Die Kunst der Reduktion – Sophia Solaris beim LATC2023
Sophia Solaris ist Künstlerin und lebt in Kassel. Ihre Kunst findet international Anerkennung, in Deutschland wurde sie u.a. 2020 mit dem Municipal Art Award „Artist in Baden-Baden“ ausgezeichnet. In diesem Jahr wird sie beim LATC eine der Aktionsflächen bespielen. Unsere Kollegin, Daniela Röcker, sprach mit ihr.
Liebe Sophia, Du wirst dieses Jahr das LATC mit Deiner Kunst bereichern. Magst Du zunächst ein paar Worte zu Dir sagen?
Ich bin 1984 in Baden Baden geboren und in Gaggenau aufgewachsen. Ich studierte bei Ernst Caramelle an der Kunstakademie Karlsruhe. Zum Ende meines Diploms bin ich mit meinem damaligen Freund (heutigem Mann) nach Kanada ausgewandert.
Auswandern ist ein großer persönlicher Schritt im Leben, man verläßt Altes und Bekanntes und läßt sich ganz bewusst auf das Unbekannte ein. Wie hast Du diese Zeit erlebt?
Einschneidend war Kanada für mich in vielerlei Hinsicht, aber es hat vor allem meine Arbeit stark beeinflusst. Durch den neuen, frischen Blick auf ein anderes Land, ist mir aufgefallen, wie wahnsinnig viel Müll im Alltag anfällt, die Plastikverpackung in der Plastikverpackung in der doppelten Plastiktüte, und ich habe für mich beschlossen, dass es mein Anspruch als Künstlerin ist, diese Dinge, die bereits vorhanden sind, für meine Kunst zu nutzen. Sie so zu transformieren, dass sie meiner Formen- und Materialsprache entsprechen, aber eben mit möglichst wenig neuem Konsum.
Diese Reflexion ist extrem spannend, denn sie berührt die Idee der Suffizienz, die schon seit längerer Zeit in Bezug auf eine gesamtgesellschaftliche, nachhaltige Entwicklung diskutiert wird. Suffizienz bedeutet von der Wortherkunft (lat.) „ausreichen, genügen“. Als Konzept steht es, verkürzt gesagt, für „das richtige Maß“ beim Konsum. Es berücksichtigt natürliche Grenzen und Ressourcen. Wie hast Du dies dann konkret in Deiner Kunst umgesetzt?
Ich wollte vermeiden noch mehr Dinge kaufen zu müssen, um meine Kunst machen zu können. Auf diese Art und Weise ist meine erste Einzelausstellung 2011 entstanden in einer städtischen Galerie (Cambridge Galleries). Hierfür habe ich, neben anderen Arbeiten, aus Milch- und Saftkartons eine Wandinstallation aus fünf Einzelteilen gemacht und auch zum ersten Mal mit blauen Plastikstreifen, die ich aus großen Industrietüten geschnitten habe, eine Wandarbeit gemacht. Für die Milchkartons bin ich monatelang am Müllabholtag mit dem Fahrrad die Straßen abgefahren und habe aus der ‚Blue Bin‘, die dortige Gelbe Tonne, die benutzten, leeren Tetrapaks geangelt...
Das ist jetzt fast 10 Jahre her und der Gedanke von Recycling, Wiederverwerten, Ressourcen schonen ist für mich noch genauso aktuell.
Da bist Du in guter Gesellschaft, denn das Konzept von „Reduce, Reuse, Recycle“ findet immer mehr Zuspruch – gerade in Bezug auf den Klimawandel. Beim Thema Kreislaufwirtschaft hört man immer wieder vom Konzept der 2 Kreisläufe – einmal der technische Kreislauf, bei dem Material immer wieder verwendet werden kann und einmal der organische Kreislauf, bei dem verwendetes Material kompostiert, d.h. in einen biologischen Kreislauf überführt wird. Ich vermute, dass Du auch irgendwann Parallelen zu natürlichen Kreisläufen gezogen hast, richtig?
Ja, ich habe den Gedanken weiter gesponnen: was ist immer vorhanden, welche Dinge kann ich nutzen, die mich immer umgeben, und da liegt die Natur sehr nahe. Ich habe 2018 begonnen Naturmaterialien zu sammeln, und zu verarbeiten, Tinte herzustellen aus Naturmaterialien und damit lag auch das Färben von Stoffen nicht fern. Für die letzte grosse Einzelausstellung in Baden- Baden, anlässlich eines Kunstpreises, habe ich Stoffe mit Naturfarben gefärbt, die sich in langer Tradition bewährt haben, wie Walnuss, Avocadoschalen, Eukalyptus, Essigbaumfrucht, Zwiebeln, etc. Die Stoffe, die ich verwende, sind beispielsweise alte Bauernleinen, Laken oder Tischdecken, die ich gebraucht kaufe, oder geschenkt bekommen.
Ich beobachte, dass Reduktion ein wichtiges, vielleicht sogar das wichtigste Element in Deiner Kunst zu sein scheint. Wenn dieses Element einen so wesentlichen Teil Deiner Arbeit ausmacht, dann hat dies vermutlich auch Auswirkungen auf Dich selbst als Person, als Künstlerin. Magst Du beschreiben, wie sich dies anfühlt?
Ich bin meiner reduzierten und minimalen Formensprache in allen Schaffensphasen treu geblieben, ich wechsele nur die Materialien. (Gips, Keramik, Papier, Hanf...) Immer auf der Suche nach neuen Texturen und Oberflächen und einer, wie ich es nenne, Minimalen Essenz. Eine starke Reduzierung auf den absoluten Kern. Ich habe schon in den ersten Semestern gemerkt, dass meine Arbeit für mich Ausdruck von Stille, Reduktion und wenig Geschichten sein muss. Meine Arbeit ist für mich ein Ort, an dem der Geist still sein kann.
Das hört sich wunderbar ein, ich denke der eine oder die andere würde sich einen solchen Zustand mitunter bei der eigenen Arbeit wünschen. Liebe Sophia, möchtest Du zum Abschluss vielleicht verraten, was genau wir beim LATC von Dir sehen und erfahren werden oder soll es – was völlig in Ordnung wäre - eine Überraschung bleiben?
Ihr werdet beim LATC einen Einblick in meine Arbeitsprozesse bekommen, ich werde Stoffe färben. Ihr könnt somit den gesamten Entstehungsprozess inklusive Endergebnis live verfolgen.
Danke Dir, Sophia – wir freuen uns auf Dich beim #LATC2023!
Mehr über Sophia Solaris:
www.sophiasolaris.com
www.lesslimitededitions.etsy.com
www.less-limitededitions.com
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