Über die Zähmung von autokratischen Organisationen
Der VW-Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh forderte im vergangenen Jahr, dass sich nicht nur die Struktur, sondern auch die Führungskultur des Wolfsburger Autokonzerns ändern muss. Man brauche ein Klima, in dem Probleme nicht versteckt, sondern offen an Vorgesetzte kommuniziert werden.
„Wie wahr“, kommentierte FAZ-Redakteur Carsten Knop. Wahr sei darüber hinaus, dass auch Osterloh Teil eines Systems war, das exakt die Kultur hat entstehen lassen, die er nun kritisiert.
„Winterkorn hatte einen Hofstaat von Menschen um sich, die von seiner Karriere abhingen. Osterloh gehört dazu. Insofern sagt Osterloh zwar das Richtige, doch sollten seine Kollegen bei der IG Metall darüber nachdenken, ob nicht auch ihr Spitzenvertreter im Hause Platz für einen Neuanfang machen sollte“, fordert Knop und trifft ins Schwarze.
Mythos des allwissenden Entscheiders
Welche Management-Kompetenzen sind heute wichtig? Mitnichten die Macho-Sprüche von Freenet-Chef Christoph Vilanek, der im Interview mit der Süddeutschen Zeitung den allwissenden Entscheider auf der Chefetage simulierte. Sätze wie „Das ist mit allen abgestimmt“ lösen bei ihm körperliche Beschwerden aus. Etwa mehr Harndrang? Egal. Er glaubt, dass das ganze Gefasel von Teambildung nicht „mehr“ funktioniert. „Das stammt aus einer Zeit, in der Mitarbeiter deutlich breitere Aufgabenfelder hatten. Inzwischen sind alle Spezialisten. Wir überfordern die Menschen maßlos damit, einzuschätzen, welche Auswirkung eine fachlich richtige Entscheidung in einem Bereich auf alle anderen Bereiche hat. Diesen Überblick muss derjenige haben, der auch die Führungsverantwortung hat. Deshalb muss ein Manager heute autokratischer führen als vor 15 Jahren“, glaubt Vilanek.
Ein BWL-Sprücheklopfer aus dem Bilderbuch, der wahrscheinlich breitbeinig den Redakteuren erklärte, warum er Porsche fährt und warum er vor seiner Managerkarriere als 27jähriger auch schon Porsche gefahren ist. Solche Sympathieträger sind mir auch bei meinem VWL-Studium an der FU Berlin über den Weg gelaufen – es waren meistens Betriebswirte, die mit schnellen Wagen unterwegs waren und am Freitag schon das Surfbrett aufs Dach schnürten. Sicher ein Klischee, aber bei manchen Zeitgenossen eben doch kein Klischee.
Schönwetter-Weisheiten
Wäre Vilanek ein guter VW-Krisenmanager? Weit gefehlt. Er wäre genauso in die Affäre hinein gestolpert wie das autokratische Winterkorn-Regiment. Testosterongesteuerte Schönwetter-Chefs, die bei Gegenwind zu Zwergen schrumpfen und dümmliche Ehrenwort-Pressestatements vom Teleprompter ablesen.
Wer fachliche Entscheidungen und deren Auswirkungen nicht transparent diskutiert, beitreibt Seilschaften-Politik und demontiert nötige Gegengewichte, um Fehlentscheidungen zu minimieren. „Ein Despot wie Piëch und seine despotischen Vasallen Winterkorn et al produzieren eine Kultur kalter Gier und Macht“, kommentierte Personal-Experte Thomas Sattelberger auf Twitter.
Alleinherrscher erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Fehlentscheidungen. In Anlehnung an den Philosophen Karl Popper könnte man auch sagen: Es kommt darauf an, Institutionen so zu organisieren, dass es schlechten oder inkompetenten Herrschern unmöglich ist, allzu großen Schaden anzurichten. Das gilt für Demokratien, für Unternehmen und für sonstige Organisationen. Besonders in einer Zeit, wo selbst Produkte mit der Außenwelt vernetzt sind. Dort würde die Digitalisierung jene Zusammenarbeit erzwingen, die der Gewerkschafter Osterloh bei VW einfordert.
Geschlossene Kaste
„Aber auch hier scheint es bei Volkswagen erhebliche Defizite zu geben. Wenn im Konzern die Transparenz herrschte, die moderne IT möglich macht, müsste man sich nicht darüber streiten, wann die Information eines Mitarbeiters über das Softwareproblem an einen Chef der Motorenentwicklung und danach vielleicht an den Vorstandsvorsitzenden weitergegeben worden ist. Man wüsste es einfach“, schreibt FAZ-Redakteur Knop.
Die geschlossenen Kasten der Wirtschaftselite müssen durchbrochen werden, fordert der ehemalige Telekom-Personalvorstand Sattelberger. Durch Innen- und Außendruck.
Schaubilder und Beraterweisheiten helfen da nicht weiter. Es geht um eine politische Dimension und um ein besseres Regelwerk für Institutionen.
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