Das Problem des Dr. h.c. Any Nemo - Folge 31
Dass die Welt sich verändert, ist bekannt. Es ist so bekannt, dass man es mittlerweile als gegeben hinnimmt, will heißen, es ist nicht mehr der Erwähnung wert. Veränderungen brechen heute unwetterartig über die Unternehmen herein. Ob man das nun disruptiv nennt oder einfach nur fürchterlich, die meisten Veränderungen sind scheinbar abrupt und zusammengenommen sind sie hoch gefährlich für WMIA Incorporated.
Dass die Welt sich verändert, ist bekannt. Es ist so bekannt, dass man es mittlerweile als gegeben hinnimmt, will heißen, es ist nicht mehr der Erwähnung wert. Allerdings geschieht diese Veränderung heute zunehmend nicht mehr so wie ehemals in kleinen Schritten, wie z.B. in den beschriebenen „In achtzig Tagen um die Welt“, wo es eigentlich nicht wirklich um Veränderung ging, sondern nur um Verbesserung der Geschwindigkeit des Reisens.
Veränderungen brechen heute unwetterartig über die Unternehmen herein. Ob man das nun disruptiv nennt oder einfach nur fürchterlich, die meisten Veränderungen sind scheinbar abrupt und zusammengenommen sind sie hoch gefährlich für WMIA Incorporated.
Um es noch einmal in Erinnerung zu bringen, das Interview mit Dr. Nemo ist ein Interview mit dem mächtigsten Wirtschaftsführer der Welt. Wenn der nur Schnupfen hat, ist die Welt erkältet.
Nemo hat auf seinem Schreibtisch ein Puzzlespiel ausgebreitet.
Nemo: „Schauen Sie mal, nichts passt mehr zusammen. Die Welt ist nicht mehr wie sie mal war.“
Interviewer: „Das ist nichts Neues.“
Nemo: „Das Neue für WMIA ist die Frage, wie wir das managen.“
Interviewer: „Wieso ist das eine neue Frage?“
Nemo: „Wir sind WMIA Incorporated und waren praktisch eine von der Welt unabhängige Institution. Der Karren lief von allein. Wir machten, was wir wollten. Wir waren schließlich wer.“
Interviewer: „Sind Sie das nicht mehr?“
Nemo: „Nein. Diese neuen Informationstechnologien machen die Menschen zu schlau. Die schauen uns in die Karten. Wir schrieben früher auf die Packung, was drin sein soll und scherten uns nicht darum, was drin ist.“
Interviewer: „Die Entwicklung ist doch gut.“
Nemo: „Für wen?“
Interviewer: „Na für Ihre Kunden, die Menschen.“
Nemo: „Bislang haben wir gesagt, was gut ist. Das glauben die Kunden nicht mehr. Dies Vertrauen müssen wir zurückgewinnen.“
Interviewer: „Wie wollen Sie das machen?“
Nemo: „Wissen sie, wem Menschen am meisten vertrauen, schon immer?“
Interviewer: „Keine Ahnung.“
Nemo: „Menschen vertrauen ihrer Mama, sie vertrauen Frauen, die mit ihren Kindern spielen.“
Interviewer: „Ist deshalb Ihre Nachfolgerin eine Frau, Ihre Tochter Laetitia?“
Nemo zeigt dem Interviewer ein Foto.
Nemo: „Das ist Laetitia, um ringt von ihren 8 Kindern. Können solche Mamas lügen?“
Interviewer: „Das ist doch billig.“
Nemo: „Die Wahrheit ist emotional geprägt. Das nutzen wir. Unsere Verpackungen im Bereich Lebensmittel tragen ihr Bild. Darauf steht „Mama Laetitia“… da glaubt jeder, das sei gesund.“
Interviewer: „Mmmh…“
Nemo: „Aber das ist das kleinere Problem. Das größere ist, das wir Macht und Einfluss verlieren.“
Interviewer: „Woran merken Sie das?“
Nemo: „Sehen Sie, dies Puzzlespiel. Die einzelnen Teile sind Menschen, Parteien, Interessengruppen, was auch immer. Die Entwicklungen sind aus dem Ruder gelaufen. Sie kennen das Wort „disruptiv“? Die eigentliche Übersetzung dafür lautet: „Uns brennt der Frack!“
Interviewer: „Ja, da passiert wenigstens was, da stößt was auf, im wahrsten Sinne des Wortes.“
Nemo: „Das mag sein, nur läuft alles in verschiedene Richtungen. WMIA war früher sozusagen die Klammer, das Sammelbecken aller Bedürfnisse, die wir dann erfüllten. Das ist letztlich die Quelle unserer Macht!“
Nemo schaute auf die Puzzleteile und blickte besorgt.
Interviewer: „Was hat es mit dem Puzzle auf sich?“
Nemo: „Das große Problem ist, dass die Menschen vielfältiger und unberechenbarer geworden sind. Früher haben wir sie in Gruppen aufgeteilt. Die Jungen, die Alten, die Sportler, die Gesundheitsfetischisten undsoweiter. Das funktioniert heute nicht mehr. Die Zeit der Typen, der sicheren Vorhersage des Verhaltens ist so scheint es vorbei. Nichts passt mehr zusammen, alles driftet.“
Interviewer: „Das ist doch gut.“
Nemo: „Mag sein, aber nicht für WMIA Incorporated. Wir müssen diese wild gewordene Masse von Menschen wieder einfangen.“
Interviewer: „Sie wollen die Zeit aufhalten?“
Nemo: „Ja. Die Welt ist nicht mehr zu verstehen. WMIA Incorporated muss eingreifen, wenn wir mächtig und groß bleiben wollen. Nur, wir wissen nicht wie. Diese Frage habe ich in die Hand genommen.“
Interviewer: „Das ist sehr komplex.“
Nemo: „Ich weiß, leider… ich weiß im Moment nicht weiter, aber vielleicht doch…“
Nemo schaut in die Leere und könnte er Gefühle zeigen, so wäre er eigentlich verzweifelt ob der Weltentwicklung.
Er muss Einsichten in die komplexen Vorgänge gewinnen, Kopfschütteln nutzt nicht.
Nemo: „WMIA hat noch immer eine Lösung gefunden.“
Elvira, die dem Interview still zugehört hatte, begleitet den Interviewer in einem eng anliegenden pechschwarzen Kleid zum Fahrstuhl.
Interviewer: „Sie waren heute sehr still.“
Elvira: „Ja, es brodelt hier wie in einer Hexenküche. Was soll ich sagen?“
Interviewer: „Hexenküche?“
Elvira: „Sie kennen die Geschichte vom Dr. Faust und wie es mit ihm weiterging?“
Der Interviewer erinnert sich. Faust erhebt in einem Selbstgespräch Klage über die Eingeschränktheit seines Wissens. Er hat sich darum »der Magie ergeben« und hofft, mit ihrer Hilfe weiter in die Geheimnisse der Natur und des Lebens einzudringen:
»Dass ich erkenne, was die Welt/Im Innersten zusammenhält«, so heißt es da.
Interviewer: „Sie meinen den Pakt mit Mephisto?“
Elvira: „Da sind Sie möglicherweise auf der Spur.“
Interviewer: „Dann ist Nemo ein moderner Dr. Faustus? Wer oder was ist denn Mephisto in diesem großen Spiel und wie sieht der Pakt dann aus?“
Elvira: „Das fragen Sie den Herrn Dr. Nemo mal selber, …nächsten Dienstag.“
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