Kaizen Events: 30 Jahre Unsinn

Kaizen Events: 30 Jahre Unsinn

Seit bald drei Jahrzehnten wird über Toyota, Lean, Kaizen, KVP und Co. berichtet. Eine tolle Sache, wenn dabei nicht zu oft Unsinn erzählt würde. Einmal mehr geht diese Tatsache auf fehlendes Verständnis für die Materie zurück. Betrachten wir deshalb den „Kaizen Event“ ein wenig.

#leanmagazin
20. Juli 2017 um 02:00 Uhr in LeanMagazin von Frédéric Jordan


Kaizen wird nicht verstanden

Jeder, der sich mit Lean Management beschäftig, kennt Kaizen. Meist mit „dem Weg zum Besseren“ über­setzt. Nicht selten wird behauptet, dass Kaizen verstanden oder gar verinnerlicht wurde. Zumindest Letzteres ist nicht häufig anzutreffen, denn es steht weit mehr hinter diesem einen Wort als man denkt.

Aufgrund fehlendem Verständnis für die asiatische Denkweise wird Kaizen in unseren Breitengraden kurzerhand mit einem zusätzlichem Wort ergänzt. Damit soll Klarheit geschaffen werden. Beispiele: Punkt-Kaizen, Fluss-Kaizen, System-Kaizen. Einerseits verständlicher für uns, andererseits den­noch falsch im Kern. Es ist notwendig, dass der Begriff wie im Ursprung verwendet wird. Es gibt meines Wissens im japanischen Sprachgebrauch keine Erweiterung dafür und das hat in der Regel einen guten Grund.

Endlose Wiederholung

„Wenn ich gefragt werde, was Toyota gegenüber anderen Firmen differenziert, so lautet die Antwort: jeder versteht, es gibt kein Ende für Kaizen.“ Fujio Cho

„Kaizen ist ein endloser Prozess.“ Akio Toyoda

Rasch wird vergessen, dass Kaizen keine Methode ist, die bei Not­wendigkeit hervorgeholt und angewandt wird. Dieser unscheinbare Begriff ist eines der Erfolgs-Elemente von Toyota und stellt die Basis jeglicher Veränderung dar.

Kaizen Events

Dieser Begriff lässt eine völlig falsche Sichtweise entstehen, was entsprechend eine fehlerhafte bzw. lü­ckenhafte Umsetzung nach sich zieht.

Zur Zeit des ersten Austausches zwischen Japan und den USA gab es überhaupt kein Lean. Es wurde von Kaizen gesprochen, wenn überhaupt. Die Westler verstanden mit der Zeit, dass es sich um einen Weg zum Besseren handelt. Sie nahmen ihre japanischen Gäste mit in die Unternehmen. Dort wurde den Arbeitern erklärt, dass jetzt „Kaizen gemacht wird“.

Zuerst wurde Kaizen während eines kurzen Besuches gemacht, dann in einem Halb- oder Ganztagesseminar, später während einiger Tage. Die Besucher kamen, machten Kaizen und gingen wieder. Beim nächsten Mal geschah dasselbe erneut. Man ging in eine Werkstatt und machte dort Kaizen. So die Übersetzung für Nicht-Japaner. Es wurde nicht als alltäglicher Vorgang wahrgenommen, der ständig gelebt werden muss, son­dern als Methode und geplanter Event. Der Begriff Kaizen-Event war geboren.

Bis heute so geblieben

Noch immer gibt es unzählige Firmen, welche einmal im Monat oder 2-3 Mal im Jahr einen Kaizen-Tag veranstalten und im schlimmsten Fall sogar sämtliche Maschinen stilllegen, um gemeinsam Verbesserungen zu erarbeiten.

Bestandteil des Alltags

Sobald verstanden wurde, um was es geht, muss Kaizen ein Bestandteil des Alltags werden. In allen Bereichen und auf allen Stufen. Dies bildet die Grundlage für das Lernen sowie der damit einhergehenden Entwicklung der Mitarbeitenden.

„Hören und verstehen ist nicht ausreichend. Du musst Kaizen täglich praktizieren. Es muss zu Deiner Fähigkeit, Deiner Philosophie und zu Deinem Verständnis werden. Dadurch entsteht und entwickelt sich Dein eigener Weg.“ Chihiro Nakao

Andere Ansicht vorherrschend

Die Ausrichtung in Form eines sich wiederholenden Events hält sich seit Jahrzehnten. In vielen Köp­fen wurde Kaizen als periodische Aktivität gespeichert.

Natürlich sind die Durchführungen nicht ohne positiven Effekt, sonst hätte sich diese Vorgehensweise nicht derart lange gehalten. Jedoch wird täglich Potenzial verschenkt. Die Idee des Kaizen wird niemals gelebt werden. Die Beteiligten machen sich das Leben nicht einfacher, sondern meist schwerer. Und damit sämtlichen vor- und nachgelagerten Stellen, inklusive Kunden und Lieferanten.

Die Anwendung von Kaizen durch Events führt dazu, dass Lean in seiner Gesamtheit weder erkannt noch praktiziert werden kann. Die Grundlage fehlt vollständig. Zu selten wird Kaizen gemacht und wenn, dann meistens noch falsch. Kaizen ist keine Methode!

Schlimmer als Events

Der Kaizen Blitz – gerne benutzt, um dem Ganzen einen kraftvollen Touch zu geben. „Knapp daneben ist auch vorbei“, wie es so schön heisst, denn diese Bezeichnung gibt es nicht und macht überhaupt keinen Sinn.

Wird eine Maschine vom Blitz getroffen? Steht jemand unter Strom? Ach nein, es bedeutet, dass an dieser Stelle eine Verbesserung in einer sehr kurzen Zeitspanne stattfindet. Einige haben dieser Spanne eine Dauer von 2-5 Tagen gegeben. Einmal mehr wurde nichts verstanden. Das gilt ebenso für diejenigen, welche den Blitz mit Kaikaku gleichsetzen oder es Kaizen Super, Lean Event oder Rapid Fire Lean nennen.

Wobei alle Kombinationen zu toppen sind. Mit „Kaizen Best Practice“.

Verständnis fördert gute Ergebnisse

Ein befreundeter Lean-Mentor machte die Erfahrung, so wie die Begriffe verstanden werden, so werden diese weitergegeben und angewandt. Dies bedeutet: ein schlechtes Ver­ständnis führt zu einer schlechten Umsetzung und damit zu schlechten Ergebnissen. Die Negativ-Spirale dreht sich.

Ausnahme Workshop

Die Ausnahme hinsichtlich der Begriffs-Kombination bildet der „Kaizen Workshop“. Da­bei geht es um die Einführung ins Thema, der Vermittlung der Theorie sowie der ersten praktischen Anwendung in Form eines Workshops. Dies erleichtert dem Vermittler, wie dem Schüler den Ein­stieg in diese spannende Denkweise. Der Zusatz vermittelt dem Interessierten, dass er unter kundiger Anleitung einer erfah­renen Person in die Materie eingeführt wird und eine fokussierte Vorgehensweise vorliegt.

Schlusswort

Kaizen ist und bleibt Kaizen. Nennt es so und vor allem praktiziert es jeden Tag.



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