32. Episode
„Du kannst Leuten nichts lehren, du kannst ihnen nur helfen, es in sich selbst zu finden.“
(Galileo Galilei)
Nachdenklich geht Frank Weissenegger in sein Büro zurück. Wohl wissend, dass er einen Franz Großmann nicht hatte erreichen können. Mehr noch, dass dieser ihn und seine Worte – auch als Vorgesetzten – auch zukünftig nicht annehmen würde. Weissenegger wird klar, dass hier nur noch einer mit Franz Großmann in ein Gespräch kommen kann, sein Schwiegervater Ernst Krauss.
Schon übermorgen am Freitag, würde er sich mit seinem Schwiegervater in dessen Lieblingslokal „Zum Kramerwirt“ (siehe Episode 12) treffen. Wie jeden letzten Freitag eines Monats und damit eine neue, aber bereits lieb gewonnene „Gewohnheit“ der beiden. Konnten sie doch dort mit ein wenig Abstand und dazu in entspannter Atmosphäre miteinander reden. Über die geschäftlichen, aber auch über die menschlichen Belange in der Krauss GmbH & Co. KG.
Mit einem Blick aus dem Bürofenster sammelt sich Frank Weissenegger. Muss er doch zunächst noch das Meeting mit den Meistern und Vorarbeitern (siehe Episode 30) vorbereiten. Das Meeting, in welchem er auch weiteren Mitarbeitenden den „neuen“ Kurs der Krauss GmbH vorstellen möchte. Darüber hinaus will er aber dabei auch von den Anwesenden einen Eindruck erhalten, wie sie diesen ganzen – zum Teil bereits begonnenen – Veränderungen gegenüber stehen.
Eben jenes, in der vergangenen Woche beschlossene Meeting, an welchem nun ein Franz Großmann – eingedenk seiner Worte : „So nicht und mit mir nicht!“ – dort mit Sicherheit nicht teilnehmen würde…
Schon während Weissenegger den Konferenzraum betritt, spürt er eine gewisse Anspannung gepaart mit Unsicherheit bei den Mitarbeitern. Eine größere Gruppe, in Diskussionen vertieft, hat sich bereits um oder besser hinter Jakob Jandl gebildet.
Dies sehend eröffnet Frank Weissenegger das Meeting, indem er sich zunächst bei allen Anwesenden bedankt. Zum einen dafür, dass sie es ermöglicht haben, so zahlreich bei diesem doch zugegebenermaßen kurzfristig anberaumten Meeting da zu sein. Aber auch insbesondere dafür, dass das Audit mit der Unterstützung aller hier Anwesenden letztendlich für das Unternehmen so positiv verlaufen ist.
Die oft zitierte und bekannte Stecknadel hätte man spätestens jetzt fallen hören können. Denn keiner der Meetingteilnehmer war und ist solche Worte gewohnt. Dazu kommt, dass ein Franz Großmann hier heute fehlt… auch dies, ein Novum!
Frank Weissenegger geht nun näher auf den Zweck des heutigen Meetings ein und erläutert, dass es in der Krauss GmbH & Co. KG bekanntermaßen ja bereits erste Veränderungen – und dies nicht nur im Rahmen des Audits – gegeben hat. Diese jedoch von allen unterstützt und mitgetragen werden müssen, damit die Veränderungen auch langfristig im Unternehmen umgesetzt werden und damit gelingen können. Dies jedoch bedeutet, dass bestimmte Denk- und Verhaltensweisen nicht mehr länger zu diesen neuen Herausforderungen passen.
Jakob Jandl, der Frank Weisseneggers offene Art die Dinge anzusprechen mittlerweile schon kennt und schätzt, nutzt umgehend die Möglichkeit, um zunächst seine Eindrücke über die jetzige Stimmung in der Belegschaft näher darzustellen.
Dass den Mitarbeitern diese Veränderungen nicht verborgen geblieben sind und viele diese auch begrüßen. Sie sich jedoch auf der anderen Seite nicht wirklich darüber im Klaren sind, was nun zu tun ist oder gar von ihnen erwartet wird. Und wohin es mit der Krauss GmbH & Co. KG und damit mit Ihnen gehen soll.
