Das Geschenk des Clowns - Folge 62

Das Geschenk des Clowns - Folge 62

Los Straneros, der Standort der Zentrale des größten Unternehmens der Welt, WMIA Incorporated, liegt wie immer im Sonnenschein.
Das „Wie immer!“ mag für die Natur gelten, doch dieser Tag ist anders als jeder andere für den CEO von WMIA Incorporated, Herrn Dr. Nemo.

#WMIA
Podcast, am 10. 06. 2018 in Interview mit Dr. h.c. Any Nemo von Kurt August Herrmann Steffenhagen


Es ist frühmorgens. Das Licht des Tages ist noch limonenfrisch und Elvira, die Assistentin des Vorstands, erwartet im Vorstandsbüro den Clown, den Interviewer und natürlich Dr. Nemo. Ihr Make-up, eine Creme mit feinstem Saharasandpulver gibt ihrem Gesicht die Anmutung einer Fee aus ‘Tausendundeine Nacht‘.

Auch der Clown erschien schon früh vor allen anderen.

Elvira: „Was meinten Sie das vorige Mal mit dem Wiesel?“

Clown: „Es ist eine Metapher auf die Frage nach dem ‘Warum‘ im Management, den Versuchen der Erklärung der Welt.“

Elvira: „Wie das?“

Clown: „Hören Sie dies Gedicht“:

Ein Wiesel saß auf einem Kiesel inmitten Bachgeriesel.

Wisst ihr weshalb?

Das Mondkalb verriet es mir im Stillen:

Das raffinierte Tier tat’s um des Reimes willen.

Elvira: „Aha.“

Clown: „Aber darum geht es heute nicht, es geht um mehr.“

Dr. Nemo erscheint mit dem Interviewer.

Nemo: „Ist es nicht ein herrlicher Tag?“ Dann entledigte er sich seines dunkelblauen Jacketts und warf es lässig auf seinen brasilmarmornen Designerschreibtisch.

Clown: „Ja und ob. Erinnern Sie sich übrigens an unsere erste Begegnung und an unseren Pakt?“

Nemo stutzt. „Äh … nicht genau.“

Nun, das war zu erwarten, denkt der Interviewer, die Großen dieser Welt leiden ja gelegentlich an Amnesie.

Clown: „Der Pakt lautete, dass Sie ein Clown werden für den Fall, dass WMIA Incorporated in diesen Zeiten gewinnt.“

Nemo: „Und? Haben wir gewonnen?“

Clown: „Ja und Nein.“

Nemo: „Was soll diese sibyllinische Antwort?“

Clown: „Es gibt nicht so etwas wie den Erfolg und wenn, so ist er nur ‘just a moment in time‘ …“

Nemo: „Also bin ich ab jetzt und heute dem Pakt gemäß halb Clown halb Nemo?“

Clown: „Wenn Sie sich das erlauben wollen?“

Nemo: „Was ist denn der Unterschied, den es macht, wenn ich ein Clown bin?“

Der Interviewer hat sich über die Figur des Clowns kundig gemacht. Sie hat Geschichte. Die Quintessenz des Wesens eines Clowns ist diese: „Der Clown überschreitet verbotene Grenzen der Gesellschaft, auch bekannt als „Denkverbote“ und wird damit zum weisen Spötter der Realität. Der Zirkus mit seinen Clowns bildet so ein verkleinertes Modell der Gesamtheit einer Kultur mit all ihrer Irrationalität und Ironie ab.“

Scaramouche, so heißt der Clown braucht derartige Langatmigkeit der Erklärung nicht. Er geht anders vor, schließlich weiß er nach gut 70 Lebensjahren, wo man abrutscht und wo man Kerben schlagen kann.

Clown: „Meine Mission ist erfüllt.“

Nemo: „Ach was?“

Elvira ahnt schon, wohin das führt. Sie schaut verwundert und ein Hauch von Wehmut zeichnet ihr Gesicht.

Clown: „Ich werde von dieser Bühne gehen.“

Interviewer: „Mmmh …“

Nemo: „Einfach so?“

Clown: „Nicht ganz. Ich hinterlasse ein Geschenk.“

Nemo: „Sie haben sicher ein Buch geschrieben … Ist eine persönliche Widmung drin?“

Clown: „Weit gefehlt.“

Dann zog er aus einem bunten Täschlein ein kleine Platte reinen Goldes, so ungefähr vier mal zwei Zentimeter groß, 999er-Gold, 24 Karat und überreicht es Dr. Nemo.

Clown: „Mein Abschiedsgeschenk.“

Nemo blickt auf das Plättchen. Auf dem Goldstück liest er dies, fein säuberlich in altem Sütterlin, der Schrift, die seine Oma noch beherrschte, eingraviert:
„Ach, ist das so?“

Nemo: „Was bedeutet das?“

Nun, diese Antwort belegt auch in solchen schönen Momenten, wo ein Geschenk gegeben wird, wes Geistes Kind die alten Tanker im Management wohl sind … Sie brauchen eine Antwort, quadratisch, gut, damit es in den eckigen Schädel passt.

Der Clown schweigt.

Dr. Nemo muss bekanntlich immer zum Termin und Elvira begleitet den Clown und den Interviewer zum Fahrstuhl.

Elvira: „Ist Nemo jetzt ein Clown?“

Clown: „Nein, es gibt nicht so etwas wie einen Clown, es gibt auch nicht so jemanden so wie Dr. Nemo, den man auf Stein oder in Gold meißeln könnte … Es ist eine Rolle, die er spielt und der Clown ist eine weitere Rolle. Das goldene Schildchen mag ihn daran erinnern.“

Dem Interviewer fällt Hamlets Monolog ein: „Life is but a walking shadow …“

So ist Dr. Nemo wieder allein … na ja, nicht ganz, es gibt ja noch Elvira und die ist sicher nicht nur ein Quotenweib.

Wie es nun weitergeht mit Dr. Nemo, der Schrift in Gold und überhaupt, erfahren wir nächsten Dienstag …



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