Teil 1: Aus der Hexenküche eines Interimmanagers

Teil 1: Aus der Hexenküche eines Interimmanagers

Ich hatte vor wenigen Wochen eine Anfrage eines Mandanten, ob ich denn helfen könne, denn Umsatz und Gewinn waren rückläufig. Alte Produkte unterlagen einer Preiserosion und die Kunden wollten die neuen Produkte nicht so recht bereitwillig kaufen. Dieses Muster ist bekannt, nicht wahr? Preiserosion kennen wir, Produkte kommen nun mal in die Jahre. Aber langjährige Kunden, die nicht mehr kaufen wollen, obgleich man sich seit Jahren kennt, das stimmt bedenklich. Und wieso sank der Gewinn mit den erodierenden Umsätzen? Gab es keine Lernkurve hinsichtlich der Produktion?

#leanmagazin
Podcast, am 30. 11. 2020 in LeanMagazin von Dr. Bodo Antonic


Ich bin Krisenmanager. Ich werde gerufen, wenn´s brennt und kracht, wenn Unternehmen oder Unternehmensbereiche drohen, an sich oder den äußeren Umständen zu scheitern. In solchen Situationen denkt man wenig, sondern agiert instinktiv, nutzt seine Erfahrung und die verinnerlichten Routinen.

Anders ist dies jedoch dann, wenn man doch einmal ein wenig Zeit hat. Zeit, um nachzudenken. Zeit, um sich zu fragen, wieso Unternehmen in die Krise kommen, wie man ihnen raushelfen und wie man idealerweise die nächste Krise verhindern kann.

In meinen beruflichen Jahren habe ich nun einige, unterschiedliche Typen von Krisen erlebt. Zumeist war es eine Absatzkrise. Die Auslöser waren nicht selten

  • in die Jahre gekommene, veraltete Produkte, ausgelöst durch einen Innovationsstau,
  • Unbeweglichkeit oder eine. innerliche „unternehmerische“ Verfettung,
  • mangelnde Kundenzentrierung und
  • eine Managementkrise, z. B. in Form einer ungelösten Nachfolgeregelung bzw. eines nicht selbstkritischen Managements.

Wie geht man nun damit um? Wie steuert man Unternehmen so, dass sie idealerweise erst gar nicht in die Krise kommen? Und falls es einen dann doch einmal erwischt – wie kommt man schnellstmöglich – und idealerweise gestärkt – aus der Krise raus?

Die Krisenverursacher

Innovationsstau

„Warum noch mehr Geld in F&E stecken, die Kunden kaufen doch eh?“, höre ich manchen Manager sagen. Und ich kann sie verstehen, es macht Spaß, die Ernte einzufahren. Jedoch: Schumpeter spricht vom Kapitalismus als einem System schöpferischer Zerstörung. Leicht gebrüllt, doch schwer umzusetzen, möchte man sagen. Schnell stößt man auf das Dilemma der #enantiodromie, auf das unternehmerische Problem #exploration gegenüber #exploitation auszubalancieren. Oder ganz platt gefragt: „Soll ich Gewinne abschöpfen oder Gewinn in die Forschung und Entwicklung stecken?“

Nun macht es nicht nur Spaß, die wirtschaftliche Ernte einzufahren, bisweilen tut es sogar dringend Not. Anteileigner und Investoren wollen gefunden und gebunden werden. Aber auch die Zukunft will gesichert werden. Daher die Frage: Wie wollen wir diesem Dilemma umgehen, diesem Dilemma aus wirtschaftlichen, berechtigten und zugleich widersprüchlichen Interessen umgehen?

Meine Antwort ist einfach in ihrer Struktur. „Verbessere die Rendite.“, lautet meine Devise. Und zwar in einem Maße, dass sowohl genügend für die Kurzfristinteressen als auch für die Langfristwahrung der Unternehmenssicherung (#business continuity) erwirtschaftet wird. Kurzum, es gilt die Rendite, die Effizienz zu steigern, um die diversen Interessen zu bedienen.

Darauf werde ich noch o, Abschnitt Lösungsansätze eingehen. Zuvor jedoch ein wenig Ursachenforschung. Dabei werden Sie in meinen Ausführungen die Ertragskrise nicht aufgelistet sehen. Dies mag ungewöhnlich klingen, da diese nicht selten oftmals als wichtigster Grund angesehen und benannt wird. Ich sehe dies jedoch anders. Für mich ist die Ertragskrise ein nachgelagerter Effekt eines vorgelagerten Krisenverursachers und bedarf daher keiner tieferen Betrachtung. Nicht weniger verwunderlich mag es vielleicht klingen, wenn ich exogene Faktoren (tagesaktuell: Corona, pandemische Krisen) nicht weiter beleuchte. Auch hier ist meine Begründung eine einfache: Ich kenne keinen exogenen Faktoren, auf die man sich nicht hätte vorbereiten können. Pandemische Krisen, wie viele von uns sie heute durch Corona erstmalig erleben, sind nichts Unerwartetes, keine „schwarzen Schwäne“, sondern sind bekannte, mögliche Szenarien, auf die sich Management einzustellen hat (#business continuity). Tut dies das Management nicht, liegt eine mehr oder weniger starke Managementkrise vor, auf die ich im weiteren Verlauf noch eingehen werde.

