Verschwendung entdecken – wie wir mit 50% weniger Lagerbestand eine bessere Lieferperformance erzielten
Ein Fundament von Lean ist, alles das zu beseitigen, was nicht direkt zur Wertschöpfung beiträgt (japanisch „Muda“). Eine der Verschwendungsarten ist die Überproduktion. Viele Firmen dulden hohe Bestände aus falsch verstandenem Kosten- und Sicherheitsdenken. Auszug 4 aus meinem Buch "Produktionssystem, Fertigungssteuerung, Toyota und Kata - durch Konsequenz zur Exzellenz". Viel Spaß beim Lesen! Andre Kürzel
Erfolg ist die Kunst, dem Sinnvollen das Rentable vorzuziehen.
Helmar Nah
Der deutsche Begriff „Verschwendung“ hat sich an dieser Stelle durchgesetzt, obwohl er wie „waste“ im Amerikanischen etwas unglücklich nach „sorglosem Umgang mit Ressourcen“ klingt. Es gibt weit mehr Arten der Verschwendung als die meist beschriebenen sieben: zum Beispiel ein nicht fertigungsgerechtes Produktdesign, eine sorglose Informationsübermittlung durch zu viele E-Mails an die falschen Leute oder eine unzureichende Nutzung von Fähigkeiten.
Vermeidbare Verschwendung muss unverzüglich beseitigt werden.
Wenn Sie den Gesamtprozess im Detail betrachten, den ein Produkt im Unternehmen durchläuft, werden Sie über viel Verschwendung stolpern. Die Kunst ist es, diese Verbesserungspotenziale unermüdlich anzugehen. Es kostet manchmal erstaunlich viel Kraft einfachere Wege zu gehen.
Wir lasten Maschinen ohne Not mit großen Losen aus und kaufen große Mengen ein, weil uns beigebracht wurde, dies sei wirtschaftlich. Wir finanzieren hohe Vorräte und damit eine unnötige Kapitalbindung und sind dennoch nicht durchgängig lieferfähig.
Genau an dieser Stelle sind wir oftmals betriebsblind - wir tun uns schwer, Gewohnheiten zu verändern oder haben Angst vor radikalen Schritten.
Praxisbeispiel
Bei der Firma WMF war ich seinerzeit für die Produktion von Chafing Dishes verantwortlich. Dies sind große Serviergeräte, bestehend aus einem Gestell, einem Wasserbad, einem Deckel und unterschiedlichen Griffen.
Trotz einer vertretbaren Varianz und einem Fertigteil-Lagerbestand von mehr als 700 (!) Paletten konnten wir oftmals Liefertermine nicht erreichen.
Der Teufelskreis bestand darin, dass der Vertrieb aus fehlendem Vertrauen zur Liefertermintreue bereits einige Monate vor der geplanten Auslieferung im Lagersystem Reservierungen tätigte.
Die Folge war, dass ein Modell zwar auf Lager sein konnte, aber eine Auslieferung durch die Reservierung verhindert wurde.
Was hätten Sie getan?
Unsere Maßnahme auf Produktionsseite bestand darin, Griffe nur noch zu schrauben und das mit einem einheitlichen Lochabstand. Vorher gab es hier eine gewachsene Struktur unterschiedlicher Griffe und Befestigungsarten.
Noch wichtiger war es, das komplette Fertigteilelager aufzulösen und dafür ein Komponentenlager einzurichten. Durch die Auflösung und Demontage des Fertigwarenlagers war die Versorgungssicherheit an Komponenten von Anfang an gegeben. Unter dem Strich reduzierten wir den Gesamtbestand an Paletten um fast 50%.
Die Montage und die elektrische Prüfung der Geräte erfolgten ab diesem Schritt nur noch direkt im Komponentenlager. Die Einzelteile wurden per Kanban-Auftrag wieder in kleineren Losen nachproduziert.
Wir als Produktion sicherten dem Vertrieb zu, eine bestimmte Stückzahl pro Tag innerhalb von 24 Stunden (!) ausliefern zu können. Reservierungen waren im Gegenzug systemtechnisch nicht mehr möglich. Vorher hatten wir Lieferzeiten von 6-8 Wochen.
Zugegeben, am Anfang habe ich schlecht geschlafen – die Sorge war jedoch unbegründet, denn ab diesem Tage kamen wir nie wieder unter 90% Liefertreue und dies trotz einer Halbierung der Lagerfläche bzw. der Bestandskosten.
Weitere Inhalte
Kennst Du schon Position2050?
-
Robuste Unternehmen oder Handelskriege
-
Blicke in die Zukunft
-
Demokratische Dispute oder populistische Hetze
Weitere Inhalte auf Publishing
Produktion mit Pull trotz hoher Produktvielfalt und Fertigungstiefe
Fertigungsabläufe aber auch Planungs- und Steuerungsverfahren halten häufig nicht Schritt mit hoher Produktvielfalt und täglich schwankendem Mix von Kundenaufträgen. Mit hohem Engagement der …
Von der Wertstromanalyse zum Wertstromdesign: Wo bleibt der Mensch?
Unternehmen befinden sich in einer ständigen Wettbewerbssituation. Um erfolgreich am Markt bestehen zu können, müssen sie daher ihre Leistungen kontinuierlich optimieren. Dies kann mithilfe der …
Das Kanban-Prinzip in der Fertigung: Effizienzsteigerung durch Materialflussoptimierung
Das Kanban-Prinzip, aus der Automobilindustrie stammend, revolutionierte Fertigungsprozesse. Es basiert auf effizientem Materialfluss und bedarfsgerechter Produktion. Ursprünglich von Toyota …
Die 7 Arten der Verschwendung aus ökologischer Sicht!
Am Beispiel der klassischen 7 Verschwendungsarten erläutern wir, wie OPEX zu ‚Sustainable Excellence‘ ausgebaut werden kann & welche Ergebnisse sich Unternehmen davon versprechen können.
Kommentare
Kommentar schreiben
Melde Dich an, um einen Kommentar zu hinterlassen.
Teilen