3. Episode
Am Scheideweg
Müde und geblendet von den Straßenlaternen hält Bernd Krauss auf der Heimfahrt in einer Seitengasse an.
RomChim, resümiert er, ein rumänischer Großkonzern…ein wichtiger Kunde, der immerhin rund 25% des Umsatzvolumens der Krauss GmbH & Co. KG ausmacht, hatte kurzfristig angekündigt, dass er aufgrund der Marktentwicklung schneller steigende Bedarfe hat, als noch vor einem Jahr erwartet und verhandelt. Die Aufträge dafür sollten bei Krauss platziert werden. Constantin Roibu, CEO des Chemiekonzerns, erwartet innerhalb der nächsten vier Wochen eine verbindliche Rückmeldung, ob Krauss diese Bedarfe würde bedienen können.
Das kam für Bernd Krauss zwar ziemlich überraschend und er hatte sich daher kurzfristig mit Franz Großmann zusammengesetzt, um über die Kapazitäten und Produktionsmöglichkeiten zu sprechen. Nach eingehender Analyse war den Beiden dann aber ziemlich schnell klar: Die installierten Fertigungskapazitäten sind ausgereizt und mehr Personal bringt auch nichts. Die Mehrmengen lassen sich nur mit einer Erweiterung der Montagekapazität realisieren und somit muss eine neue Montageanlage her! Doch nach Durcharbeit der ihm vorliegenden Zahlen war ihm ebenfalls klar: Für eine Neuinvestition in diesem Umfang reicht die Liquidität nicht aus.
Es half nun alles nichts, er würde all dieses mit seinem Vater besprechen müssen, morgen…
Am Folgetag skizziert Krauss Junior während des wöchentlichen und damit obligatorisch gewordenen Bürotages seines Vaters ihm vorsichtig die Unternehmenssituation.
Krauss Senior ist fassungslos. Keine ausreichende Liquidität für Investitionen und das in seinem Unternehmen? Umgehend gibt er Krauss Junior die Anweisung, ihm bis in zwei Stunden einen Rentabilitätsüberblick der letzten drei Jahre des Steuerberaters sowie einen Ausblick auf das kommende Geschäftsjahr vorzulegen. Doch völlig hilflos muss der Junior dem Senior schon nach einer halben Stunde eingestehen, dass er die Zahlen im Moment nicht liefern kann, da sein Mitarbeiter krank ist. Und nur dieser die Zahlen in seiner ‚eigenen‘ Exceldatei führt, auf die kein anderer Zugriff hat.
Nun reicht es dem Alten aber völlig! Er durchwühlt persönlich bis spät in die Nacht hinein Ordner über Ordner und kann so schließlich ein halbwegs ausreichendes Zahlengerüst zusammentragen. Es geht doch nichts über das gute, alte Papier.
Aber selbst sein Zusammengetragenes zeigt ihm mehr als deutlich, dass sich die Rentabilität in den letzten drei Jahren kontinuierlich verschlechtert hat.
Einen Termin mit seinem langjährigen Clubbekannten und Ansprechpartner, der heute Bankdirektor seiner Hausbank ist, hatte er heute Mittag bereits für den kommenden Tag vereinbart. Auch wenn dies nun wahrlich keine gute Grundlage für das geplante Bankengespräch darstellen würde.
Dennoch macht sich Krauss Senior am nächsten Tag zuversichtlich auf den Weg zur Bank in der Erwartung, dass sich seines Anliegens wohlwollend angenommen wird und man den Kreditantrag durchwinkt. So, wie er das von früher her kannte. Doch kaum im Finanzinstitut angekommen erfährt Ernst Krauss, dass sein Ansprechpartner kurzfristig eine längere Geschäftsreise hatte antreten müssen und deshalb das Gespräch an seinen besten Mann delegiert hatte.
Jetzt sitzt er da einem Yuppie gegenüber, der von Neubewertung und Herabstufung des Ratings der Krauss GmbH & Co. KG spricht, noch verschärft durch die verschlechterte Rentabilität. Der alte Krauss kocht innerlich! Wo sind die guten, alten Zeiten nur geblieben? Dieser Schnösel ohne Berufs- und Lebenserfahrung kann doch nicht sein Lebenswerk zerstören!
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