Auto-Branche in der Nach-Lopez-Ära
Erst lähmt die Dieselaffäre weite Teile des Volkswagen-Konzerns. Und jetzt gelingt es einem Zulieferer auch noch, die Golf-Produktion in Wolfsburg und die Passat-Fertigung in Emden lahm zu legen. Die Krise wird bei dem Wolfsburger Autobauer zum Dauerzustand.
Auto-Branche in der Nach-Lopez-Ära
„Working together to win“ war eine der zentralen Botschaften des baskischen Topmanagers José Ignacio Lòpez de Arriortúa. In der Öffentlichkeit reduzierte man den früheren GM- und VW-Manager auf das Image des gnadenlosen Kostenkillers, der vor allem die Zuliefererindustrie auspresste, wie eine Zitrone. Vor einiger Zeit habe ich dazu eine Story geschrieben und Insider der Branche befragt. Tenor: Der Kosten- und Wettbewerbsdruck in der Nach-Lopez-Ära hat sich dramatisch verschärft und führt zu einer Konzentration bei den Zulieferern und den Konzernen der Automobilindustrie. „Unternehmen wie DaimlerChrysler oder Ford verfolgen eine globale Strategie mit entsprechenden Auswirkungen auf die Zulieferer. Wenn wir 1st-tier-supplier bleiben wollen, müssen wir uns ebenfalls stärker weltweit positionieren. Nur wenige Zulieferer sind in der Lage, diesem globalen Anspruch gerecht zu werden“, so der Geschäftsführer eines Zulieferers.
Die Zahl der direkten Zulieferer werde mit Sicherheit deutlich abnehmen. Man müsse in der Lage sein, ein Frontend nicht nur in Europa, sondern auch in anderen Weltregionen herzustellen: „Und das heißt, man muss ein internationales Netzwerk mit dem entsprechenden Lieferanten-Management aufbauen. Das ist eine unverzichtbare Voraussetzung, um modulare Systeme und die notwendige Integration zu realisieren.“ Autokonzerne konzentrieren sich vor allem auf den Verkauf und den Service rund ums Auto. Dazu zählen Bankgeschäfte, Versicherungen und das Leasinggeschäft. Den Rest drücken sie weg an die Lieferanten, die immer mehr finanzielle Risiken stemmen müssen. Ein radikaler Wandel der Branche ergibt sich auch aus der Reduzierung der Neuentwicklungszeiten. Früher lag der Lebenszyklus eines Fahrzeugs bei sieben bis acht Jahren.
Mittlerweile kommt ein Facelift im Schnitt nach drei bis vier Jahren. Hinzu kommt noch, dass Zulieferer in einer wesentlich kürzeren Entwicklungszeit immer wieder mit Änderungswünschen des Kunden konfrontiert werden. Um adäquat darauf reagieren zu können, müssen die beauftragten Unternehmen in der Entwicklungsphase wesentlich mehr Ressourcen zur Verfügung stellen. Zudem verschärfen sich die Bedingungen für neue Aufträge, die von den Konzernen diktiert werden. Das nennt sich dann „Target Cost Squeeze”: Da werden Lieferanten bei neuen Aufträgen nur berücksichtigt, wenn sie osteuropäische Löhne als Kalkulationsbasis zu Grunde legen.
“Zusätzlich fordern Firmen wie VW sogenannte Quick Savings, das sind sofort fällige Preisreduzierungen auf das bestehende Geschäft in Höhe von fünf Prozent als Gegenleistung für den Erhalt eines neuen Auftrages. Häufig ist es dann so, dass das Bestandsgeschäft noch in Deutschland produziert wird und hier der Nachlass gegeben wird, auch wenn die Produktion später in einem Low Cost Standort erfolgt. Bei jedem neuen Auftrag sinkt die Umsatzrendite im Altstandort immer weiter. Des Weiteren müssen vier Jahre lang je fünf Prozent an Preisreduktion zugesichert werden. Dieser Preisnachlass lässt sich durch Produktivitätssteigerung nur noch in den Low Cost-Standorten darstellen, da in Deutschland die meisten Abläufe bereits automatisiert wurden. Aufgrund des hohen Kostendrucks werden zusätzlich ganze Entwicklungsaufträge in Niedrigstandorte verlegt. In Indien arbeitet ein CAD-Entwicklungsingenieur für rund fünf Prozent des deutschen Gehaltsniveaus und zusätzlich ohne Arbeitszeitbegrenzung. Darüber hinaus erfolgt die Produktion der meisten Werkzeuge und Maschinen ohnehin schon in Asien”, sagt der Automobil-Kenner Thomas Meichsner. Mit einem Lohnkosten-Unterschied von rund 40 Euro in Deutschland und vier bis sechs Euro in den osteuropäischen Ländern, werden ganz sicher immer mehr Industriearbeitsplätze in Niedriglohnländer verlagert. Die Milliarden, die VW an Kosten für die Abgasmanipulationen zu tragen hat, wird das Unternehmen auf viele Schultern verteilen.
Die Zulieferer bekommen das über den erhöhten Verhandlungsdruck bei Neuaufträgen zu spüren – ganz ohne Lopez.
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