Wem die Stunde schlägt ... Folge 198

Wem die Stunde schlägt ... Folge 198

oder ... "Qualis rex, talis grex"

#WMIA


Es sind nicht die Nummern der Tage des Lebens, auch nicht das Fallen des Kalenderblatts und auch nicht das Ticken der Sekunden, die den Moment beschreiben, den jemand mal "Wem die Stunde schlägt" nannte.
Es ist eher die Überraschung, die das Leben einem bereitet, wenn man einmal etwas tut, was man sonst nicht tut und die einem die Augen öffnet.

Dr. Nemo geht nach einem langen Tag zu Fuß nach Hause. Sein Weg führt ihn an einem Gebäude vorbei, das WMIA für Präsentationen, Shows und andere Auswüchse der Selbstdarstellung nutzt.

Lichter blinken, Stimmengewirr und alles, was dazugehört.

Nemo zieht sich seinen Hut tief ins Gesicht, schlägt den Kragen hoch.

"Mal sehen, was da los ist …", denkt er und beschließt unerkannt gleichsam als Zaungast dem Treiben zuzuschauen.

Die Feuerleiter ist gerade recht, um durch ein Fenster von oben einen Blick auf das Treiben zu werfen.

Das, was Dr. Nemo hier sieht, wäre unter der Rubrik "Jetzt schlägt's dreizehn" wohl gut bezeichnet.

Hier sind ein paar Augenblicke …

Der smarte Boss der Entwicklungsabteilung, Herr Dr. Lentamente, den alle sehr verehren, verneigt sich tief ins violette Dekolletee der drallen Journalistin, während ihm sein Nebenbuhler prickelnden Champagner in den bleichen Nacken schüttet.

Der Lobbyist macht Prösterchen und flirtet - so gut man das mit einem rosa Schweinsgesicht noch kann - mit der Assistentin vom Chef.

Der asketische Geheimrat von Ehrenhalb, Dekan der unternehmenseigenen Universität verteilt in einer Ecke des Saales, gleich neben den falschen Blumengirlanden ein paar Doktorunwürden.

Das Licht ist extra abgedimmt nur für die Lichtgestalten, in deren Glanz gefälschte Daten blinkern. In einer Ecke pinkelt jemand gegen die Zentralheizung. Der Parvenü rutscht auf dem Perverserteppich aus und fällt ganz fürchterlich auf seine Fresse. Das Buffet ist abgegrast, dem Herren Doktor Rededumm tropft das Fett der aus den Resten geklauten Schweinebacke aus der Tasche vom Jackett.

Der Redner ist verspätet, der Chef vom Janzen drückt sein Bedauern aus und drückt und drückt, bis irgendetwas kommt. Man klatscht einhändig.

An einem Stand sind wohlfeil falsche Worte zu erstehen und Tipps für den Aufbau von Vertrauen in die Produkte von WMIA Incorporated.

Ein Bild von George Grosz fällt von der Seidentapete ...

In dem Moment erscheint ein Kind und singt aus voller Brust: „Lieb Vaterland magst ruhig sein …“  Wie schön ...

Nemo reicht es.

"Das ist ja gruslig", sagt er zu Andrea, dem Mönch, der ihn begleitet.

Andrea: "Das ist die Moral von heute!"

Nemo: "Ich habe damit nichts zu tun!"

Andrea: "Ich dachte, Du bist der Chef von denen."

Nemo schweigt.

Als Andrea hinzufügt "Wie der Herr, so das Gescherr!", da bleibt Nemo stehen.

Nemo: "Warum habe ich davon nichts bemerkt?"

Andrea: "Warum merkt der Fisch nicht, dass er im Wasser schwimmt?"

Weitere Ausführungen zum Thema Moral gab es nicht.

Nemo wird sich damit demnächst beschäftigen.

Wie erfolgreich das sein wird, das erfahren wir – wie immer - am nächsten Dienstag ...



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