Ich weiß, dass ich nichts weiß ... Folge 108
Es lässt Dr. Nemo keine Ruhe, dass sein Sohn Rubirosa innerhalb kurzer Zeit eines der größten Unternehmen der Welt entwickelt hat. Es ist nicht so, dass er ihm das nicht gönnt, es ist vielmehr die Unerträglichkeit des Gedankens daran, dass solide Entwicklung Zeit und Erfahrung braucht, und dass dies offensichtlich nicht für Rubirosa gilt.
Rubirosa ist kein Akademiker wie sein Vater und sein Wissen beruht meist auch nicht auf Erfahrung. Das jedenfalls hat Nemo in Gesprächen getestet. An einer Antwort seines Sohnes auf die Frage, wie er seinen Erfolg erklärt, knabbert er bis auf den heutigen Tag.
Sein Sohn sagte: „Ich weiß, dass ich nichts weiß …“
Na ja, dieser Satz wird Sokrates zugeschrieben, aber dass er in das Handeln eines erfolgreichen Managers einfließt, dass wirft natürlich diese klassischen Denkweisen aus der Bahn. Immerhin ist Wissen die Grundlage des Handelns, ein Manager, der dies bestreitet, erntet in den erlauchten Kreisen höchstens ein Stirnrunzeln.
Nemo trifft sich wieder mit Rubirosa. Diesmal besucht er ihn in seiner – übrigens im Verhältnis zu den 128 Stockwerken des Verwaltungsgebäudes von WMIA Incorporated – relativ kleinen Firmenzentrale, im Arbeitszimmer.
An den Wänden hängen mehr als ein Dutzend Bildschirme. Pausenlos laufen Nachrichten, unterbrochen von Werbespots, drei Fernseher zeigen ausschließlich Werbespots.
Nemo schaut erstaunt: „Als ich so alt war wie du, habe ich Bücher gelesen, anstelle fernzusehen. Was lernst Du von diesem Geflimmer?“
Rubirosa: „Lernen wäre die falsche Bezeichnung, ich halte die Hand am Puls der Zeit!“
Nemo: „Wir bei WMIA Incorporated beobachten den Markt und die Menschen auch! Daher wissen wir, was in unseren Geschäften funktioniert.“
Rubirosa: „Ich weiß und daraus macht ihr dann statistische Formeln und später dann Regeln … viel später … oder gar nicht?“
Nemo: „Willst Du unsere Analysen in die Tonne treten? Ich lese gerade ein hochinteressantes Buch „Die sieben Erfolgsgesetze der Verkaufsgenies.“
Wenn Nemo nach altväterlicher Art jetzt noch hinzugefügt hätte: „Das solltest Du auch mal lesen“, dann hätte Rubirosa das wohl aus Höflichkeit überhört.
Rubirosa entgegnet stattdessen: „Ja, ja die Zahl Sieben! Warum hat man nicht fünf oder zwölf Gesetze des Erfolgs gefunden? Diese vermeintlichen Gesetze hält das Management für Rezepte, die diejenigen befolgen, die sich geistig von Dosensuppen ernähren.“
Nemo weiß darauf keine Antwort, das mit den geistigen Dosensuppen hat er nicht verstanden. Er fragt allerdings lieber nicht nach ….
Wäre der Interviewer dabei gewesen hätte er sicher „Mmmh …!“ gesagt, was wohl ein Platzhalter für alle Antworten auf die wichtigen Erkenntnisse des Managements und überhaupt sein könnte.
Nemo starrt auf die Bildschirme.
