48. Episode
Auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Supply-Chain Verständnis
Die ersten Schritte zu einer neuen Supply-Chain-Struktur sind getan, auch die Information darüber haben alle Mitarbeiter erhalten. Dass dies alleine jedoch nicht genügen wird, weiß Frank Weissenegger nur zu gut. Denn die Prägung aus einer über 45-jährigen Unternehmensgeschichte kann nicht einfach weggewischt und damit ungeschehen gemacht werden.
Zumal die ersten, initiierten Maßnahmen (siehe Episode 47) erst über einen längeren Zeitraum greifen und weitere jetzt noch folgen müssen.
Es sind zwar schon viele Mitarbeiter überzeugt von dem neuen eingeschlagenen Weg, aber längst noch sind nicht alle, oder zumindest die meisten, gewonnen. Möglicherweise können die ‚Betroffenen’ die Notwendigkeit dieser umfassenden Veränderungen noch nicht erfassen: dass die Einführung von funktions- bzw. unternehmensübergreifenden Prozessen für die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit und damit für die langfristige, wirtschaftliche Absicherung ihres Unternehmens erforderlich sein wird.
Doch Weissenegger kommt dazu eine Gedanke. Bernd Krauss und er sollten Situationen und Erlebnisse der letzten Monate zusammenfassen und diese an alle Mitarbeiter kommunizieren.
Denn neben den vielen kleineren Aspekten - wie beispielsweise die begonnene Team- und Projektarbeit bis hin zu den ProKICs (siehe Episode 43) - gibt es doch auch gerade die eher herausragenden ‚Ereignisse‘, die diese Notwendigkeit einer neuen Struktur verdeutlichen.
Zügig können Krauss Junior und Weissenegger am kommenden Tag im Rahmen des wöchentlichen Arbeitsmeetings am Flipchart einiges dazu zusammentragen. Denn nur zu gut erinnern sie sich an die Situation in der Krauss GmbH & Co. KG vor einem dreiviertel Jahr und die damaligen, ersten Maßnahmen:
- Der für die Krauss GmbH & Co. KG völlig unerwartete Wunsch nach einem deutlichen Bedarfsanstieg bei einem Pumpentyp der Fa. RomChim mit dem am Ende misslungenen Bankgespräch (siehe Episoden 3, 4).
- Das Audit der Firma YOHA. Hier wurden bereits zwei funktionsübergreifende Prozesse bemängelt: der Auftragsdurchlauf und die Reklamationsbearbeitung. Und genau der Auftragsdurchlaufprozess, der heute eine Grundlage für die neue SCM-Organisation bildet (siehe Episoden 9-10, 16-17).
- Ein besonderes Erlebnis für viele Mitarbeiter war im Sommer die Durchführung der Fabrik im Seminarraum. Die hat allen sehr deutlich vor Augen geführt, dass ein Unternehmen nie allein auf der Welt ist und sich stetig wandelnden Anforderungen stellen muss. Gleichzeitig wurde auch der Blick auf das Unternehmen als Ganzes - praktisch aus der Vogelperspektive - gerichtet und geschärft (siehe Episoden 20-22).
- Die Gespräche mit der Fa. RomChim zur Intensivierung der Zusammenarbeit und Kommunikation, um Bedarfe regelmäßig und zeitnah abzustimmen (siehe Episoden 36-37, 44).
An diesen kleinen und großen Begebenheiten - so erwarten Bernd und Frank insgeheim - werden hoffentlich viele Mitarbeiter die Potenziale erkennen, die diese Veränderungen mit sich bringen, um den eigenen Arbeitsplatz und das gesamte Unternehmen langfristig wettbewerbsfähig zu erhalten. Und dass die in der Vergangenheit häufigen Feuerwehraktionen nicht nachhaltig und nur auf den konkreten Anlass hin wirksam waren.
Eines ist ihnen aber auch nur zu klar: Sie sind gefordert, offene Ohren für mögliche persönliche Ängste der Mitarbeiter zu haben, um schnell darauf reagieren zu können. Darüber hinaus ist eine regelmäßige Kommunikation über die nächsten geplanten Schritte und die erzielten Ergebnisse in das gesamte Unternehmen hinein unerlässlich. Sie erklären das Thema Kommunikation zur Chefsache, welchem sich Bernd Krauss annehmen wird. Dafür soll es einmal im Quartal eine Betriebsversammlung geben und zwischendurch wird ein regelmäßiger Projektnewsletter verfasst, um alle Mitarbeiter über den aktuellen Stand zu informieren.
Darüber hinaus betrachten sich Bernd und Frank nochmals einzelne Prozessabläufe innerhalb der neuen SCM – Struktur. Hierbei wird offenkundig, dass Peter Baumgartner als unternehmensweiter Prozessverantwortlicher zusammen mit seinem Team sowie den weiteren beteiligten Funktionen den Auftragsbearbeitungsprozess inhaltlich unter den sich inzwischen veränderten Strukturen im Unternehmen noch einmal zu überprüfen und anzupassen hat. Auch wenn dieser Prozess praktisch das Rückgrat des Unternehmens darstellt, ist er doch klar operativ fokussiert und rein reaktiv. Eine Bestellung kommt rein und wird abgearbeitet. Die Liefertreue wird inzwischen zwar schon nach dem kürzlich überarbeiteten Verfahren ermittelt (siehe Episode 35), doch sind die aktuellen Werte für Krauss Junior und Weissenegger noch nicht zufrieden stellend.
Hier besteht weiterer Verbesserungsbedarf, insbesondere bei der korrekten Systemnutzung. Was bedeutet, dass die Überarbeitung des Auftragsbearbeitungsprozesses ein Muss ist, um einen validen Ist-Zustand zu erreichen!
Auch mit der Frage, wie es um die zukünftige Geschäftsentwicklung bestellt ist, beschäftigen sich Bernd Krauss und Frank Weissenegger intensiv.
Aus finanzieller Sicht heraus werden, wie häufig üblich schon zur Jahresmitte des Vorjahres, Jahrespläne aufgestellt und im aktuellen Geschäftsjahr ggf. angepasst. Doch erkennen sie, dass eine klare Zuordnung auf Artikelebene fehlt und somit eine solide Aussage zu den benötigten Produktionskapazitäten nicht gegeben ist (s.o. Bedarfsanstieg bei einem Pumpentyp der Firma RomChim). Ein geeigneter Planungsprozess wie beispielsweise ein monatlich rollierender S&OP-Prozess (Sales & Operations Planning) müsste entwickelt werden, um diese Lücken zu schließen. Ein S&OP-Prozess jedoch, der neben den Grundlagen für eine effektive Planung und Steuerung ganzheitlich das gesamte Unternehmen einbindet und von einer reaktiven zu einer proaktiven Kultur führt.
Beide sind sich aber auch im Klaren, dass die rein technisch-organisatorische Implementierung eines solchen Planungsprozesses jedoch nur die eine Seite ist. Die Einbeziehung der Prozessbeteiligten und damit der Mitarbeiter ist allerdings eine ganz andere. Zumal von diesen neben ihren fachlichen Fähigkeiten noch weitere Kompetenzen wie Führungs- und Teamfähigkeit gefragt sein werden.
Und gerade Bernd Krauss ist sich bewusst darüber, dass diese in der Vergangenheit nur wenig ausgeprägt oder gar unterdrückt waren. Und somit auch hier umgehender Handlungsbedarf besteht …
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