögen“, „Soft Coaching“, „Syntony“, Fragen von Sein und Sinn verführt, diese zu verallgemeinern und zu übersehen, dass es eine Menge Menschen gibt, die an diesen Dingen nicht interessiert sind.
- Müssen sich Leader den jeweiligen aktuellen Unternehmenszielen (ein Begriff, den ich nicht auf Wirtschaft allein beschränke) unterstellen, beziehungsweise langfristiges Überleben des Unternehmens im Auge behalten, was bedeutet, an komplexe Umwelten anpassungsfähig zu bleiben.
- Fragt der beziehungstherapeutische Ansatz nach nichts anderem als nach sich selbst. Er hat kein Auge für die größeren Zusammenhänge, sondern wirkt wie ein Brennglas, das auf die Innenseite der Organisation, seinen Fokus, dasselbe Ziel schreibt wie auf die Außenseite (wo beispielsweise wirtschaftlichen Erfolg stehen sollte). So steht dann auch auf der Außenseite plötzlich das Team, und der Mensch von dort wird in die Organisation gezerrt und muss sich den vorgegebenen Stilen anpassen. Statt, dass er am Produktionsprozess kreativ beteiligt wird, wird er Teil einer Coachingmaschine. Diese Übergriffigkeit führt zwangsläufig in Burnout, weil Mensch sich nicht mehr abgrenzen kann.
Freilassendes Leadership hält die Finger aus Leben, Psychen und Beziehungen seiner Mitarbeiter und Leader. Es denkt soziologisch, statt psychologisch, es denkt systemisch. Es schaut auf die KonfliktFORMen und fragt nach ihrer Produktionseffizienz. Es lässt seine Mitarbeiter frei und erlaubt auch unfreie Teamorganisation, solange Unternehmensziele eingehalten werden.
Will freilassendes Leadership außerdem krisenfunktionale Programme schreiben, fragt es nach krisenfunktionalen Produkten und motiviert in diese Richtung, indem es kreative Räume öffnet, die sich aber eben nicht um Stil und Ton kümmern.
Unternehmen von der Zukunft her denken heißt, die Frage zu stellen, wie der Produktkunde der Zukunft gut überleben kann und wie er Organisation und Produkt aus seiner Zeit heraus bewertet:
- Was hält er von diesem Unternehmen?
- Was denkt er von diesem Produkt? Will er es noch haben?
- Welche gesellschaftlichen Probleme sieht er in der KonfliktorganisationsFORM?
- Wie bewertet er die Funktionalität des Unternehmens für menschliches Überleben auf dem Planeten?
All das, was krisenfunktionales Produzieren ausbremst, muss als Energieverschwendung bewusst werden. Das gilt auch und ganz besonders für die OrganisationsFORM.
Konsequent systemisch denkende Leader organisieren keine Menschen.
Sie werden grundsätzlich dazu anregen, dass nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch sie selbst freigelassen werden.
Leader, die versuchen, ihren eigenen Leadern und/oder ihren Mitarbeitern vorzuschreiben, wie sie zu arbeiten haben, gehen nicht krisenfunktional vor.
Vor dem Hintergrund der Klimakrise müssen Methoden und Tools ganz besonders dort mit Misstrauen untersucht werden, wo sie versuchen, auf Psychen, Privatleben und Beziehungsdynamiken einzuwirken, beziehungsweise schlimmer noch: sie zu kontrollieren.
Bereits das Bedürfnis, eine angenehme soziale Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Menschen wohlfühlen, gehört auf den Prüfstand: Es führt zu häufig zu Übergriffigkeiten.
Statt dessen gilt, andere Leader und Mitarbeiter als Erwachsene zu adressieren, die sich das Recht herausnehmen selbst zu entscheiden, wer und wie sie sein wollen.
Das ist sicherlich nicht der leichteste aller Wege, aber er ist derzeit der einzige, der absehbar anhaltend kreative und nachhaltige Produkte hervorbringt und der verhindert, dass Menschen, die mit veralteten evolutionären Programmen versuchen, die Beziehungsdynamiken und die Märkte zu kontrollieren, die Produktionsprozesse ausbremsen oder gar blockieren.
Hierzu gehört, dass Leader klare Vorgaben geben dürfen, wie sie gedenken, sich nicht von Beziehungsspielen dominieren zu lassen, dass sie nicht gedenken, dafür verantwortlich zu zeichnen, wenn jemand emotional, wenn „es“ psychologisch wird.
Sie dürfen klar kennzeichnen, dass sie auf erwachsene Resilienz ihrer Mitarbeiter bauen – was umso leichter geht, wenn das Unternehmen sich anständigen Gehältern und sicheren Arbeitsplätzen oder freiberuflichen Partnerschaften gegenüber langfristig verpflichtet fühlt.
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