Das menschliche Unternehmen - Folge 17

Das menschliche Unternehmen - Folge 17

Im Folgenden hören Sie die Mitschrift eines weiteren Interviews mit Dr. h.c. Any Nemo über WMIA Incorporated, das menschliche Unternehmen. Man liest viel über diesen Aspekt und Menschlichkeit drückt ja vom Gefühl, das dieses Wort vermittelt, eine gewisse Wärme aus. Die Vorstandsetage von WMIA, der Ort der Interviews, vermittelt jedenfalls eine gewisse Kühle, fast eine Sachlichkeit und eine irgendwie erdrückende, moderne Eleganz.

#WMIA
Podcast, 10. Juni 2018 um 15:15 Uhr in Interview mit Dr. h.c. Any Nemo von Kurt August Herrmann Steffenhagen


Die Worte der schönen Vorstandsassistentin Elvira letzte Woche auf dem Golfplatz klangen noch im Ohr des Interviewers. „So kalt ist die Atmosphäre doch eigentlich nicht bei WMIA Incorporated.“

„Mal sehen, was Dr. Nemo dazu sagt…“, dachte der Interviewer. Heute geht es um das Thema „Das menschliche Unternehmen“.

Man liest ja viel über diesen Aspekt und Menschlichkeit drückt ja vom Gefühl, das dieses Wort vermittelt, eine gewisse Wärme aus.
Die Vorstandsetage von WMIA, der Ort der Interviews vermittelt jedenfalls eine gewisse Kühle, fast eine Sachlichkeit und eine irgendwie erdrückende, moderne Eleganz.

„Wie geht’s, Herr Dr. Nemo“, fragt der Interviewer.

„I feel good!“, sagt Dr. Nemo.

Ungewöhnlich war heute seine Kleidung. Lässige Jeans, Poloshirt mit Hawaiimustern.

Nemo: „Wir begehen heute den Tag der Menschlichkeit, eine Kreation unseres Herrn Dr. Feelgood!“

Interviewer: „Was beinhaltet das?“

Nemo: „Heute ist die Hierarchie aufgehoben, alle duzen sich und auf den Chefsessel darf, wer will, jeder für 5 Minuten Platz nehmen. Der Firmenhubschrauber macht Rundflüge über unser Verwaltungsgelände und durch die Gänge schallt schunkelnde Volksmusik. Eben der Tag der Menschlichkeit, einmal im Jahr.“

Elvira schaut aus dem Fenster.

Nemo schaut den Interviewer erwartungsvoll an, so, als hätte er Beifall erwartet.

Der Interviewer hingegen fragt: „Glauben Sie wirklich, dass das ein Ausdruck von Menschlichkeit ist?“

Nemo knöpft den oberen Knopf seines Poloshirts zu.

Nemo: „Wenn Sie so fragen, natürlich nicht.“

Interviewer: „Was denken Sie sich dabei, was ist der Hintergrund?“

Nemo: „Kennen Sie den Ausdruck „Brot und Spiele“?“

Der Interviewer erinnert sich. Solche Veranstaltungen waren zu Zeiten des römischen Kaisers Trajan üblich, weil der meinte, dass das römische Volk sich insbesondere durch zwei Dinge, Brot und Spiele, im Bann halten lasse.

Nemo: „Das hat seinerzeit gut funktioniert. Wir machen das auch.“

Interviewer: „Ist das nicht ein bisschen sehr platt und nur ein Strohfeuer?“

Nemo: „Je platter wir mit dem Thema Menschlichkeit umgehen, desto wirkungsvoller ist es.“

Die mittlerweile klassische Bemerkung des Interviewers hierzu ist wieder: „Mmmmh.“

Interviewer: „Was meinen sie mit wirkungsvoll?“

Der Interviewer hat sich natürlich auf das Gespräch vorbereitet. Dabei machte er eine überraschende Entdeckung. Der Begriff „Menschlichkeit“ ist nicht definiert, er wandelt sich im Laufe der Zeit und hat unterschiedliche Aspekte, sogar je nachdem, auf welchem Teil des Planeten man sich gerade befindet.

