Digitalisierung im Shopfloor - der stille Vormarsch der Datenkrake

Digitalisierung im Shopfloor - der stille Vormarsch der Datenkrake

Die stille Revolution hat begonnen. Mithilfe von Sensoren und Algorithmen werden selbstlernende, vorausschauende Produktionssysteme geschaffen. Dies soll in Kombination mit Industrie 4.0 Anwendungen zu ungesehenen Effizienzen führen. Damit der Standort Deutschland global wettbewerbsfähig bleibt, ist dies auch dringend nötig. Das hat ein Wettrennen um die Vorherrschaft mit Daten und deren Auswertung in Gang gesetzt.  Hier sind Amazon, Google und Co. dabei den Shop-Floor zu erobern. Hier braucht es ernsthafte Alternativen made in Germany! 

29. Februar 2024 um 04:30 Uhr von Anwar von Colberg


AMAZON, Google, Microsoft und IBM verfügen mit etwa 80% der Cloud Angebote über massive, skalierbare Cloudressourcen. Man nennt sie auch "die Hyperscaler". Es ist davon auszugehen, dass sie mit ihrer geballten Rechenpower den deutschen Shopfloor weiter revolutionieren. 

DIE IDEE

Mithilfe von Sensoren und Algorithmen werden selbstlernende, vorausschauende Produktionssysteme geschaffen. Dies soll in Kombination mit Industrie 4.0 Anwendungen zu ungesehenen Effizienzen führen. Das ist auch dringend nötig, um bei den Personalkosten und Engpässen am Standort Deutschland global mithalten zu können.

DAS ZIEL 

Die Datenvorherrschaft in der deutschen Fertigungsindustrie ist das Ziel. Das erfolgreiche Geschäft von AMAZON und Co. im "Frontend" der Wirtschaft - dem eCommerce - soll jetzt auch im „Backend“ - der Produktion -  wiederholt werden. Es winkt ein Milliardengeschäft mit der Ausfallsicherung von Produktionsanlagen sowie Effizienzsteigerungen durch maschinelles Lernen. 

SO FUNKTIONIERT ES

Der Kunde bestückt seine Maschinen mit Sensoren und übergibt seine Daten an die Cloud. Den Rest erledigen die mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten, massiven Rechenzentren von Amazon, Microsoft, Google und IBM. Gleichzeitig werden Datenplattformen angelegt, in die sämtliche Daten aus den verschiedenen Systemen abgespeichert werden. Mit Hilfe von KI werden Muster analysiert, die in kürzester Zeit  Antworten auf zuvor scheinbar unlösbare oder unsichtbare Probleme liefern. 

Umso größer das Netzwerk angebundener Maschinen und Daten, desto schlauer wird der Algorithmus. Er kann z.B. mithilfe von Sensoren, die Tag und Nacht im Millisekunden-Takt Maschinen überwachen, Anomalien erkennen und vorbeugende Instandhaltungsaktionen initiieren. Mit jeder Meldung, ausgelösten Aktionen sowie dazugehörigen Ursache-/Wirkungsketten lernt das System hinzu. 

Aber noch gibt es zahlreiche Haken...

DIE ALLTAGSBREMSEN

Die Realität beim Einsatz digitaler Maschinenüberwachung sieht bei vielen Betriebsleitern heute oft wie folgt aus: Firmennetze brechen beim Sensor-Daten-Tsunami zusammen, die Hardware ist für Massenanwendung zu teuer und überforderte Netzwerkadministratoren verzögern das Projekt; Robuste Datenströme in Echtzeit Fehlanzeige. Für die Analytik braucht es dann eine Mischung aus "Forensiker" und "Wunderkind". Neue Maschinen sind zwar mit Sensoren, Pumpen und Lagerdiagnostiken etc. ausgestattet. Dies sind aber in der Regel proprietäre Systeme und jeder Anbieter möchte natürlich selbst das Datengold verwalten. Hinzu kommt, dass oft gute Prozesse fehlen und LEAN zu stiefmütterlich behandelt wurde. Hier gibt es enormen Nachholbedarf. 

