Gesetzgebung durch KI – oder: wer codiert die Codierer?

Gesetzgebung durch KI – oder: wer codiert die Codierer?

Könnten KIs eines Tages Gesetze vorschlagen, die gerechter sind als menschengemachte? Diese Debatte berührt weniger die technischen Möglichkeiten, sondern auch tiefgreifende ethische Fragen. Wie beeinflussen menschliche Interessen die Algorithmen, die KIs steuern? Wie kann sichergestellt werden, dass eine KI-Gesetzgebung allen dient?

#ChannelS
16. Mai 2024 um 17:00 Uhr in ChannelS von Prof. Dr. Andreas Syska


In jüngster Zeit hat sich die Frage aufgedrängt, ob künstliche Intelligenzen (KIs) eines Tages so weit fortgeschritten sein könnten, dass sie Gesetze vorschlagen. Die technischen Möglichkeiten hierfür sind bereits vorhanden. Doch ist das wirklich wünschenswert?

Viele Menschen empfinden, dass die Politik oft an ihren Interessen vorbeigeht. Ein Grund dafür könnte sein, dass Lobbyisten – nehmen wir die Pharmaindustrie als Beispiel – an entscheidenden Stellen Gesetzesvorlagen schreiben, die ihren eigenen Interessen dienen. Könnte eine KI, die menschliche Bedürfnisse aus dem Verhalten der Menschen ableitet, gerechtere Gesetze entwerfen? Doch das wirft Fragen auf.

Einerseits könnte eine solche KI tatsächlich Bedürfnisse präziser erkennen und in Gesetzesvorschläge umsetzen. Andererseits ist es problematisch, Verhalten direkt als Maßstab für Gesetze zu nehmen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass KIs Leitplanken benötigen. Diese werden durch Algorithmen definiert, die wiederum von Menschen gestaltet sind. Hier besteht die Gefahr, dass Interessengruppen die KI so beeinflussen, dass sie bestimmte Ergebnisse liefert. 

Die Entwicklung von KIs wirft auch die grundlegende Frage auf, wer die „Codierer“ dieser Systeme programmiert und welche Werte dabei einfließen. Diese Diskussionen offenbaren, dass der Einsatz von KI in der Gesetzgebung nicht nur eine Frage der technischen Machbarkeit ist, sondern tiefgreifende ethische und gesellschaftliche Implikationen hat.

Viel wichtiger als Codierung und leistungsfähige Infrastruktur sind: 

Transparente Entwicklung und Offenlegung: Die Algorithmen und Daten, die für das Training der KIs verwendet werden, sollten öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies ermöglicht eine unabhängige Überprüfung und Analyse, um eventuelle Voreingenommenheiten oder Manipulationen aufzudecken. 

Diversifizierte Datenquellen: Um Verzerrungen zu vermeiden, sollten die Daten, die zur Entwicklung und zum Training von KI-Systemen verwendet werden, aus einer Vielzahl von Quellen stammen und eine breite Palette von Perspektiven repräsentieren. 

Ethikrichtlinien und -standards: Die Entwicklung und Implementierung von KI sollte strengen ethischen Richtlinien folgen, die von unabhängigen Gremien festgelegt werden. Diese Richtlinien sollten Fairness, Gleichheit und Nichtdiskriminierung betonen. 

Erst dann kann KI Gesetze machen – und sollte es auch.



Kommentare

Götz Müller
Götz Müller, am 16. Mai 2024 um 18:42 Uhr
Die Fragestellung erinnert mich etwas an Noise von Daniel Kahneman. Da geht es im Schwerpunkt um Rechtssprechung und die Folgen von engen oder weiten Gestaltungsmöglichkeiten in den Gesetzen auf das, was wir als gerecht betrachten, aber in sich schon subjektiv ist. Daraus ergeben sich dann Konsequenzen, denen man erst durch intensive Reflexion auf die Spur kommt, um dann Vor- und Nachteile abwägen zu können.

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