Multi-Vari-Diagramm – wenn Variation ein Gesicht bekommt

Multi-Vari-Diagramm – wenn Variation ein Gesicht bekommt

Warum wir darüber sprechen sollten...

Probleme in Prozessen haben oft viele Gesichter – manche sind offensichtlich, andere verstecken sich gut. Das Multi-Vari-Diagramm macht diese verborgene Variation sichtbar: Es zeigt, wo im Prozess die Streuung herkommt und wie stark sie ist. Statt sich auf Bauchgefühl zu verlassen, schafft es ein klares Bild – in einer einzigen, kompakten Darstellung.

Autor: Steffen Silbermann

27. Oktober 2025 um 04:30 Uhr von European Six Sigma Club Deutschland e. V.
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1. Multi-Vari-Diagramm – einfach erklärt

Ein Multi-Vari-Diagramm ist ein grafisches Werkzeug, das Messwerte aus einem Prozess so darstellt, dass man drei Arten von Variation sofort erkennen kann:

  1. Zwischen den Gruppen (z. B. zwischen verschiedenen Maschinen, Schichten oder Standorten)
  2. Innerhalb einer Gruppe (z. B. zwischen Teilen einer Schicht oder Auftragsserie)
  3. Zeitliche Variation (z. B. von Tag zu Tag oder Auftrag zu Auftrag – bei entsprechender Datendarstellung)

Jeder Messpunkt wird nach seiner Entstehungs-Reihenfolge und Zugehörigkeit zu einer Gruppe geplottet. Das Ergebnis ist ein „Profil“ der Variation über verschiedene Ebenen hinweg.

Kurzer Hintergrund: Das Multi-Vari-Diagramm geht auf den Qualitätsingenieur Dorian Shainin zurück, der es in den 1960er-Jahren entwickelte, um Variation in Prozessen schnell sichtbar zu machen. Heute ist es fester Bestandteil der Six-Sigma-Werkzeugkiste und wird weltweit eingesetzt, wenn es darum geht, die Quellen von Prozessschwankungen zu identifizieren.

2. Wozu ist das nützlich?

Ein Multi-Vari-Diagramm hilft, Variation gezielt zurückzuverfolgen – und damit auch, mit Verbesserungen am richtigen Punkt anzusetzen:

  • Ursachen lokalisieren – zeigt, ob das Problem von einer bestimmten Maschine, Schicht oder Zeit abhängt.
  • Prioritäten setzen – verhindert, dass Verbesserungsmaßnahmen im falschen Prozessabschnitt ansetzen.
  • Veränderungen überprüfen – macht sichtbar, ob eine Maßnahme die Streuung dort verringert, wo sie entstehen sollte.

Kurz gesagt: Es spart Zeit und Ressourcen, weil man schneller weiß, wo man graben muss.

3. Voraussetzungen für sinnvolle Ergebnisse

Damit das Multi-Vari-Diagramm aussagekräftig wird, sollten:

  • Genug Daten vorhanden sein, um Unterschiede zwischen Gruppen und innerhalb von Gruppen sichtbar zu machen.
  • Proben planvoll genommen werden – zufällige oder unstrukturierte Messungen verzerren häufig das Bild.
  • Die Gruppierung klar definiert sein – z. B. „Maschine A vs. Maschine B“ oder „Frühschicht vs. Spätschicht“.

4. Ein griffiges Beispiel aus der Praxis

Ein Unternehmen stellt Präzisionshülsen her. Es gibt drei Maschinen (M1, M2, M3) und zwei Schichten pro Tag. Die Qualitätssicherung misst für jede Maschine in jeder Schicht fünf Teile hintereinander.

Das Multi-Vari-Diagramm zeigt:

  • Zwischen den Maschinen: M2 produziert in beiden Schichten größere Durchmesser als M1 und M3.
  • Innerhalb der Maschinen: In den Messreihen von M2 ist die Streuung innerhalb einer Schicht deutlich größer als bei M1 oder M3.
  • Zwischen den Schichten: In der Spätschicht sind die Durchmesser im Schnitt etwas niedriger als in der Frühschicht.

Interpretation:

  • Hauptursache für Variation: Unterschiede zwischen den drei Maschinen.
  • Zweite Ursache: Hohe Streuung innerhalb der Schichten – insbesondere bei M2 (z. B. durch Erwärmung der Maschine oder Verschleiß von Werkzeugen).
  • Nächster Schritt: Maschine M2 prüfen (Werkzeuge, Einstellungen, Temperatur) und Schichtübergaben bei M1 genauer analysieren, da Spätschicht niedrigere Werte hat als Frühschicht.

5. Von den Daten zur Maßnahme

  1. Daten strukturieren – Welche Gruppen? Welche Messreihen?
  2. Diagramm erstellen – Punkte in Reihenfolge, Gruppen farblich oder durch Markierungen unterscheiden.
  3. Variation lesen – Unterschiede zwischen Gruppen, innerhalb der Gruppen und über die Zeit erkennen.
  4. Maßnahmen ableiten – am stärksten variierende Quelle zuerst angehen.
  5. Nachmessen – prüfen, ob die Variation an der Quelle tatsächlich reduziert wurde.

6. Fazit – Wenn Variation einen Namen bekommt

Das Multi-Vari-Diagramm ist ein Sichtbarmacher:

  • Es trennt gefühlte Probleme von messbaren Ursachen.
  • Es zeigt klar, wo im Prozess die Variation entsteht.
  • Es unterstützt gezieltes Handeln, statt blind überall gleichzeitig anzusetzen.

Wer Prozesse verbessern will, muss nicht nur wissen, dass Variation existiert, sondern auch wo sie entsteht. Das Multi-Vari-Diagramm liefert genau diese Antwort – schnell, klar und visuell.

 



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