Fabrik ohne Menschen: Ein Märchen?

Fabrik ohne Menschen: Ein Märchen?

Smart Factory, Industrie 4.0, selbststeuernde Produktion: Diese und viele andere Schlagwörter kreisen um die Darstellung moderner Fabriken – und könnten den Verzicht auf menschliche Hilfe implizieren. Wie sieht die Fabrik der Zukunft aus? Kann ein Unternehmen wirklich ohne Menschen funktionieren? Prof. Dr. Andreas Syska vertritt dabei eine radikale These: Durch die Digitalisierung verlässt nicht der Mensch, sondern die Wertschöpfung die Fabriken.

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Podcast, 09. Mai 2022 um 04:30 Uhr in LeanMagazin von LKB Redaktion*)


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Die meisten Bilder der Fabrik der Zukunft bauen auf eine Idee automatisierter Produktion, die sich zum großen Teil ohne menschliche Unterstützung organisiert. Diese Vorstellung steckt beispielsweise hinter dem Begriff von Smart Factory: eine vollständig automatisierte Produktionsumgebung, in der alle Prozesse und Bereiche vernetzt sind – und zwar über das Internet of Things. Diese steht im Mittelpunkt des Zukunftsprojekts Industrie 4.0 der Bundesregierung.

Keine Fabrik ohne Menschen

Bei der Fabrik der Zukunft ist das ambitionierte Ziel eine selbstorganisierte Produktion. Und diese wird oft mit dem Ende menschlicher Führung verglichen. Eine Fabrik ohne Menschenführung wird aber noch nicht angestrebt. Im Gegenteil: Einige Experten behaupten, diese müsse ein Traum bleiben. Zu diesem Thema spricht Prof. Dr. Andreas Syska. Er ist Ingenieur und Forscher an der Hochschule Niederrhein: „Ein kaufmännisch-nüchterner Ansatz, wo der Mitarbeiter nur einen Kostenfaktor darstellt, der zu eliminieren gilt, ist überholt. Denn er geht von der falschen Annahme aus, dass der Mensch unwirtschaftlich und die Maschine wirtschaftlich ist.“

Industrie 4.0 vermittelt nämlich das Bild einer „intelligenten Fabrik“, in der Maschinen und Anlagen vernetzt sind und miteinander kommunizieren. Die dieser Vorstellung implizite Annahme einer „Flucht vor den Mitarbeitern“ gefällt dem Wissenschaftler überhaupt nicht. Denn „das System ‚Fabrik‘ lässt sich nicht in Algorithmen abbilden.“ Syska rüttelt an dieser romantischen Vorstellung, die mir der smarten Fabrik mitschwingt. Er stellt die Hypothese auf, dass die Fabrik der Zukunft nicht unbedingt effizienter wird. Vielmehr könnte sie an Bedeutung verlieren: "Sie wird nicht mehr selbst produzieren, sondern den Kunden hierzu befähigen, wo immer es geht", so Syska.

Während wir von der Fabrik der Zukunft träumen, die frei von Menschen funktioniert, kann der Effekt der Digitalisierung sogar gegenteilig sein: „Die Wertschöpfung verlässt die Fabriken, wo immer sie kann, und findet zunehmend im Handwerk, im stationären Handel, und in Privathaushalten statt.

FabLabs und 3D-Drucker sind die bereits heute sichtbaren Zeichen“, führt Syska aus. Wichtig sei aber, dass die Entwicklung der Fabrik als dynamischen Prozess anerkannt wird. So existiere keine Endstufe der perfekten Fabrik der Zukunft. Der Experte wünscht sich aber unter anderem eine erneute „Faszination für das, was sich in unseren Fabriken bereits jetzt abspielt, und Respekt für die Menschen, die die Fabriken permanent weiterentwickeln.“

Demofabrik-Z4: Menschliche Expertise unverzichtbar

Einen Beweis der Wichtigkeit menschlicher Expertise liefert Uli Remmel. Während die meisten Demofabriken und Modellprojekte von der öffentlichen Hand gefördert werden, hat er als privater Unternehmer Initiative gezeigt. Er ist Projektleiter und Betreiber der Demofabrik-Z4, in der mittelständische Industriebetriebe ausprobieren können, wie die digitale Transformation auf ihr Unternehmen wirken könnte. Sie richtet sich speziell an Zerspanungsunternehmen – insbesondere an KMU. Sie will zeigen, dass sich automatisierte Prozesse auch für kleinere Anbieter eignen. Denn die Kompetenz in Unternehmen zu erhöhen, ist der erste Schritt zur Weiterentwicklung.

Zentrale Maßnahme der Demofabrik Z-4 dabei ist die Mitarbeiterentwicklung als wesentlicher Bestandteil einer automatisierten Fabrik. "Der Mensch muss nach wie vor seine Expertise einbringen", sagt Remmel mit kräftiger Stimme. „Die Automatisierung ist nicht dazu da, um Arbeitsplätze wegzunehmen. Sie ist dazu da, um Ergonomie zu schaffen“, so Remmel. Die Automatisierung der Prozesse soll also die Arbeit entlasten und einen Mehrwert schaffen – und zwar nicht nur für die Produktion, sondern auch für die Mitarbeiter selbst. Hinter der zunehmenden Digitalisierung der Industrie steckt nicht das Gespenst der Arbeitslosigkeit. „Das ist ein Märchen“, behauptet Remmel. „Das muss man eindeutig auflösen: Die Digitalisierung schafft Arbeitsplätze. Sie verschiebt Arbeitsplätze.“

*) Mit der Erstellung dieses Textes wurde von uns das futureorg institut beauftragt, welches wiederum Herrn Kamuran Sezer hiermit beauftragt hat.



Kommentare

Christian Fieg
Christian Fieg, am 10. Juni 2023 um 20:44 Uhr
Ich werde immer wieder in Gesprächen mit potentiellen Kunden mit diesen absurden Anforderungen konfrontiert. Wenn wir dann eine Evaluierung an einer der Anlagen starten zeigt sich relativ schnell „wo der Hase begraben liegt“ … OEE bei unter 50% etc. Es ist extrem wichtig in solch einem Prozess der Transformation die Mitarbeiter mitzunehmen und keinesfalls eine Wertschöpfung ohne Menschen als Ziel der Digitalisierung zu setzen. Es wird nicht erreichbar sein! (auch wenn einige meiner Kollegen in der Branche das versprechen)

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