Synchronisieren, wo es nichts zu synchronisieren gibt?
Dass Kräne für schlanke logistische Wertschöpfungsflüsse in Produktionshallen oft nicht die ideale Lösung sind und zur Verschwendung von Mitarbeiterzeiten beitragen, darf ich als bekannt voraussetzen. Wenn ein Transport von Produkten zwischen zwei Arbeitsplätzen nötig ist, bevorzugt man als schlankere Lösung Rollen- oder Förderbänder. Sobald der Mitarbeiter des vorgelagerten Arbeitsplatzes das Produkt durch Aufsetzen auf Rollen- oder Förderband „auf die Reise geschickt“ hat, braucht er für den weiteren Transport keine Zeit mehr zu investieren und kann sich wieder seiner Hauptarbeit widmen. Am nachgelagerten Arbeitsplatz kommt das Produkt ohne weiteres Zutun der Person „automatisch“ an.
Insofern klang es zunächst wohl ganz plausibel, als man sich für einen kleinen Produktionsbetrieb von oft kundenspezifisch hergestellten Industriearmaturen in kleinen Losen dazu entschied, die beiden letzten produktiven Arbeitsschritte durch ein Rollenband miteinander zu verknüpfen. Dass diese Produkte aufgrund ihrer Größe (Höhen von etwa 50 cm aufwärts) und Ihrer Materialien (Stahl, Gusseisen) ein erhebliches Gewicht hatten, schien ein weiteres gutes Argument für die Rollenbänder zu sein.
Der erste der beiden Arbeitsschritte bestand darin, die Armaturen aus allen an den Arbeitsplatz zugelieferten Teilen (Gehäuse, Drehteile, Normteile, Dichtungen, Regelungs- und Steuerungsanbauten, …) zusammenzubauen. Über das Rollenband erreichte die Industriearmatur dann den zweiten Arbeitsplatz, auf dem die Druck- und Dichteprüfung stattfand. Dabei wurde die Armatur geschlossen und durch Anschluss einer Wasserzufuhr unter hohem Druck auf Dichtheit getestet („abgedrückt“).
Als ich in den Betrieb eintrat, war gerade eine Diskussion darüber im Gange, wieviele weitere Rollenbänder man noch beschaffen sollte. Die erste Arbeitsplatzkombination war bereits damit ausgerüstet. Derart stabile Transporthilfen haben durchaus ihren Preis von einigen Tausend Euro. Eine Abstimmung aller direkt Betroffenen von den Produktionsmitarbeitern über die Produktions- und Technikleitung bis hoch zum Geschäftsführer war also auf jeden Fall angebracht.
Also alles richtig gemacht? Alle eingebunden, die zur Findung der besten Lösung beitragen können? Fakt war, dass die Notwendigkeit der Rollenbänder von keinem der Teilnehmer mit langjähriger Betriebserfahrung auch nur ansatzweise in Frage gestellt wurde – außer von mir. Für mich schienen die beiden Arbeitsplätze „Montage“ und „Druckprüfung“ einfach nicht synchronisierbar zu sein. Natürlich gab es mit dem Hinweis auf die hohe Produktvielfalt keine klaren Zeitvorgaben geschweige denn Daten aus einer Zeitaufnahme. Genau diese Vielfalt der oft kundenspezifischen Armaturen ließ sich allerdings aus den vorhandenen Arbeitsplänen und Stücklisten sowie aus „Momentaufnahmen“ vor Ort und Mitschriften des Personals deutlich ableiten.
Daraus ergab sich ein klares Bild: Es gibt nicht eine einzige Armatur im gesamten Programm, bei der die beiden Mitarbeiter für Montage und Druckprüfung auf eine auch nur annähernd gleiche Arbeitszeit kommen. Das wiederum bedeutet: Einer von beiden muss immer auf den anderen warten bzw. baut Bestand auf, den sein Kollege in dessen Arbeitszeit nicht mehr abarbeiten kann. Das vielgepriesene Rollenband vernichtete also Arbeitszeit und/oder bewirkte einen Bestandsaufbau! Und bei diesen „No-Gos“ einer schlanken Produktion wollte ich nicht auch noch Geld für die Rollenbänder selbst investieren. Die Diskussion wurde gestoppt, das Thema zurückgestellt. Es dauerte dennoch weitere zwei Jahre und einen Wechsel im Top-Management, bis man sich dazu entschloss, das einzig richtige zu machen: Beide Tätigkeiten zu einem integrierten Arbeitsplatz zusammenzufassen und nach der Montage eine (leicht erreichbare) Druckleitung für den Test an die Armatur anzuschließen – durch denselben Mann. Dieser konnte dadurch ungestört und unabhängig von der Arbeitsdauer am Produkt einen Auftrag nach dem anderen abarbeiten. Und der integrierte Arbeitsplatz kostete im Vergleich weit weniger als Rollenbänder.
Was kann man daraus lernen? Auch die durchaus positive Einbindung aller direkt Betroffenen garantiert noch keine schlanke und rationelle Lösung. Manchmal läuft man auch im Team scheinbar modernen und attraktiven Lösungen hinterher, die leider nicht zum Problem passen. Solche wichtigen Entscheidungen sollten auf einer Wertstromanalyse basieren – im vorliegenden Fall hätten sogar schon einige beispielhafte Zeitaufnahmen genügt.
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