Alte Strategieprozesse, neue Herausforderungen: als Organisation in der Dynamik überleben

Alte Strategieprozesse, neue Herausforderungen: als Organisation in der Dynamik überleben

Strategieprozesse, wie wir sie kennen, sind ein Auslaufmodell. Wir bauen Luftschlösser mit Jahreszielen, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt sind, weil sich die Welt verändert, bevor der erste Sprint beginnt. Und doch halten viele Organisationen krampfhaft an fünfjährigen Strategieplänen, PowerPoint-Schlachten und überladenen Organigrammen fest. Dabei ist längst klar: Mit den Werkzeugen und Denkweisen von gestern lösen wir keine Probleme von morgen. Was wir brauchen, ist eine radikale Neuausrichtung. Eine Strategie, die atmet. Die sich bewegt. Die zur Dynamik unserer Welt passt. Und ein neues Verständnis davon, was es heisst, Strategin oder Stratege zu sein.

23. Juni 2025 um 04:30 Uhr von Roman P. Büchler
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Prinzip statt Powerpoint

Strategisches Management war lange das Spielfeld klassischer Führung. Doch wer heute Strategiearbeit betreibt wie im letzten Jahrhundert, bleibt in alten Denkmustern gefangen. Es braucht keine weiteren Tools oder Templates, sondern ein neues Denken in Prinzipien. Nicht, weil Tools unnütz wären. Vielmehr weil sie ohne klares Ziel, ohne echte Auseinandersetzung mit dem Warum, einfach nur Leerlauf produzieren.
 
Strateginnen und Strategen sind keine Planer, sie sind Könner. Menschen, die sich souverän in einer dynamischen Welt bewegen und deren Handlungsfähigkeit nicht von statischen Systemen abhängt. Sie denken nicht in Fünfjahresplänen, sondern in Möglichkeitsräumen. Sie definieren klare Prinzipien für das, was vermieden werden muss und eröffnen dadurch Raum für Neues. Strategie wird zur Kunst des Weglassens, nicht des Draufpackens.

Von der Strasse ins Unternehmen, weil Praxis Theorie schlägt

Viele der heute wirksamsten Strateginnen und Strategen sind keine akademischen Masterminds, es sind strassenschlaue Praktikerinnen und Praktiker. Ihr Wissen speist sich nicht aus Lehrbüchern, sie ziehen es aus Erfahrungen, Irrtümern und stetigem Lernen. Und genau diese Art von Wissen wird in Organisationen oft übergangen, weil sie sich schwer in standardisierte Modelle pressen lässt. Doch es ist nun mal genau dieses Erfahrungswissen, das in dynamischen Kontexten überlebenswichtig ist. Theorie hilft in stabilen Umfeldern. Können hilft in komplexen, unsicheren, volatilen Situationen. Genau deshalb brauchen wir heute Strategien, die nicht nur durchdacht, sondern durchlebt sind. Und entwickelt von denen, die täglich mit Veränderung umgehen.

Das neue Denken: Strategie als Weg, nicht als Plan

Die klassische Annahme: Strategie sei ein Plan, der vom Ist-Zustand zum Soll-Zustand führt. In einer planbaren Welt mag das funktionieren. Doch heute ist der Weg zum Ziel nicht mehr klar, oft nicht einmal das Ziel selbst. Was bleibt, ist die Orientierung an einem sinnstiftenden Zielbild und an Prinzipien, die in unbekanntem Terrain als Leitplanken dienen. Ich verstehe Strategie deshalb zunehmend als Handlungsraum, nicht als Handlungsvorgabe, und möchte gerne andere dazu ermutigen, dies auch zu tun. Innerhalb dieses Raums braucht es Vertrauen, Kompetenz und eine Kultur, die Irrtümer als Erkenntnisquelle nutzt. Nur so können Organisationen mit hoher Dynamik tatsächlich und nachhaltig wachsen.

Der agile Strategieprozess: Struktur für dynamische Zeiten

Mit dem von mir adaptierten agilen Strategieprozess nach Silvie Löffler entsteht ein Modell, das diesen Herausforderungen gerecht wird. An die Stelle eines fixen Masterplans tritt ein wiederholbarer Zyklus aus Strategie-Sprints: flexibel, fokussiert und iterativ. Er folgt folgenden Grundlagen:

  • Strategische Initiativen werden aus Vision und Zielbild abgeleitet und priorisiert.
  • Im Sprint Backlog sammeln sich die Vorhaben für die nächste Umsetzungsphase.
  • Das Planning definiert Massnahmen, Verantwortlichkeiten und Budgets.
  • Zweiwöchentliche Stand-ups sichern die Umsetzung im Tagesgeschäft.
  • Im Review reflektieren die Verantwortlichen selbstkritisch den Fortschritt.
  • Die Retrospektive beleuchtet Prozesse und Zusammenarbeit.
  • Das Strategiemeeting setzt alle Erkenntnisse in die Planung des nächsten Sprints um.

Ein solcher Zyklus dauert drei bis vier Monate. Das ist kurz genug, um agil zu bleiben, und lang genug, um Wirkung zu entfalten.

Von der Vision zur Gewohnheit: Strategie als tägliche Praxis

Echte Transformation entsteht nicht durch Ziele allein. Es braucht vor allem Systeme und Routinen. Genau das beschreibt James Clear in «Atomic Habits»: Es sind nicht die grossen Visionen, sondern die täglichen Gewohnheiten, die nachhaltige Veränderungen bringen. Ein Ziel gibt Orientierung. Das System bringt Ergebnisse. Deshalb ist der agile Strategieprozess neben einem methodischen Framework vor allem ein Paradigmenwechsel. Weg vom Ausnahmezustand Strategie-Workshop, hin zur täglichen, bewussten Auseinandersetzung mit Richtung, Fortschritt und Sinn. Alle 14 Tage. Nicht alle fünf Jahre.

Strategiearbeit ist Führungsarbeit – immer

Ich fasse zusammen: Die Zukunft verlangt keine Strategien aus der Retorte. Sie schreit nach neuen Gewohnheiten, Prinzipien und Mut zur Unsicherheit. Wer sich heute als Leader versteht, muss Strategie als Teil des Tagesgeschäfts begreifen. Als wiederkehrenden Denkraum, nicht als fertigen Plan. Als Einladung zur kollektiven Gestaltung, nicht als elitäres Top-down-Konstrukt. Nur so wird aus Strategie wieder das, was sie sein sollte: eine gemeinsame Reise durch unbekanntes Gelände, mit einem klaren Zielbild vor Augen, aber offen genug, um neue Wege zu entdecken. Immer wieder neu. Immer wieder wirksam.
 
In meinem Buch: «Die neue Leadership-DNA: Prinzipien für einen radikalen Umbau der Führung» erhaltet ihr viele Impulse, wie die Führung sich transformieren kann und sich schon heute für morgen ausrichtet.



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