Unbeweglichkeit

Mangelnde Anpassungsfähigkeit führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Untergang des Unternehmens bzw. des Unternehmensteils. Nicht minder gefährlich ist das, was man – um ein drastisches Bild zu wählen – Verfettung des Unternehmens nennen könnte.

Diese Unbeweglichkeit kennt mindestens zwei Ausdrucksformen. So weiß man, daß Unternehmen, die durch Unbeweglichkeit gekennzeichnet sind, eine geringe Innovationsrate haben, also „geistig“ unbeweglich geworden sind. Ja, Innovationen oder Disruptionen sind anstrengend, nicht umsonst verzehrt unser Hirn beim Denken Unmengen an Energie. Erst recht etwas Neues zu erdenken ist schwierig, da es nicht nur den energieverzehrenden Prozess des Denkens beinhaltet. Zusätzlich muss auch noch die Energie aufgebracht werden, die es bedarf, um den eigenen Denkrahmen zu verändern, die ausgetretenen Gedankenpfade zu verlassen.

Eine weitere Unbeweglichkeit mag als „soziale“ Unbeweglichkeit bezeichnet werden; die Unfähigkeit, die eigene Organisation an neue Gegebenheiten anzupassen. Dabei werden die meisten an ein neues Organigramm denken. Meiner Erfahrung nach ist dabei das Organigramm ein Interventionsinstrument von nur begrenzter Reichweite. Viel wichtiger sind nach meinem Dafürhalten das firmeninterne Regelgerüst sowie ein oftmals das Unternehmen rigidisierende Sprachkorsett.

Mangelnde #Kundenzentrierung

Kundenzentrierung, neudeutsch #customer centricity, ist heute ein Phrasenschwein, welches oft genug durch das Managementdorf getrieben wird. Jeder, der auch nur ansatzweise das Wort Vertrieb oder Kunde unfallfrei buchstabieren kann, fühlt sich geneigt, seine gesalbten und zumeist inhaltlosen Worte durchfallartig abzusondern.

Dabei kann die Bedeutung der Kundenzentrierung nicht hoch genug eingeschätzt werden, da damit nicht nur die Kunden mit ihren Bedürfnissen befriedigt und zugleich Umsätze und Rendite erwirtschaftet werden. Viel wichtiger noch als die vordergründigen Vorteile wie Kundenbindung, Umsatz und Rendite, also Messgrößen des Outputs, sind die auf die Organisation rückkoppelnden Faktoren #Perspektivenaenderung und #Innovationsrate. Kundenzentrierung verlangt uns eine Veränderung der Perspektive und damit Innovationsleistung (siehe Ausführung weiter oben) ab und trägt damit zur Steigerung der Unternehmensbeweglichkeit bei. Zudem hilft sie, neben der Renditefokussierung eine zweite Bewertungsachse (viele Unternehmen drehen sich nur um diese eine Achse) einzuführen. Damit wird das Unternehmen gestört – es dreht sich nun nicht mehr symmetrisch um eine Achse, sondern eiert nun unrund um zwei Achsen herum. Dies bringt festgefahrene Arbeitsabläufe aus dem Tritt und zwingt das Unternehmen in die Reorganisation.

Managementkrise

Ich kenne zwei typische Managementkrisen. Die eine möchte ich als Nachfolgekrise bezeichnen – der Altunternehmer findet keinen passenden Nachfolger, aus welchen Gründen auch immer. Hierzu wurde an anderer Stelle bereits hinreichend publiziert. Daher erspare ich mir an dieser Stelle, entgegen dem Valentin´schen Prinzip, die weiteren Worte.

Spannend, weil tagesaktuell, erscheint mir das sehr grundsätzliche Thema der unternehmerischen Weitsicht als Ausdruck einer Managementkrise. Dahinter steht der unbequeme Vorwurf der unternehmerischen Kurzsichtigkeit, sprich dem Fokussieren auf naheliegende Ergebnisse. Teilweise, dies gilt es erklärend und entschuldigend hinzuzufügen, sind diese jedoch auch nachvollziehbar, insbesondere bei börsennotierten Unternehmen. Diese sind durch die Marktgepflogenheiten gezwungen, im Kurzfristtakt „gute“ Nachrichten zu erzeugen, um Investoren und Anteilseigner bei der Stange zu halten. Bei inhabergeführten Unternehmen fehlt mir jedoch die Einsicht, wieso das Management dieser Unternehmen bisweilen viel zu stark auf Sicht fährt und das „strategische Krähennest“ nicht besetzt hat, es an strategischen Weitblick mangeln lässt.

Zur Wiederholung: Die oft bemühten „schwarzen Schwäne“ mögen gerne als Feigenblatt genutzt werden, gesehen haben sie jedoch nur wenige, ich zumindest nie. Des Weiteren: Ja, ich weiß, in den Operations läuft nicht immer alles rund und auch in anderen Abteilungen mag nicht immer alles so laufen, wie wir es mit unserer strategischen Brille gerne sehen würden. Doch diese Probleme sind oft hausgemacht. Daher will ich an dieser Stelle meinen Worten mit einem Appell vorgreifen: Lassen Sie uns den Ausblick am Mast unseres Unternehmensdampfers besetzen und mit Weitblick dieses durch die Wogen der Zeit führen. Dann rutschen wir nicht immer wieder mit schöner Regelmäßigkeit unvorbereitet in Krisen, sondern können dadurch, daß wir uns auf die großen Linien konzentrieren, mit einem Mehr an Ruhe und Gelassenheit durch die Krise kommen.



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