Reine Effizienz bedeutet keine Wonne
Die kontinuierliche Optimierung von Abläufen ist ein permanentes Thema in jeder Organisation, mit dem sich viele von uns dauernd auseinandersetzen. Die neuerscheinende Literatur, die sich damit beschäftigt, wächst dabei genauso regelmäßig mit.
In diesem Beitrag möchte ich die nachteiligen Folgen in Organisationen ansprechen, die bei einer Überbetonung des Effizienzdenkens entstehen können. Ein bedingungsloses Streben nach Effizienz generiert nämlich häufig neue Probleme, die schnell zu Sackgassen werden können.
In den 1920 Jahren kommt das Thema Effizienz im Zuge des Fordismus zum ersten Mal verstärkt in der Betriebswirtschaft auf. Frederick Taylor beschreibt 1913 in seinem Buch „Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung“ (im Original: „The principles of scientific management“), wie er mit Hilfe seiner Zeitstudien, der Einbringung der Naturwissenschaften und der Trennung von Hand- und Kopfarbeit für alle Vorteile schaffen will. Fredrick Taylor war sehr um einen Interessausgleich zwischen Arbeitnehmern und Unternehmensleitung bemüht. Dazu führt er im angesprochenen Buch aus
[…] Anderseits kann es ganz entgegen den Ideen des neuen Systems und entgegen dem ursprünglichen Zweck dazu verwendet werden, die Arbeiter rücksichtslos anzutreiben, für annähernd gleichen Lohn wie früher eine größere Tagesleistung zu vollbringen.“ (S. 144)
Viele Unternehmen waren nicht bereit, die langen Vorlaufzeiten von Taylors System in Kauf zu nehmen und führten zum Beispiel nur Akkordlöhne ein. Die Auswirkungen sehen wir in Charly Chaplins Film „Modern Times“ von 1936, in welchem er die „Verdinglichung“ des Menschen anprangert. Es geht mir nicht darum, Taylors System zu verteidigten, seine Trennung von Kopf- und Handarbeit, sein ignorieren von sozialen Beziehungen und sein lineares Verständnis der Welt, machen sein System ebenfalls sehr problematisch. Es zeigt aber, dass ein auf die Spitze getriebenes Effizienzdenken auch mit besten Vorsätzen schädlich Auswirkungen haben kann.
Werden zu viele Redundanzen abgebaut, bringt dies häufig das Problem mit sich, dass bei Notfällen wichtige Reserven fehlen oder der Ausfall von einzelnen Komponenten eine ganze Produktion stilllegen kann. Dies betrifft nicht nur Maschinen, sondern ich kenne genügend mittelständische Unternehmen, bei denen nur eine Person über eine bestimmte Schlüsselkompetenz verfügt. Bei einem Ausfall dieser Person werden die Abläufe im Unternehmen zumeist stark beeinträchtigt. Die Reduzierung auf eine Person kann verschiedene Gründe haben. Diese können zum Beispiel Kostenreduktion oder Machtabsicherung durch eben diese Person sein.
Das Thema der Redundanz betrifft aber nicht nur die Produktion, sondern ist auch für die Weiterbildung in einem Unternehmen ein entscheidender Aspekt. Weiterbildung steht meistens unter dem ökonomischen Zwang möglichst in kurzer Zeit, mit geringen Ausfallzeiten und niedrigen Kosten alles Relevante und mehr zu vermitteln. Dabei wird das beim Lernen so wichtige Element des Wiederholens und Einübens häufig ignoriert. Ausprobieren und Testen sind die maßgeblichen Bestandteile, um sich Wissen anzugeigenen. Dies schließt mit ein, Fehler machen zu dürfen und diese anschließend reflektieren zu können.
Wie ich einleitend sagte, beschäftige ich mich selbst kontinuierlich mit der Optimierung von Prozessen, wir sollten aber Acht geben, einem zu dominanten Effizienzdenken nicht ohne Weiteres nachzugeben. Wenn wir uns außerhalb der Betriebswirtschaft umschauen, sehen wir zum Beispiel, dass Fahrstühle und Brücken immer so konstruiert werden, dass sie mehr als ihr zugelassenes Höchstgewicht tragen können. Selbst in der DNA sind unsere Chromosomen immer paarweise angeordnet, um Ausfälle kompensieren zu können. Die Chromosomen werden übriges bei der Fortpflanzung mit jedem neuen Leben frisch gemischt.
Eine zu dominante Stellung des Effizienzdenkens in einem Unternehmen kann mehr Probleme bringen als es löst und dabei die Widerstandskraft des Unternehmens untergraben.
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