Die Kunst des Loslassens – Warum wahre Führung bedeutet, die Zügel zu lockern
Im Leben wie im Pferdesport heißt es oft: Wer ständig Zug auf der Trense hat, verliert nicht nur die Kraft, sondern auch die Eleganz des Vorwärtskommens. Eine Weisheit, die sich nicht nur in den Reitställen, sondern auch in den Korridoren der Führungsebenen widerspiegelt. Denn wahre Führungskunst offenbart sich nicht im Festhalten, sondern im Loslassen. Wie der erfahrene Reiter sein Pferd lenkt, so lenkt auch der erfahrene Leader sein Team: Mit einem sanften Zug, der Raum lässt für Bewegung und Entwicklung.
Die Falle des Festhaltens
In der vertrauten Routine des operativen Geschäfts finden viele Führungskräfte Sicherheit und Komfort. Sie fühlen sich in ihrer Fachexpertise wohl und neigen dazu, in dieser vertrauten Zone zu verweilen. Mit einem tiefen Verständnis der Abläufe und einer Beherrschung der Prozesse können sie auf ihre bewährten Fähigkeiten zurückgreifen. Doch ebenso wie Sicherheit bietet die Komfortzone auch Gefahren. Indem Führungskräfte in dieser Komfortzone verharren, vernachlässigen sie oft ihre Entwicklung als Leader und Coach. Die wahre Herausforderung besteht darin, den Schalter im Kopf umzulegen und sich von der alten Rolle zu lösen. Aus Gesprächen mit CEOs und Personalverantwortlichen geht hervor, dass eine effektive Führungskraft idealerweise maximal 30 % des operativen Geschäfts bearbeiten sollte. Doch Hand aufs Herz: Dieser Anteil ist bei vielen Führungskräften nach wie vor deutlich höher.
Die Verwandlung zum Leader durchs Loslassen
Die Entwicklung zur Führungspersönlichkeit durch das Loslassen ist ein zentraler Aspekt, der oft übersehen wird. Eine Führungskraft unterscheidet sich grundlegend von einem Projektleiter. Ihre Verantwortung liegt nicht nur in der täglichen Operation, sondern auch in der Entwicklung langfristiger Strategien und der Sicherstellung der Organisation für die Zukunft. Loslassen bedeutet, den Mitarbeitenden zu vertrauen und Raum für ihre individuelle Entfaltung zu schaffen. Es erfordert den Mut, sich von der Kontrolle zu lösen und auf Selbstständigkeit und Eigenverantwortung zu setzen. Die Bereitschaft, Komfortzonen zu verlassen und sich neuen Herausforderungen zu stellen, ist dabei unerlässlich für die Entfaltung wahrer Leadership-Qualitäten. Es kann auch bedeuten, das eigene Ego und den Status bewusst zurückzustellen. Anstatt alles selbst zu erledigen, ist es entscheidend, den Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten zu entfalten und ihre Aufgaben eigenständig zu erfüllen.
Nur so können sie ihr volles Potenzial entfalten und gemeinsam mit der Führungskraft die Organisation erfolgreich voranbringen. Führungskräfte, die es versäumen, diesen Schritt zu gehen, behindern nicht nur ihre eigene Entwicklung, sondern auch die Entwicklung ihrer Organisation. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, Vertrauen in sich selbst zu haben und den Wandel aktiv anzustreben. Besonders neue Führungskräfte, die zuvor selbst Teil des Teams waren, müssen aktiv aus der "Kollegenfalle" ausbrechen und ihre neue Rolle annehmen. Der Brandlöscher-Modus, in dem viele Führungspersönlichkeiten versuchen, alle Probleme zu lösen, ist weder nachhaltig noch förderlich für die Zukunftsfähigkeit der Organisation.
«Es wird nur vorwärts korrigiert, sonst wird es gefährlich.»
Das Zitat meines Reitlehrers, "Es wird nur vorwärts korrigiert, sonst wird es gefährlich", verdeutlicht eindrücklich die Konsequenzen, die sich ergeben, wenn ich als Führungskraft ständig an den Zügeln ziehe, aus Angst vor Fehlern oder einem vermeintlich zu großen Freiraum. Diese Lehre aus dem Reitsport hat mich dazu angeregt, parallelen zwischen der Strategieentwicklung in Unternehmen und dem Reiten zu ziehen. Meine persönlichen Erfahrungen im Reitsport haben mir viele wertvolle Lektionen vermittelt, die sich auch auf die Thematik der Unternehmensstrategien übertragen lassen. Wenn ich mit meinem Pferd auf ein Doppelhindernis stoße, kann es schnell passieren, dass ich das Gefühl habe, es müsse gebremst und zurückgehalten werden. Doch die wichtigste Lektion meines Trainers lautet: "Ein Pferd wird immer nach vorn korrigiert." Diese Weisheit verdeutlicht, dass der Vorwärtsdrang des Pferdes auch auf Unternehmen und ihre Strategie übertragbar ist. Es wird klar, dass ein zu starkes Zurückziehen schnell gefährlich werden kann.
Die Bedeutung der Selbstreflexion
Die Selbstreflexion spielt eine entscheidende Rolle auf dem Weg zur Führungspersönlichkeit. Es erfordert Mut, sich für neue Perspektiven zu öffnen. Nur durch kontinuierliche Selbstreflexion und persönliche Weiterentwicklung kann eine Führungskraft wirklich wirksam werden. Die Fähigkeit des Loslassens ist dabei eine der zentralen Kompetenzen, die eine Führungskraft beherrschen muss. Es geht darum, sich von alten Denkmustern und Gewohnheiten zu lösen und Raum für Innovation und Wandel zu schaffen. Nur wer bereit ist, die Zügel locker zu lassen, kann wahre Führungskraft entfalten und seine Organisation erfolgreich in die Zukunft führen.
Es ist wie im Pferdesport: Wer immer Zug auf der Trense hat, dem geht schnell die Kraft aus. Als jemand, der selbst im Pferdesport aktiv ist, habe ich bei Springturnieren eine wichtige Lektion gelernt: Nur wenn ich den Zügel nachgebe, kann das Pferd die richtigen Wendungen nehmen und geschmeidig bleiben. Diese Grundregel lässt sich problemlos auf Organisationen übertragen. Wenn Führungskräfte die Zügel zu straff halten, beeinträchtigt dies die Flexibilität und Handlungsspielräume der Mitarbeitenden. Daher ist es wichtig, Vertrauen zu schaffen und Raum zu geben - sowohl für sich selbst als auch für die Mitarbeitenden und die Organisation.
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