Umstellung auf eine U-Linie – sind 100 Probleme ein Grund zum Kapitulieren?
Manchmal braucht es Mut, die Theorie einfach konsequent anzuwenden - Beispiel "neue U-Linie ohne Zwischenpuffer" - hier traten „scheinbar plötzlich“ nicht akzeptable Störungen auf und die Mitarbeiter waren aufgrund dieser Probleme der Meinung, dass man wieder zum alten System zurückkehren solle. Auszug 13 aus meinem Buch "Produktionssystem, Fertigungssteuerung, Toyota und Kata - durch Konsequenz zur Exzellenz".
„Um Champion zu werden, muss man eine Runde länger kämpfen“
Jim Corbett
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir bei meinem letzten Arbeitgeber das erste Mal Montage-Arbeitsplätze in U-Form verkettet haben.
Vorher waren Einzelarbeitsplätze lose verknüpft, was bei der einfachen Variante zu Durchlaufzeiten von 2-4 Tagen führte. Das typische Problem war, dass wir die Durchlaufzeit nicht exakt bestimmen konnten.
In der neuen U-Linie ohne Zwischenpuffer traten "plötzlich" Störungen auf - u.a. eine Fehlermeldung an einer bestimmten Maschine, deren Beseitigung nur durch einen IT-Fachmann zu lösen war. Diese und andere "Kleinprobleme" führten jedes Mal zum Gesamtausfall der Linie – bedingt durch die enge Anordnung im Sinne der Fließfertigung.
Die Produktivität ging nach unten und die Mitarbeiter waren aufgrund dieser Probleme der Meinung, dass man wieder zum alten System zurückkehren solle.
Warum wurden die Ausfälle vorher toleriert?
Das Problem war scheinbar zu klein!
Erstaunlicherweise waren diese Maschinenausfälle in der Vergangenheit toleriert worden. Der Grund war, dass es Ausweich-Arbeitsplätze gab und sich die Mitarbeiter bereits an die Störungen gewöhnt hatten. Deshalb musste sich die für das Problem verantwortliche Fachabteilung nicht ernsthaft um die Beseitigung dieser Störungen bemühen. Der Handlungsdruck durch die stockende Linie war nun so groß, dass innerhalb von ca. 10 Wochen 90% der Maßnahmen abgearbeitet wurden.
Dadurch wurde mit den gleichen Maschinen und Mitarbeitern eine stabile Durchlaufzeit von unter einem Tag erreicht. Aufträge, die vor 10:00 Uhr in die Linie kamen, konnten noch am selben Tag ausgeliefert werden. Die Gesamtleistung der Linie stieg enorm.
Nutzen Sie diesen Handlungdruck und halten Sie den Ärger aus!
Dies ist ein typisches Beispiel dafür, dass die Reduzierung der „Ware im Betrieb“ nicht als losgelöste Maßnahme zu verstehen ist, aber die Steilflanke für entsprechend stabilisierte bzw. verbesserte Prozesse sein kann.
Die typischen Effekte bei einer Umstellung auf Fließfertigung
- Durch die direkte Verkettung und Austaktung der Arbeitsplätze werden die Bestände zwischen den Arbeitsfolgen minimiert.
- Zunächst tritt eine Verschlechterung ein, weil plötzlich die Probleme zu Tage treten, die durch zu viel „WIP“ verschleiert/kompensiert wurden.
- Die schlechte OEE/Produktivität/Lieferfähigkeit führt zu Handlungsdruck.
- Es besteht die Chance, dass auch die vielen kleinen Probleme endlich gelöst werden.
- Die dauerhafte Reduzierung der Ware im Betrieb als Ergebnis stabiler Prozesse – allerdings nur, wenn man dies nicht wieder einreißen lässt.
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