31. Episode
In Dir muss brennen, was Du in anderen entzünden willst!
(Aurelius Augustinus)
Unmittelbar nach dem abrupten Ende der Auditnachbesprechung sitzen Bernd Krauss und Frank Weissenegger noch länger schweigend am Konferenztisch. In Bernd Krauss hallen Franz Großmanns Worte noch nach: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser …
Franz Großmann, wie er leibt und lebt. Denn im Grunde muss Bernd sich eingestehen, dass er nicht wirklich überrascht ist und auch gar nichts anderes von Großmann hätte erwarten können. Doch die anderen Mitarbeiter, so Krauss Juniors Empfinden, die hatten verstanden.
Auch Weissenegger ist in Gedanken versunken. Hat doch auch er den Eindruck, dass die Botschaft über ein verändertes Führungsverhalten bei allen angekommen ist. Bei allen?
Ein kurzer Blick zu Bernd genügt und unausgesprochen wissen beide, dass Franz Großmann in gewissem Sinne ein „hoffnungsloser Fall“ ist. Und dass er noch immer – wenn auch nicht mehr ganz so wie früher – doch zumindest Einfluss auf die Stimmung der anderen hat.
Bernd Krauss ist es jedoch dann, der als erster das Schweigen bricht:
„Frank wir brauchen Hilfe. Wir brauchen jemanden, der UNS – und mit uns meine ich alle diejenigen, die heute am Meeting teilgenommen haben – unterstützt. Jemanden, einen Externen, der uns „Instrumente“ an die Hand gibt, wie wir das bereits Gesagte in die Tat umsetzen können! Und gleich morgen werde ich mich darum kümmern.“
Frank Weissenegger versteht nur zu gut, was sein Schwager Bernd meint. Und ist froh darüber, dass bei Bernd Krauss diese Einsicht alleine gereift ist. Auch wenn er doch noch ein wenig „erstaunt“ darüber ist, dass Bernd Krauss – weil zum ersten Mal vor ihm - von sich aus um Hilfe bittet.
Doch ist sich Weissenegger auch im Klaren darüber, dass ein Coaching bzw. eine Schulung der zweiten Führungsebene – so nötig das auch ist - alleine nicht ausreichend sein wird. Sondern gerade die Ebene der Meister, Vorarbeiter bis hin zu allen Mitarbeitern in diesen Veränderungsprozess miteinbezogen werden müssen. Und schlägt daher vor, dass er selbst in einem kurzfristig anberaumten Meeting mit den Meistern und Vorarbeitern den „neuen Weg“ darstellt. Sehr wohl wissend, dass nur mit einem klassischen „TOP-Down-Ansatz“ das Vorhaben früher oder später scheitern würde.
Und zusätzlich macht Weissenegger deutlich, dass er vor diesem Meeting mit den Meistern und Vorarbeitern nochmals versuchen muss, mit Franz Großmann – gerade vor dem Hintergrund der letzten Worte „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ – ins Gespräch zu kommen. Denn schließlich ist Franz Großmann deren direkter Vorgesetzter. Und dazu muss nun auch letztendlich Klarheit geschaffen werden, ob Franz Großmann vielleicht doch bereit ist einzulenken. Oder ob er nach wie vor seine „persönlichen Interessen“ vor die des Unternehmens und damit der Mitarbeiter stellt.
Am darauf folgenden Tag vereinbart Frank Weissenegger unverzüglich einen Gesprächstermin mit Franz Großmann für den späten Nachmittag. In diesem Gespräch versucht Weissenegger nochmals mit klaren Worten Großmann deutlich zu machen, dass das, was bislang an den bisherigen Abläufen noch immer erkennbar ist, doch wohl eher von blindem Aktionismus zeugt! Wenn man jedoch eine effektive und kontinuierliche Verbesserung erreichen möchte, muss die Führung – also auch ein Franz Großmann – viel näher am wertschöpfenden Prozess sein. Und jede Führungskraft muss in einer Vorbildfunktion den Veränderungsprozess vorleben.
Weissenegger spricht Franz Großmann dann dazu auch direkt an:
„Herr Großmann, ich habe nicht den Eindruck, dass Sie willens sind, diesen neuen Weg mitzugehen. Zumal dies bedeutet, dass auch Sie bereit sein müssten, insbesondere die Meister und Vorarbeiter in Bezug auf Eigenmotivation und Eigenverantwortlichkeit durch Erweiterung von Kompetenzen und Methodenwissen systematisch zu fördern. Veränderungen müssen geführt werden und dies bedeutet, dass Führungskräfte begreifen, dass sie sich zunächst in erster Linie auch selbst verändern müssen. Und um dies auch unseren Mitarbeitern zu erläutern, wird es am kommenden Freitagnachmittag ein Meeting mit den Meistern und den Vorarbeitern geben, zu welchem ich Sie gerne einlade.“
Franz Großmann, der mit vielem, aber nicht mit solchen Worten gerechnet hatte, blieb zunächst kurz die Spucke weg. Was bildete sich dieser Jungspund eigentlich ein.
Kaum ein paar Wochen hier und schon meint er wohl, alles zu verstehen und alles besser machen zu können. Und welch bodenlose Frechheit, IHM, der seit Jahrzehnten im Unternehmen ist, dann auch noch blinden Aktionismus vorzuwerfen.
Seine Empörung kaum noch zügeln könnend entschlüpft Großmann dann doch noch ein letzter Kommentar:
„So nicht und mit mir nicht! Und wer hier blinden Aktionismus betreibt, das sollten wohl vielleicht besser mal auch andere noch beurteilen!“
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