Gymnastik für das Unternehmen

Gymnastik für das Unternehmen

Beweglicher Geist, beweglicher Körper – nach diesem Prinzip lassen sich Unternehmungen aus der Effizienz-Starre befreien.

#leanmagazin
17. Mai 2017 um 15:59 Uhr in LeanMagazin von Dr. Bodo R.V. Antonic


„Bleiben Sie in Bewegung“. Diesen Satz hat vermutlich jeder schon einmal gehört. Und ja, es steckt viel Weisheit darin. Denn der bewegliche Geist folgt dem beweglichen Körper. Ein Prinzip, das sich wunderbar auch in einem Unternehmen anwenden lässt.

Halten wir uns an dieser Stelle einmal kurz die Neuroplastizität des Gehirns vor Augen: Synapsen, Nervenzellen oder auch ganze Hirnareale besitzen die faszinierende Fähigkeit, sich abhängig von ihrer Verwendung verändern zu können.

Warum das business-relevant ist, will ich an einem Beispiel aus meiner Unternehmenspraxis verdeutlichen: Ich hatte mich um ein medizintechnisches Handelsunternehmen im Südwesten zu kümmern. Es war in einem latenten Fehl-Gedanken verfangen. Gefesselt durch einen unbewussten, inneren Glaubenssatz („Wir sind ein medizintechnisches Handelsunternehmen“).

Ich schaute mir das Unternehmen genauer an und entdeckte, dass es im Grunde kein medizintechnisches Handelsunternehmen war, sondern ein verkappter Logistiker. Damit änderte sich das Geschäftsmodell von „Wir verkaufen Medizintechnik“ hin zu „Wir transportieren Medizintechnik“. Das klingt banal, ist es aber nicht. Denn nun musste man Geld mit der Logistik verdienen und nicht mehr mit der Ware allein.

Spielregeln abbauen schafft Freiraum für Sie und Ihre Mitarbeiter

Nun wissen Sie sicher, weshalb ich Ihnen von der Beweglichkeit des Geistes und des Körpers erzählt habe. Auch Ihr Unternehmen muss ständig „gymnastiziert“ werden, um beweglich zu bleiben. Nur dann sind Sie agil genug, um den Herausforderungen des Marktes erfolgreich standzuhalten.

Und vor allem: Identifizieren und verbannen Sie kontraproduktive Glaubenssätze! Eliminieren Sie hohle Buzzwords! Entfesseln Sie Ihr Unternehmen, indem Sie Spielregeln abbauen!
Wem dies gelingt, der schafft Freiraum für sich und seine Mitarbeiter. Weil er ihnen die Stütze „wegnimmt“, an der sie sich viel zu lange unnötig festgehalten haben. Und schöpft so endlich das Potenzial seiner Unternehmung aus.

Wir lernen also: Durch Dogmen gelähmte Organisationen sind zum Scheitern verurteilt! Sie verlieren eine der entscheidenden Fähigkeiten, sich auf neue Umgebungssituationen einzustellen. Ihre Dogmen zu leben, wird für die Organisation/das Unternehmen wichtiger als locker, beweglich und anpassungsfähig in der – obacht! – Hüfte zu bleiben.

Agilität: Eine Analogie aus der Orthopädie

Die Hüfte? Ja, Sie haben richtig gelesen! Die Hüfte ist ein ganz erstaunlicher Teil des menschlichen Körpers. Sie beantwortet auf geradezu vortreffliche Art und Weise die Frage nach der Überlebensfähigkeit eines Unternehmens. Die von mir gewählte Analogie ergibt sich dabei aus der Tatsache, dass auch die Hüfte den Auftrag zu erfüllen hat, überlebensfähig zu bleiben – wenngleich sich dies uns nicht auf den ersten Blick erschließt.

Die Funktionsweise der Hüfte ergibt sich daraus, dass das Bein, repräsentiert durch den Oberschenkelknochen, sich mittels der Hüftkugel in der Hüftpfanne in alle benötigten Richtungen bewegen kann: Der Mensch kann somit hüpfen, gehen, rennen und springen.

Fragt man einen Nicht-Orthopäden oder andere, nicht sachkundige Menschen, nach der Oberflächenbeschaffenheit der Hüftkugel, hört man zumeist die Vermutung: „Rund, abgeschliffen, glattpoliert.“ Dies klingt logisch, leider ist diese Antwort jedoch vollständig falsch.

Schaut man sich unter dem Mikroskop die Oberflächenstruktur dieser Kugel an, so erkennt man unweigerlich Riefen, Risse, Kanten und Spitzen. Der legendäre deutsche Orthopäde und Biomechaniker Pauwels hat dies erstmalig nachgewiesen und dabei erkannt, dass das dahinterliegende Prinzip einer bewusst rau gestalteten Oberfläche auf alle Kugelgelenke in der Natur übertragbar und genetisch verankert ist.

Frei nach Darwin: Die Best-Angepassten überleben erfolgreich

Wieso hat sich dieses Bauprinzip als ein vorteilhaftes erwiesen, wo doch die unmittelbare Konsequenz dieser Bauweise ein höherer „Abrieb“ in der Hüfte ist? Wieso zieht die Evolution Lösungen vor, die im Gegensatz zu der von uns glorifizierten Homöostase, also der Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtes in einem dynamischen System stehen?

Die Lösung liegt in den Knorpeln, die die Hüftpfanne auskleiden – also quasi der Zwischenschicht. Sie schützt die Oberflächen der beiden Knochen vor Abnutzung und den Menschen damit vor Immobilität und Schmerzen. Diese Knorpelschicht ist jedoch keine Opferanode: Sie wächst nicht ständig nach und erneuert sich doch ständig.

Dabei wird die Fähigkeit zur Erneuerung durch die reibende Oberflächenstruktur der Hüftkugel bei jeder Bewegung angetriggert und somit in ihrem Ist-Zustand gestört. Würde dies nicht geschehen, die Knorpelschicht nicht ständig aufgefordert werden, sich neu zu organisieren (es drängt sich mir das Bild des In-Frage-stellens auf), würde sie nicht mehr auf-, ab- und umgebaut werden, langsam degenerieren und letztendlich ihre Funktion einbüßen. Sie passt sich also an, verändert ihre Struktur, um beweglich bleiben zu können.

Diese Analogie ist ein Beispiel, wie wichtig Beweglichkeit im Unternehmen für die ständige Selbsterneuerung ist. Ohne Selbsterneuerung keine Agilität. Ohne ausreichende Agilität keine echte Effizienz.



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