Der starke Mann ... Folge 208

Der starke Mann ... Folge 208

... oder "Nolle in causa est, non posse praetenditur!"

#WMIA
Podcast, 17. November 2020 um 05:30 Uhr in Interview mit Dr. h.c. Any Nemo von Kurt August Hermann Steffenhagen


Es scheint in den Genen der Menschen schon seit Steinzeitzeiten angelegt, dass sie Vertrauen in einen starken Mann haben.
Stärke ist dabei so definiert, dass derjenige stark ist, der am lautesten brüllt, breitbeinig dasteht, seine Stimmlage mindestens Bariton, lieber aber Bass, auf jeden Fall aber durchdringend ist und von den Körpermaßen alle anderen oft um einen halben Kopf überragt.

Ersatzweise kann die Körpergröße auch durch einen immer ernsten, mahnenden blutleeren Gesichtsausdruck - der Figur Nosferatu aus dem Film "Die Symphonie des Grauens" entlehnt - ersetzt werden. Neuerdings reichen auch mehrere Doktortitel, gekrönt von einer Professur.

Typisch für solche Gestalten der Zeitgeschichte und der Gegenwart ist die Wiederholung eingängiger Parolen wie beispielsweise "Haltet durch!" oder angemaßte hellseherische Fähigkeiten wie "Da kommt was auf uns zu ..." oder auch besänftigend "Wir werden das schaffen!"
Das ganze gepaart mit einem bedächtigen Schritt, der suggeriert, man solle gefälligst auf ihn warten. Könige und starke Männer laufen nicht.
Typisch ist auch, dass ihre Aussagen immer vage sind.

In der Hypnose nennt man das "vage-spezifisch", eine Form der Diktion, die durch alle Sperren des Verstandes läuft, weil sie mangels Substanz nicht angreifbar ist.
Weiteres Merkmal der vermeintlichen Stärke ist die ständige Wiederholung solcher Phrasen, getreu der uralten Erkenntnis, dass die Wahrheit nicht ein qualitatives Thema ist, sondern ein quantitatives.

Dr. Nemo, der CEO von WMIA, ist sich dessen bewusst und wendet diese Erkenntnis an.

Sein Pressesprecher, Professor Galleria, zu sehen auf sämtlichen TV-Kanälen, Teilnehmer in allen maßgeblichen Talkshows, Interviewpartner in vielen "Medical-Spezial"-Sendungen zur Prime Time, ist das Gesicht der Zeit.

WMIA hat ein Arzneimittel auf den Markt gebracht, dessen Nebenwirkung das übersteigt, was man an Vorteilen daraus ziehen könnte.

Nemo: "Professor Galleria hält uns die Stellung!"

Interviewer: "Warum machen Sie nicht eine Kehrtwende? Ihre Arznei ist doch schädlich ..."

Nemo: "Selbst wenn es so wäre, die Wissenschaftler haben da unterschiedliche Meinungen … wir können nicht mehr zurück!"

Interviewer: "Warum nicht?"

Nemo: "Auch wenn ein Rückzug ehrenvoll wäre, in der öffentlichen Meinung, bei den Massen wird er als Schwäche ausgelegt. Wir würden unser Gesicht verlieren."

Interviewer: "… und die Moral?"

Nemo: "Haben Sie Brecht gelesen?"

Interviewer: "Sie meinen, erst kommt das Fressen und dann die Moral?"

Nemo schmunzelt. "Gut erkannt!"

Interviewer: "Das ist ja fürchterlich!"

Nemo: "Das Leben ist kein Ponyhof!"

Interviewer: "Blablabla …!"

Nemo: "Unsere Marketingabteilung hat herausgefunden, dass die Masse unserer Kunden - die, mit denen wir Geld verdienen - lediglich zwischen richtig und falsch unterscheidet. Das Richtige sagt immer derjenige, der stark erscheint. Das ist Professor Galleria."

Nemo muss - wie meist - zum nächsten Termin.

Der Interviewer und Elvira sitzen in ihrer Lieblingstrattoria.

Interviewer: "Liebst Du starke Männer?"

Elvira: "Die Stärke eines Mannes liegt in seiner Fähigkeit, auch schwach zu werden … so wie Du gestern Abend …"

Wie stark oder wie schwach - wenn das denn überhaupt zählt - WMIA demnächst sein wird, erfahren wir - wie immer - am nächsten Dienstag …

 



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