Job Transfer Training – Teil 5: Job Transfers nachhaltig verankern: Warum Führungskräfte den Unterschied machen – und wie Unternehmenskultur dabei wirkt

Job Transfer Training – Teil 5: Job Transfers nachhaltig verankern: Warum Führungskräfte den Unterschied machen – und wie Unternehmenskultur dabei wirkt

In den vorangegangenen Artikeln dieser Serie ging es um den grundlegenden Umgang mit Übergabesituationen, die Arbeitsprinzipien von Job Transfers sowie die konkrete Vier-Schritte-Methode in den fünf Modulen des Job Transfer Trainings. Im letzten Beitrag standen typische Praxisaspekte im Mittelpunkt, etwa die Herausforderungen beim Überwinden von Betriebsblindheit oder dem Rückgriff auf reines Bauchgefühl.

Jetzt folgt ein Blick auf eine übergeordnete Dimension: die nachhaltige Verankerung von Job Transfers im betrieblichen Alltag. Zentral dabei sind zwei Themenfelder: die Rolle der Führungskräfte und der Einfluss der gelebten Unternehmenskultur.

30. Mai 2025 um 04:30 Uhr von Götz Müller
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Denn ob ein einmal angestoßener Transferprozess Bestand hat – oder beim nächsten Engpass wieder versandet – entscheidet sich selten auf der operativen Ebene allein. Es sind Führung und Kultur, die den Unterschied machen.

1. Nachhaltigkeit beginnt nicht beim Ruhestand – sondern beim Eintritt

In vielen Betrieben – ob im Handwerk, in der Produktion oder in der Instandhaltung – wird der Wissenstransfer oft zu spät gestartet. Meist erst dann, wenn der Abschied eines Leistungsträgers unmittelbar bevorsteht. Dabei liegt der Schlüssel zur Nachhaltigkeit nicht im reaktiven Sichern von Wissen, sondern im kontinuierlichen Umgang mit Erfahrungsweitergabe.

Beispiel Baugewerbe: Ein junger Bauleiter beginnt gerade, Verantwortung für kleinere Baustellen zu übernehmen. Statt ihm nur technische Unterlagen und kurze Einweisungen mitzugeben, wird er gezielt einem erfahrenen Kollegen zur Seite gestellt – mit klar definierten Transferzielen und Lernaufträgen. Der Wissenstransfer wird hier nicht als Extra, sondern als Teil des Onboardings verstanden.

Übertragbar ist dieser Ansatz auf alle Branchen mit hoher operativer Prägung. Entscheidend ist die bewusste Entscheidung, Wissenstransfer nicht als Ausnahmefall, sondern als Bestandteil des Normalbetriebs zu begreifen.

2. Führung als Ermöglicher und Multiplikator

Nachhaltigkeit im Job Transfer ist keine Selbstläuferin. Sie braucht Führungskräfte, die Rahmenbedingungen schaffen: Zeitfenster, Prioritäten, Ressourcen. Vor allem aber braucht sie Führungskräfte, die bewusst Transferprozesse initiieren, begleiten und nachhalten – ohne sich dabei selbst in den Vordergrund zu stellen.

Ein Beispiel aus der Karosserie & Lack-Branche: Der Werkstattverantwortliche eines mittelgroßen Betriebs erkennt, dass ein erfahrener Lackierer bald in Teilzeit gehen möchte. Statt das Thema an HR zu delegieren, führt er selbst mit seinem Team ein Transfergespräch, identifiziert geeignete Nachfolger und setzt einen 6-Wochen-Zyklus für begleitete Arbeitsphasen auf. Parallel wird ein interner Wissensleitfaden über spezielle Lacktechniken erstellt.

Die Führungskraft ist hier kein „Kontrolleur“, sondern aktiver Möglichmacher. Sie nimmt ihren Einfluss ernst – und denkt in Wirkung, nicht in Aufwand.

3. Systematisierung vs. Vertrauen: Wie viel Struktur braucht nachhaltiger Wissenstransfer?

Eine oft gestellte Frage: „Wie viel Struktur ist nötig, ohne alles zu überorganisieren?“ Die Antwort: So viel wie nötig – und so wenig wie möglich.

Ein nachhaltiger Transferprozess profitiert von klaren Formaten: z. B. einem Vier-Schritte-Modell, regelmäßigen Lernfeedbacks, einer standardisierten Dokumentation. Diese Struktur gibt Sicherheit, Orientierung und Nachvollziehbarkeit – für alle Beteiligten.

Gleichzeitig braucht es Vertrauen. Nicht jede Erfahrung muss verschriftlicht, nicht jede Handlung exakt beschrieben werden. Besonders wirkungsvoll sind kollegiale Lernformate: Peer-Learnings, Tandems, Lerntagebücher oder kurze Review-Runden nach erfolgten Transfers.

Auch in industriellen Fertigungsbetrieben bieten sich dafür Chancen: z. B. durch zehnminütige Rückblicke nach Schichtwechseln, bei denen Mitarbeitende ihre Erkenntnisse oder Stolpersteine gezielt weitergeben. Kein Dokumentationsaufwand – aber große Wirkung durch konsequente Kommunikation.

