42. Episode
Es gibt einen Platz, den du füllen musst, den niemand sonst füllen kann!
Und es gibt etwas für dich zu tun, das niemand sonst tun kann.
(Platon)
Wie schnell haben sich alle wieder vom Tagesgeschäft in Beschlag nehmen lassen, geht es Bernd Krauss durch den Kopf. Doch andererseits haben die aktuellen Qualitätsprobleme mit dem Pumpengehäuse und der Umgang damit auch gezeigt, dass viele im Unternehmen offen für Veränderungen und darüber hinaus bereit sind, neue Wege zu gehen.
Wohl doch genau der richtige Zeitpunkt, eine neue Organisationsstruktur einzuführen. Um so hier und jetzt diese ‚Aufbruchsstimmung‘ zu nutzen und weiteren Schwung aufzunehmen.
Bei ihren Überlegungen am Ende des vergangenen Jahres hatten Bernd Krauss und insbesondere Frank Weissenegger ja bereits Ideen zu Papier gebracht, wie eine mögliche Organisationsstruktur innerhalb der Krauss GmbH & Co. KG aussehen könnte (siehe Episode 40). Dies war zumindest ein Anfang und nicht in Stein gemeißelt. Dennoch braucht es jetzt zumindest eine klare Grundstruktur, um die Dinge weiter effizient vorantreiben zu können.
Nachdenklich betrachtet Bernd Krauss ihre gemeinsamen Entwürfe der neuen Organisationsstruktur auf dem Flipchart. Vieles ist schon in sich stimmig, doch ist es jetzt zwingend notwendig, umgehend mit allen Betroffenen zu sprechen, um diese in die weitere Entwicklung und Gestaltung mit einzubeziehen.
Das erste, aber auch wichtigste Gespräch war wohl das mit Peter Baumgartner geführte, da dieser den neuen Bereich Supply Chain Management (SCM) übernehmen soll.
Auch wenn Baumgartner weiterhin an ihn selbst berichten wird, werden zukünftig doch gerade dort einige Funktionen eingegliedert, die bislang nicht dem Bereich Einkauf und Lager zugeordnet waren.
Aber auch die heute noch anstehenden Gespräche mit dem SCM-Team um Peter Baumgartner und darüber hinaus mit den Herren Alexander Moser und Thomas Leitner sind nicht unwichtig. Zumal gerade in letzterem eine gewisse Brisanz liegt, da beide zukünftig einen Teil ihrer Verantwortung abgeben (müssen). Und das – so ist sich Bernd aufgrund eigener Erfahrungen im Klaren - ist immer so eine Sache: Würden sich diese dadurch degradiert fühlen bzw. nach ihrer eigenen Einschätzung einen Gesichtsverlust erleiden?
Nun, wie auch immer die beiden Genannten darauf reagieren werden, so würde gerade das Gespräch mit Leitner und Moser von ihm, aber auch von seinem Schwager Frank einiges an Fingerspitzengefühl abverlangen.
Abgesehen vom Inhalt wollte auch die Abfolge der heutigen Gespräche wohl durchdacht sein. Beide Gespräche würden unmittelbar nacheinander erfolgen, um nicht schon über informelle Kanäle eine „Vorab-Kommunikation“ an Alexander Moser und Thomas Leitner über ihre ‚ehemaligen‘ Mitarbeiter laufen zu lassen.
Bernd löst seinen Blick von den Aufzeichnungen. Denn letztendlich würden sein Schwager Frank und er nach den nächsten zwei Stunden ‚wissen’, wie die einzelnen diese Veränderungen aufnehmen.
Zumal es für ihn an der Zeit ist, zum Konferenzzimmer zu gehen, da die erste Besprechung mit dem neuen SCM-Team um Peter Baumgartner schon in 15 Minuten ansteht.
Und bereits nach den ersten Erläuterungen von Frank Weissenegger bemerkt Bernd, dass Franziska Steiner und Alois Mayrhofer zwar etwas überrascht sind, aber die Darlegungen der neuen Organisationsstruktur und insbesondere ihre Aufgaben als Teil des SCM-Teams positiv aufnehmen. Möglicherweise bestärkt durch ihre allerersten ‚Erfolge’ in der Fabrik im Seminarraum (siehe Episoden 20-22) und zusätzlich aufgrund ihrer eigenen, danach erfolgten positiven Erfahrungen mit Prozessverbesserungen?!
Ein kurzer Blickwechsel zwischen ihm und seinem Schwager Frank genügt Bernd, um zu sehen, dass auch dieser seine Einschätzung teilt. Sowohl an Franziska Steiner als auch an Alois Mayrhofer ist heute erkennbar, dass sie in dieser veränderten Organisation weitere und gute Beiträge zur Entwicklung der Krauss GmbH & Co. KG leisten können und wollen. Zumal Franziska Steiner eine starke Persönlichkeit ist und in den letzten Monaten gezeigt hat, wie und dass sie sich sachlich durchzusetzen vermag.
Das weitere Gespräch mit den Herren Leitner und Moser direkt im Anschluss macht - wie beinahe schon erwartet - allerdings deutlich, dass beide Herren von ihrem kommenden Kontrollverlust nicht angetan sind.
Zwar lässt Alexander Moser durchblicken, dass er im Bereich Auftragsbearbeitung nicht seine wirklichen Arbeitsschwerpunkte sieht, sondern schon eher im Verwaltungs- und IT-Bereich. Doch Thomas Leitners Miene hingegen hatte sich schon bei den ersten Ausführungen von Frank Weissenegger merklich verfinstert. Die Arme verschränkt nimmt er die weiteren Ausführungen dann auch lediglich schweigend zur Kenntnis.
Nicht dass jetzt ein besonders glücklicher Moment dafür wäre, aber Krauss Junior fühlt sich an Franz Großmann und seine Reaktionen auf Anweisungen und die damit verbundenen Veränderungen erinnert.
Denn auch diesem war der direkte Einfluss - und dies beileibe nicht nur auf eine etwaige Qualitätskontrolle bezogen - immer sehr wichtig.
Und Hannah Pichler würde aufgrund der neuen Organisationsstruktur zukünftig nicht länger Leitner, sondern Frank Weissenegger unterstellt sein. Nicht dass Thomas Leitner zurückliegend Hannah Pichler – trotz ihrer zielführenden Mitarbeit während der Fabrik im Seminarraum - als starke und konstruktive Person betrachtet hätte.
Doch einen Frank Weissenegger, den hatte Leitner – wie auch ein Franz Großmann – nicht unterschätzt. Und nun sollte darüber hinaus der veränderte Berichtsweg an eben diesen erfolgen. Dass ihm, Leitner, bei diesem Gedanken mehr als unwohl ist, kann jeder der Anwesenden im Besprechungszimmer förmlich spüren.
Dennoch stellen Bernd Krauss und Frank Weissenegger hier die Zuordnung, wie ihre Supply Chain einmal funktionieren könnte, nicht in Frage. Auch wenn ihnen sehr wohl bewusst ist, dass es offenkundig in absehbarer Zeit noch einigen Klärungs- und damit Handlungsbedarf geben wird.
Zumal schon in der kommenden Woche der Unternehmensbesuch seitens der Delegierten des für die Krauss GmbH & Co. KG wichtigen Kunden RomChim (siehe Episode 38) ansteht…
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