Ermutigt durch Jandls’ erste und klare Worte werden dann auch weitere Stimmen laut: „Was passiert denn mit uns, wenn der Franz Großmann dagegen ist?“ … „Wenn ich morgen sage, dass ich gemäß den neuen Vorgaben hier meine Arbeit tue?“ … Und auch: „Bin ich dann übermorgen vielleicht nicht mehr hier?“ Dazu: „Wo ist denn Herr Großmann „eigentlich“, weil er heute nicht hier ist?“
Weissenegger wird erneut bewusst, wie ausgeprägt und tief verwurzelt das bisherige Hierarchiedenken doch bei allen Mitarbeitern noch ist. Und betont, dass zunächst eine offene Kommunikation – so wie gerade jetzt – und dazu ein respektvoller Umgang unter allen Mitarbeitern und Führungskräften herrschen muss, um die Herausforderungen tatsächlich meistern zu können. Und dass es nötig ist, klare Verantwortlichkeiten für jeden festzulegen, aber auch über den eigenen Tellerrand hinausblicken zu können. Zu sehen, wo es „klemmt“, zwar ein Anfang ist, aber dagegen eigenverantwortlich etwas zu tun, das andere. Dass dafür zunächst jedoch gesorgt werden muss, ihnen auch die nötigen Methoden und damit Werkzeuge dafür an die Hand zu geben.
Die zweitägige Qualifizierungsmaßnahme Fabrik im Seminarraum (FiS) mit Schwerpunkt KVP-Methoden – wie Jakob Jandl und einige andere bereits schon erlebt haben (siehe Episoden 21/22) - hierfür ein guter Einstieg wäre, so Weisseneggers Vorschlag. Welchen Jandl als hervorragende Idee und mit Hinweis auf seine gewonnenen Erkenntnisse durch die Fabrik im Seminarraum (FiS) und den bereits daraus abgeleiteten Maßnahmen (siehe Episoden 27/28) - umgehend aufgreift und begrüßt.
“Männer“, wir alle müssen zusammen arbeiten, an einem Strang ziehen“, lauten dann auch Weisseneggers abschließende Worte. „Wir brauchen Euch, denn ohne Euch ist das Unternehmen, sind wir doch nichts!“
Während Frank Weissenegger noch die neuesten Unterlagen von den Projektteams einsieht, fällt sein Blick auf die Uhr. Höchste Zeit aufzubrechen, da er sich doch am heutigen Mittag mit seinem Schwiegervater treffen möchte.
Zu Fuß auf der letzten Strecke durch das Hönigtal bis zur Gaststätte nutzt Weissenegger die Gelegenheit, alleine auch über das vorgestrige Meeting nochmals nachzudenken. Hat er doch den Eindruck, dass ein kleiner Ruck durch die Mannschaft gegangen ist. Und nicht bloß er selbst. Auch Jakob Jandl hatte ihm noch heute am Vormittag gesagt, wie wichtig den Mitarbeitern dieses Gespräch war und – zumindest so sein Eindruck - die Unsicherheit doch merklich zurückgegangen sei. Wäre da nicht ein Franz Großmann…
Beinahe gleichzeitig treffen Ernst Krauss und sein Schwiegersohn Frank beim Kramerwirt ein. Und Krauss Senior kann sofort erkennen, dass Frank etwas mit sich herumträgt. Ohne viel Worte darüber zu verlieren, machen sich beide zunächst zu einem Spaziergang auf, denn das Essen konnte auch noch eine kleine Weile warten. Und bereits nach wenigen Schritten erzählt Frank seinem Schwiegervater dann auch ausführlich von seinem Gespräch mit Franz Großmann nach dem Audit. Dass er den Eindruck hat, dass Großmann sich mittlerweile beinahe schon prinzipiell gegen alles von ihm Gesagte stellt und ihn zusätzlich – durch eigene, konträre Vorgaben – unterläuft. Wo doch gerade jetzt die vielen Anstrengungen und Veränderungen der letzten Wochen erste Erfolge zeigen.
Frank gesteht Ernst aber auch ein, dass er bei Großmann nichts mehr würde erreichen können.
Der Alte versteht nur zu gut, was sein Schwiegersohn ihm sagt. Kennt er doch den „alten Querkopf“ Franz seit nunmehr 35 Jahren. Häufig war es nicht leicht mit ihm, doch hatten sie beide letztendlich immer einen gemeinsamen Weg gefunden.
Vielleicht haben ihn die Veränderungen in den letzten Jahren – nachdem er selbst sich aus der Geschäftsführung zurückgezogen hatte - einfach überfordert. Aber dennoch musste doch gerade auch der Franz sehen, dass das Fortbestehen der Krauss GmbH & Co. KG in Gefahr ist, wenn man so weitermacht, wie bisher.
Und dass es daher zwingend Veränderungen geben muss, wie doch auch er selbst hatte einsehen können. Auch wenn es für ihn sicher ebenfalls nicht einfach war.
Ernst Krauss sieht seinen Schwiegersohn an: „Ich werde mit dem Franz in der kommenden Woche reden …
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