Nemo: „Was soll das?“
Rubirosa: „Ich verfolge die Meinungen der Massen, die Thesen, die Meinungen. Und die Wahrheit, die sogenannte, ist dem untergeordnet …“
Nemo: „Wie schrecklich! Ist das nicht unmoralisch?“
Rubirosa: „Hat die Wahrheit eine Moral?“
Nemo: „Na hör mal! Die Wahrheit ist die Grundlage des Abendlandes! Wo kommen wir denn dahin, wenn wir die Wahrheit nicht achten, wenn unser Wissen zur Meinung verkommt!“
Rubirosa: „Der Unterschied zwischen der Wahrheit und der Meinung liegt nur darin, dass die Wahrheit älter ist als eine Meinung und die Wahrheit meist ihr Verfallsdatum überschritten hat. Meinungen sind frisch vom Regal.“
Nemo: „Und was bedeutet das für’s Geschäft?“
Rubirosa: „Uns Menschen verbinden Prinzipien des Handelns, die wir nicht erschaffen haben und die vielleicht deshalb so gültig sind. Diese Prinzipien sind sehr einfach, Meinung schlägt Wahrheit und manchmal auch Verstand …“
Nemo: „Eine alte Weisheit … jedenfalls nach Meinung deiner Mutter…“
Rubirosa: „Wir folgen den Meinungen, wir verkaufen Produkte, von denen man meint, sie seien nützlich. Das Fernsehen und das Internet sind unsere Quellen, die Meinungen zu finden. Wir beschäftigen keine Wissenschaftler mehr, nur noch Influencer, die Meinungen machen …“
Nemo: „Da sehe ich ja ziemlich alt aus …“
Rubirosa: „Ich will die Welt der aristotelischen Logik gar nicht schelten, nur erscheint mir die ausschließliche Fokussierung auf die Entweder-Oder-Logik, die gerade Linie des Denkens, des Wissens eine opportunistische Haltung zu befördern, die für den Fortbestand der menschlichen Zivilisation nicht förderlich ist. Du bist im alten Modell!“
Nemo: „Mmmh …!“
Das wird spannend, insbesondere die Frage, was Nemo mit dieser Erkenntnis seines Sohnes anstellt.
„Anstellt“ ist wohl das richtige Wort. Die beiden sind aus einem Holz geschnitzt.
Wie es weiter geht, erfahren wir wie immer nächsten Dienstag …
Weitere Inhalte
Kennst Du schon LeanTransferLearning?
-
Wissen — gemeinsam erwerben und bei der Anwendung ausbauen
-
Transfer — begleitete Umsetzung im betrieblichen Alltag
-
Praxis — direkter ROI durch schnelle Nutzung im eigenen Umfeld
Die 5S-Methode in der Rüstzeitoptimierung - Online-Lern-Modul 11
Bei der Rüstzeitoptimierung (SMED) bietet die 5S-Methode konkrete Unterstützung zur Verbesserung der Vorgehensweise, indem Suchzeiten, unnötige Transporte und Bewegung vermieden werden. Auch …
Methoden und Werkzeuge zur Rückzeitoptimierung: Zeitaufnahmen, Tätigkeitsanalysen - Online-Lern-Modul 5
Wie schon an anderer Stelle erwähnt, ist die Rüstzeitoptimierung selbst ein standardisierter Prozess, der auf verschiedene Strukturelemente und Hilfsmittel zurückgreift. In diesem Block geht um …
Weitere Inhalte auf LeanPublishing
Eine Homestory - Folge 7
Im Folgenden hören Sie einen weiteren Interview-Mitschnitt mit dem CEO der WMIA Incorporated, Herrn Dr. h.c. Any Nemo. Heute befinden wir uns im Ferienhaus von Dr. Nemo...
Die Rolle des Dr. h.c. Any Nemo - Folge 30
Die Wahrheit ist ja bekanntlich ein so wertvolles Gut, dass sie wie früher das edle Bratenstück nur selten auf den Tisch kommt oder wenn der Anlass, die Situation aus Gründen bestimmter …
Das Geheimnis des Erfolgs des Dr. Nemo - Folge 55
Das größte Unternehmen der Welt, WMIA Incorporated, ist ja nicht zufällig so erfolgreich geworden. Die Frage ist natürlich - und wen würde das nicht interessieren - wie WMIA Incorporated und …
Ein anderer Approach zum Management - Folge 61
Das ist heute das Thema im 126. Stockwerk des Verwaltungsgebäudes von WMIA Incorporated, dem größten Unternehmen der Welt.
Kommentare
Bisher hat niemand einen Kommentar hinterlassen.
Kommentar schreiben
Melde Dich an, um einen Kommentar zu hinterlassen.
Teilen