13. Episode
Ein weiterer Blick von außen
Frank Weissenegger hat ein ungutes Gefühl dabei, so kurz nach dem Audit nun auch noch die Krauss GmbH & Co unter die Lupe nehmen. Aber sein Schwiegervater hatte ihn inständigst darum gebeten und er hatte diesem Drängen nachgegeben.
Doch wie würde das die Belegschaft aufnehmen … Und erst sein Schwager Bernd?
Für den nächsten Morgen hat er sich daher mit Bernd verabredet, um seine Sicht der „Dinge" zu erfahren. Und um noch einmal grob mit ihm die Ergebnisse des Audits zu besprechen. Weissenegger möchte daran anknüpfen. Aber Dinge unnötig zu wiederholen und damit weitere, mit Sicherheit nicht förderliche Verunsicherung zu schüren, will er unbedingt vermeiden … soll doch die Firma weiterlaufen.
Da der Bereich der Produktion nicht im Fokus des Audits stand, will Weissenegger heute zunächst hier tiefer einsteigen.
Aus Gesprächen mit seinem Schwiegervater hat er schon jetzt bereits eine ziemlich genaue Vorstellung von der Rolle des Produktionsleiters und wie dieser u.a. über Kennzahlen, Mitarbeiterführung und Transparenz denkt.
Dazu wie er sich selbst sieht: Franz Großmann, unangefochtener ‚Herrscher‘ der Produktion, der allein weiß, wie sein Laden wirklich läuft. Nur sind in dieser Situation solche Befindlichkeiten nicht von Belang, denn jetzt mussten alle Karten auf den Tisch! Ein längst fälliger Überblick musste her, ob es einem Franz Großmann passte oder nicht.
So startet Weissenegger zunächst einen Rundgang durch die Produktion, ‚bewaffnet‘ mit Notizblock und Digitalkamera. Er möchte möglichst viele Dinge fotografieren, um diese Dokumentation dann später für Diskussionen nutzen zu können.
Auch möchte Weissenegger mit einzelnen Mitarbeitern sprechen, um deren Eindruck und Einschätzung zu erfahren. Denn genau dies ist ihm wichtig: die Erfahrung der ‚Indianer‘ und nicht die der ‚Häuptlinge‘. Er möchte die direkte und nicht die – wie auch immer – aufbereitete Information … aus erster Hand sozusagen.
Gleich an der ersten CNC-Maschine im Bereich der spanenden Fertigung bleibt Weissenegger aber schon hängen. Hier werden die Rohlinge von Pumpengehäusen bearbeitet. Die Rohlinge entnimmt der Mitarbeiter aus einer Transportkiste, doch für die fertig bearbeiteten ist kein Gebinde vorhanden.
Frank Weissenegger sieht, wie der Mitarbeiter diese auf den Fußboden mitten hinein in herumliegende Metallspäne stellt. Sofort fragt er nach, warum er denn kein Gebinde verwendet und erhält eine prompte Antwort:
Dafür sei doch der Transportmitarbeiter verantwortlich und nicht er. Auch wer nun die Pumpengehäuse noch einmal reinigen müsse, interessiere ihn nicht. Denn er sei nun mal für diese Maschine verantwortlich und könne sich ja schließlich nicht um alles kümmern.
Und, als er früher den ein oder anderen Verbesserungsvorschlag gemacht hätte, wäre er nicht zuletzt von Franz Großmann darauf aufmerksam gemacht worden, dass er nicht fürs Denken, sondern für die Arbeit an der Maschine bezahlt wird.
Innerlich kopfschüttelnd geht Frank Weissenegger zur nächsten Maschine, an welcher die Pumpengehäuse weiterbearbeitet werden. Auch an dieser Maschine sieht Weissenegger Metallspäne herumliegen und dazu einen Mitarbeiter, der gerade nichts zu tun hat, weil ihm der Transporter bislang noch keine neuen Rohlinge geliefert hat. Eine Notwenigkeit, die Späne zusammenzufegen, sieht dieser aber auch nicht. Als Weissenegger ihm sagt, dass an der ersten Arbeitsstation bereits 7 Gehäuse bearbeitet sind und er sich diese doch bitte holen könne, aber vor der Weiterverarbeitung noch reinigen müsse, setzt sich der Mitarbeiter – wenn auch widerwillig - in Bewegung.
An anderen Arbeitsplätzen beobachtet Weissenegger weitere, interessante Dinge, wie z.B.:
- Ein Mitarbeiter arbeitet ohne Arbeitsanweisung (Anmerkung: Er kennt die Maschine wie seine eigene Westentasche und braucht keine Anweisung?!)
- An einem Arbeitsplatz lagert eine große Anzahl an Fertigteilen, ohne dass diese abnimmt. (Was bedeutet, hier wird produziert, was kommt.)
- An beinahe allen Maschinen liegen Werkzeuge (Zangen, Schraubendreher, Ringschlüssel,…) ungeordnet herum und es wird daher ständig nach etwas gesucht.
Nach dem Rundgang sucht Weissenegger Franz Großmann in dessen Büro auf. Schon beim Betreten der Räumlichkeit bemerkt Weissenegger, dass dieser sehr verärgert und sichtlich geladen ist…über seine Machenschaften, wie Großmann es bezeichnet.
Die Situation spitzt sich weiter zu, als Weissenegger nun auch noch von Großmann diverse Produktionskennzahlen wie die Durchlaufzeit eines Auftrags sowie deren Soll-Ist-Vergleiche, Fehlerquote, First Time Right, Auftragsbestand, Auftragsrückstand (Back Orders) sowie Leistungs- und Kapazitätsdaten der einzelnen Maschinen sehen möchte.
Soweit, dass Großmann nun völlig die Fassung verliert. Wer bräuchte denn solche Kennzahlen, die nur unnötige Arbeit verursachen und am Ende sowieso nicht stimmten? Er, Großmann, wisse ja nun schließlich, was los sei! Und das wäre ja wohl völlig ausreichend!
Frank Weissenegger kennt solche Aussagen und Verhaltensweisen aus seiner eigenen Erfahrung nur zu Genüge. Und, dass es hier und jetzt überflüssig ist, zu diskutieren.
Bereits nach dem heutigen Tag weiß er aber auch, dass wenn die Krauss GmbH & Co. KG langfristig weiter am Markt bestehen will, eine entsprechende interne Transparenz zwingend notwendig ist.
Und dass ein Franz Großmann sich dem auf Dauer auch nicht wird widersetzen können. Denn wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit!
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