4. Gelebte Unternehmenskultur: Was den Transfer unterstützt oder verhindert

Struktur hilft – aber Kultur entscheidet. Die besten Prozesse scheitern, wenn im Betrieb eine Kultur der Vermeidung herrscht. Aussagen wie:

  • „Ich hab das schon oft gesagt – keiner hört hin“
  • „Für sowas hab' ich keine Zeit“
  • „Wissen ist Macht – das behalt ich lieber für mich“

sind kulturelle Warnsignale. Sie verhindern nachhaltigen Transfer, selbst wenn Methoden und Tools bereitstehen.

Auf der anderen Seite wirkt eine förderliche Kultur wie ein Katalysator. Betriebe, in denen Lernen als Teil des Alltags verstanden wird, in denen Wissen teilen als Stärke gilt, in denen Fehler besprochen werden dürfen – diese Betriebe sichern Wissen auf natürliche Weise.

Ein Beispiel aus einem Bauunternehmen: Dort wird jede abgeschlossene Baustelle mit einem 30-minütigen Erfahrungsreview beendet – unter Beteiligung aller Beteiligten. Die Ergebnisse fließen in eine zentrale Transferdatenbank ein und stehen neuen Projektleitern zur Verfügung. Die Kultur ist hier: Teilen statt Schweigen.

5. Der blinde Fleck der Leistungsträger

Ein oft übersehener Aspekt: die Selbstwahrnehmung erfahrener Fachkräfte. Viele identifizieren sich stark mit ihrer Expertise – und empfinden sie als Teil ihrer persönlichen Leistung. Nicht selten entsteht so eine unbewusste Blockade: „Ich kann das sowieso nur so machen – das lässt sich nicht übertragen.“

Führungskräfte sind hier besonders gefragt. Sie müssen diesen blinden Fleck erkennen – und auflösen. Mit Wertschätzung, nicht mit Druck. Impulse wie:

  • „Was müsste jemand wissen, um dich in einer Urlaubswoche zu vertreten?“
  • „Was hat dich früher an diesem Job besonders herausgefordert?“
  • „Was wären zwei typische Fehler, die ein Anfänger hier machen würde?“

helfen, Denkprozesse anzustoßen und die Bereitschaft zum Teilen zu erhöhen. Entscheidend ist: Der Transfer wird nicht als Ersatz, sondern als Erweiterung des eigenen Wirkens verstanden.

6. Transfer als Führungsaufgabe im Tagesgeschäft

Nachhaltige Transfers funktionieren nicht als Sonderveranstaltungen. Sie brauchen Verankerung im Alltag – in Routinen, Systemen, Gesprächsformaten.

Beispiele aus der Praxis:

  • In einem Fertigungsunternehmen wird im täglichen Shopfloor-Meeting eine Wissensfrage gestellt – etwa: „Was würdet ihr tun, wenn Maschine X plötzlich diese Störung zeigt?“
  • In einem Lackierbetrieb gibt es eine monatliche „Fehler-Review“-Runde, in der gemeinsam Ursachen analysiert und Lösungen dokumentiert werden – explizit mit dem Ziel, Erfahrungswissen zu sichern.
  • In einem Bauunternehmen sind Wissensampeln Teil der Projektplanung: Rot = keine Nachfolge geregelt, Gelb = Übergabe läuft, Grün = Transfer abgeschlossen.

Diese kleinen Elemente wirken – wenn sie regelmäßig stattfinden und von der Führung mitgetragen werden. Es sind keine Zusatzaufgaben, sondern Bestandteile guter Führung.

7. Von der Einzelmaßnahme zur strategischen Initiative

Schließlich braucht nachhaltiger Job Transfer strategische Verankerung. Einzelne Maßnahmen helfen – aber erst die Verbindung mit Unternehmensentwicklung, Personalstrategie und Prozessdenken macht daraus eine langfristig wirksame Initiative.

  • HR kann gezielt Entwicklungspläne mit Wissenstransfer-Aufgaben verknüpfen.
  • Die Produktionsleitung kann LPA-Systeme nutzen, um Transfer-Aspekte zu integrieren und zur Routine und Gewohnheit machen.
  • Das Controlling kann Kennzahlen zur Wissensweitergabe erheben (z. B. Dauer der Einarbeitung, Anzahl der aktiven Tandems, Fehlerhäufung bei Übergaben).

Wichtig ist: Es braucht ein gemeinsames Verständnis über alle Ebenen hinweg. Wissenssicherung ist kein HR-Thema. Kein Führungsthema. Kein Produktionsthema. Es ist ein Organisationsthema.

Fazit: Nachhaltigkeit entsteht aus Haltung, nicht aus Maßnahmen

  • Nachhaltige Job Transfers gelingen, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind:
    Die Führung nimmt ihre Rolle als Ermöglicher ernst.
  • Die Kultur im Unternehmen fördert Offenheit und Lernbereitschaft.
  • Strukturen und Routinen sorgen für Verlässlichkeit im Prozess.

Die Methodik – etwa die Vier-Schritte-Methode oder die Module des Job Transfer Trainings – bietet das Werkzeug. Die Menschen im Unternehmen entscheiden über die Wirkung.

Und genau darin liegt der entscheidende Hebel: Wer nachhaltig sichern will, muss nachhaltig führen.



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