DAS BETRIEBSLEITER DISNEYLAND

So ähnlich könnte der Traum eines Betriebsleiters aussehen: Die Echtzeit-Transparenz über alle zustandsrelevanten Maschinendaten ermöglicht eine vollautomatische Überwachung und Ausfallsicherung der Industrieproduktion, bei deutlich geringerem Personaleinsatz. Wenn kein ungeplanter Crash mehr die Anlagen stilllegt, kann wirtschaftlicher produziert werden. Es braucht weniger, ohnehin knappes technisches Personal für Entstörungen und Notreparaturen. Man spricht von vorhersagbarer Wartung (engl. Predictive Maintenance) durch digitale Zustandsüberwachung (engl. Condition Monitoring). Die Anlagen werden ausfallsicherer, die Verfügbarkeit steigt und das Kapazitätsangebot der Anlage erhöht sich. Mithilfe von Daten werden Nachfragemuster prognostiziert und Bestandsmanagement sowie Materialnachschub vollautomatisiert in Real-Time angepasst.

DIE HERAUSFORDERUNGEN

In Deutschland liegt das durchschnittliche Maschinenalter allerdings bei ca. 16-20 Jahren. Die Herausforderungen sind vor allem das Retro-Fit von Maschinen und die Überwachung im Brownfield-Scenario, also in einer bestehenden Produktionsumgebung. Bislang sind die meisten Bestands-Netzwerke und WLAN-Setups oft nicht ausreichend performant oder stabil genug für eine kontinuierliche Überwachung. Interferenzen bzw. bauliche Rahmenbedingungen stören die Signalübertragung. Eine 100%ige Netzstabilität ist aber die Grundvoraussetzung für ein effektives Condition Monitoring. Außerdem mangelt es an IT bzw. Datenanalysten und der grundlegenden Weitsicht, daraus Wettbewerbsvorteile zu generieren.

TECHNOLOGIEN FÜR DEN DURCHBRUCH

Beim Thema Netzwerk kann ein industrielles 5G-Industrienetzwerk helfen. Mit Latenzzeiten, die von 98 auf unter 1 Millisekunde sinken und einer 10-fachen LTE-Geschwindigkeit wird 5G die Digitalisierungswelle im Shopfloor anschieben. 

Die Sensoren selbst werden zum Billigprodukt und die Daten werden zentral mit ungesehener Power analysiert! Nimmt die Vielfalt der angebundenen Aggregate zu, entsteht mit den sensorischen Mustern ein digitales Gedächtnis, das schnell adaptiert werden kann. Man sieht an dem Scenario eindeutig, dass Big Data ein Geschwindigkeitswettbewerb ist. Allerdings fehlt unserer Old-School Maschinenbau-Kultur oft die Neugierde, aus all den Daten Erkenntnisse und Wettbewerbsvorteile zu gewinnen. Die Aufgabe ist auch nicht trivial, zumal es das Berufsbild des Datenanalysten auch erst einige Jahre lang gibt. Speziell seit den 2010er Jahren, mit dem Aufkommen von Big Data, Cloud Computing und maschinellem Lernen, ist die Nachfrage nach Data Analysten sprunghaft angestiegen und hat sich als eigenständiges und wichtiges Berufsfeld etabliert. Entsprechend rar sind Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt. 

VORMARSCH DER HYPERSCALER

Der Durchbruch der Hyperscaler in der Fertigung ist damit vorprogrammiert. Der Wettbewerb ist bereits im vollen Gange.  Moderne Systeme werden auch in schwierigen Brownfield-Bedingungen den Datentsunami kontinuierlicher Maschinenüberwachungen meistern.

Instandhalter und Techniker müssen nicht nur mit dem Schraubenschlüssel umgehen können, sondern sich mit auch Sensorik und Datenanalytik auseinandersetzen. In jedem Fall müssen sie sich warm anziehen, denn die Tauschwährung für die Digitalisierung ist Effizienz!



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