
How to eat an elephant… eine Bemerkung an die Naivität im Umgang mit Kaizen
Um es vorwegzunehmen: Einen Elefanten isst man nicht in einem Stück und nicht alles ist für jeden Magen essbar. Man schneidet sich eine kleine Scheibe ab, dann wieder eine…
Wer nun glaubt, er habe einen Elefanten damit gegessen, goutiert und wisse, was das für eine Speise ist, der irrt.
Kaizen ist so ein Elefant im übertragenen Sinne.
Was Kaizen zum Elefanten macht, ist die Andersartigkeit des dahinterliegenden Denkens und der kulturelle Unterschied und damit verbunden, unsere mangelnde Kenntnis der Zusammenhänge dieses wertvollen Aspekts, Produkte zu produzieren, die allen Freude machen, dem Produzenten und dem Kunden.
Das wesentliche Dilemma liegt schon im Approach zum Kaizen.
Das westliche Mind versucht zu erklären und zu analysieren. Das ist so, als fragte man einen Poeten, wie er denn auf die Zeilen in seinem wunderbaren Gedicht gekommen sei oder man fragte Paganini, wie er 30 vierundsechzigstel Noten fehlerfrei und mit Ausdruck spielen könne.
Wir wollen etwas verstehen, das sich nicht oder nur teilweise auf der Ebene des Verstehens oder des „what-to-do“ erschließt und sind damit weitgehend auf dem Holzweg.
Die Erklärung der eigentlichen Hintergründe von Kaizen über „Werte“ und „Kultur“ ist zwar eine Möglichkeit der Darstellung, gibt aber dem westlichen Denken noch mehr Futter in die „falsche“ Richtung. Unsere westlich geprägte, mechanistisch ausgerichtete und damit den Menschen und eigentlich die Komplexität der Wirklichkeit nicht integrierende „Wenn-Du-dies-machst-geschieht-das“ Einstellung ist durch die Suche nach Rezepten und Tools für bessere Ergebnisse gekennzeichnet. So auch bei der Adaption von Kaizen. Man sieht in Werten ein Tool, um etwas zu erreichen.
Diese Vernarrtheit in den Blick auf messbare Verbesserung ist ein Missverständnis im Umgang mit östlicher Denkensweise. This doesn’t match what happens.
Die östliche Kultur ist geprägt durch eine Haltung und ein Menschenbild, das sich wesentlich von dem unseren unterscheidet. Dort nennt man dies übrigens nicht „Werte“…
Nicht das bei uns hoch gefeierte „Ego“ und dessen Erfolg steht in Fernost im Vordergrund, sondern die Hinwendung auf Gemeinsamkeit und die Hinwendung auf tägliche Übung – daher kommt das berühmte Zitat vom Weg, der das Ziel sei -, mit der Absicht zur Verbesserung, zur Vollkommenheit.
Aufmerksamkeit statt Rezepten, eine Freude an dem, was erreicht wird, ohne dass das Ego und letztlich das Ergebnis entscheidend ist. Es geht nicht um die Frage „What to do“, sondern darum „Who am I“.
Zum „Who am I“: Der japanische „Leader“ ist bescheiden und wenn das Unternehmen scheitert, stürzt er sich in sein Schwert, – das „Harakiri“, eine konsequente Verneigung vor der Fehlbarkeit menschlichen Seins im östlichen Sinne – während bei uns eine ordentliche Alimentierung der Nieten gang und gäbe ist.
Die Zen-Malerei, ein typisches Beispiel für fernöstliches Denken verzichtet auf die Signatur des Malers, die ja bei uns den Wert eines Bildes letztlich ausmacht. Picasso beispielsweise stellte gern Schecks aus, viele, jedenfalls irrelevante Beträge wurden nie eingelöst, seine Unterschrift war wertvoll… Das Ego des Malers tritt zurück, seine Hinwendung an die Vollkommenheit, ein Ideal Fernosts, steht im Vordergrund… und nur so sei Kunst zu erreichen.
Das „Training“ des Malers ist kein Lernen von Techniken, sondern ein ständiger Versuch und Übung mit dem Ziel der Verbesserung. Das ist Kaizen.
Es ist eben der Weg und nicht das Ziel. Diesen feinen und bedeutenden Unterschied nicht zu erkennen, ist der tragische Irrtum westlichen Managements und gleichzeitig seine erbarmungslose Naivität.
Letztlich ist es eine Frage des Bildes von der Welt, das wir uns machen… und aus einem Grobschmied wird kein Feinmechaniker. Die Naivität der Hilflosigkeit ist vergleichbar mit den Norddeutschen, die auf dem Oktoberfest in perfekter Tracht feiern. Sie werden nie Bayern sein.
What’s left?
Sammeln wir also den Sternenstaub der Idee der ständigen Verbesserung. Ist ja schon mal was. Das Geheimnis des Ganzen verschließt sich, obwohl wir ein Stück des Zaubers mit ein paar Trainings und Interventionen einfangen können.
Letztlich ist auch die fernöstliche Achtsamkeit eine Grundlage unseres abendländischen Denkens. Wir müssen also gar nicht so weit fahren. Allerdings ist dieser Gedanke im anglo-amerikanischen „Just-Do-It“ ersoffen und das Menschenbild und die Haltung wurde vergessen. Wir werden nie Japaner sein, aber wir könnten uns wieder auf unsere Kultur besinnen. So schlecht ist die nicht, man müsste nur mal genau schauen…
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