Nemo: „Wirkungsvoll bedeutet, dass wir die Bedürfnisse von Menschen befriedigen.“

Interviewer: „Welche Bedürfnisse?“

Nemo: „Was die Bedürfnisse von Menschen sind, bestimmen wir als größtes Unternehmen der Welt.“

Interviewer: „Gibt es nicht immanente Bedürfnisse der Menschen wie das Bedürfnis nach Anerkennung?“

Der Interviewer meinte, jetzt endlich eine Trumpfkarte ausgespielt zu haben. Doch Dr. Nemo wäre nicht Dr. Nemo, der CEO von WMIA, wenn er nicht auch darauf eine Antwort hätte und zwar eine frappierende.

Nemo: „Das stimmt. Die einfachste Art und Weise, damit umzugehen, ohne die Interessen unseres Unternehmens zu vergessen, ist, dass wir dieses Bedürfnis befriedigen. Sie kennen doch den Satz: Wenn Du etwas nicht besiegen kannst, folge ihm einfach.“

Interviewer: „Wie meinen Sie das?“

Nemo: „Die preiswerteste Form der Anerkennung in unserem Unternehmen ist die Vergabe von Titeln. Hat eine irre Wirkung. Die etwas Teurere ist die Zuordnung unterschiedlicher Dienstwagen, gefolgt von der Größe des Büros, usw.“

Interviewer: „Na ja.“

Nemo: „Wir haben vom Umgang mit Babys gelernt. Wenn es schreit, bekommt es einen Schnuller und dann ist wieder Ruhe. Der Superschnuller ist der jährliche Tag der Menschlichkeit.“

Interviewer: „Kommen wir noch einmal auf die Bedürfnisse von Menschen zurück. Die können Sie doch nicht einfach so bestimmen.“

Eigentlich hätte bei dieser Frage die bezaubernde Assistentin Elvira vor Verlegenheit an ihrem Bleistift kauen müssen, tut sie aber nicht. Im Gegenteil, sie schaut Dr. Nemo fasziniert mit einem Anflug von Fassungslosigkeit an.

Nemo: „Ein Bedürfnis der Menschen ist beispielsweise das Bedürfnis nach Gesundheit. Stimmt’s?“

Der Interviewer nickt.

Nemo: „Wir bestimmen, was gesund ist. Ein Beispiel ist die gesunde Ernährung und damit im Zusammenhang ein gutes Aussehen. Wir propagieren die sogenannte gute Ernährung und das Idealgewicht, das wir festlegen. Dafür haben wir eine Supermarktkette, kennen Sie sicher, sie heißt „For ever young“ und weltweite Fitnessstudios. Wir verlegen Magazine, in denen unsere Ideen über Gesundheit beschrieben, na ja, um ehrlich zu sein, beworben werden. Mit großem Erfolg übrigens. Wir sponsern Sportereignisse wie z.B. Marathons. Wir dienen den Menschen, oder?“

Dem Interviewer fiel sein Papa ein, der nie Sport getrieben hat und seine letzte Zigarre mit vierundneunzig rauchte. Ein bisschen schlechtes Gewissen rührte sich auch. Seine Fitnessuhr piept ja jeden Morgen und er drückt das Signal meist weg. Elvira hat übrigens auch so ein Teil, in rosa.

Das Interview findet seinen Abschluss. Es gibt noch ein Glas grünen Smoothie, natürlich aus dem Hause WMIA Incorporated, der so richtig Tinte auf den Füller geben soll.

Im Hinausgehen, natürlich begleitet von Elvira, sieht der Interviewer im Vorzimmer des Vorstandsbüros ein Einweckglas, in dem ein grüner Frosch sitzt…

„Was hat es mit dem grünen Frosch auf sich?“, fragt er Elvira.

Elvira: “Über den reden wir mal nächsten Dienstag.“

Der Interviewer streifte noch die Wettervorhersage auf den Bildschirmen der Eingangshalle. Bislang kannte er nur den Wetterfrosch, sieht so aus, als gäbe es noch mehr Frösche bei WMIA Inc., jedenfalls hat er erstmal einen Frosch im Hals wie man im Deutschen so schön sagt.

Was er übrigens nicht bemerkt hatte, ist, dass der Frosch irgendwie nicht mehr lebendig schien … was das zu bedeuten hat, wird er schon herausfinden.

Also dann, bis nächsten Dienstag…“



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