Berater - Folge 5

Berater - Folge 5

Im Folgenden hören Sie einen weiteren Mitschnitt eines Interviews mit dem CEO der WMIA Inc., Herrn Dr. h.c. Any Nemo und seinem Berater.
Wir befinden uns heute in der Marmorhalle beim Empfang des Verwaltungsgebäudes der WMIA in Los Straneros, dem größten und mehr oder weniger erfolgreichsten Unternehmen der Welt.

#WMIA
Podcast, am 10. 06. 2018 in Interview mit Dr. h.c. Any Nemo von Kurt August Herrmann Steffenhagen


Dr. Nemo stand schon bei der Ankunft des Interviewers zusammen mit seinem persönlichen VorstandsBerater in der Marmorhalle beim Empfang. Der Interviewer war überrascht. Herr Dr. Nemo hat eben ein feines Gespür für Inszenierungen.

Nemo: „Heute mal was anderes. Wir führen unser Gespräch im Park. Eine interessante Anregung unseres Beraters, Herrn Professor Dr. Salsiccia.“

Irgendwie klingelte beim Interviewer bei diesem Namen etwas…

Das Interview findet also außerhalb des Verwaltungsgebäudes, allerdings auf dem Firmengelände statt. Der Empfangsassistent drückt auf einen Knopf und ein Tor öffnet sich.

Inwieweit dieses „außerhalb“ eine Metapher für Nemos Verhältnis zu seinem Berater sein könnte, ist nur eine vorläufige Idee des Interviewers.

Elvira, die hinreißende Assistentin des Vorstands, ist jedenfalls anfänglich nicht zugegen. Auch das mag Bedeutung haben.

Wir befinden uns im unternehmenseigenen Park von WMIA Inc.

Der Park steht natürlich auch CEOs anderer weltumspannender Unternehmen zur Verfügung, man ist sich ja der Sozialbindung von Eigentum bewusst. Gefällt es Ihnen hier?

fragt Dr. Nemo und verweht mit einer Handbewegung, vergleichbar der eines mittelamerikanischen Farmers, der sein Land zeigt, alle Vorstellungen über Größe von Land bis an den Horizont, der in diesem Falle von den Wolkenkratzern anderer Unternehmen gebildet wird.

„Beindruckend“, bemerkt der Interviewer.

Wir haben diesen Park auf Empfehlung unseres chinesischen Beraters gebaut. Er ist eine genaue Kopie vom Hyde Park in London. Die Idee war, unsere Kreativabteilung im Freien arbeiten zu lassen. Das haben wir bei einem Besuch im Silicon Valley gelernt. Der Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg macht das ja auch. Leider hat das bei uns nicht funktioniert, weil… bei Regen liefen uns die Mitarbeiter weg.

Der Berater, seines Zeichens Seniorpartner der Beratungsfirma McWeKnowItAll Inc., der bislang in diesem Interview wenig Beachtung findet, nestelt aus seiner aus Antilopenbullenhaut kunstvoll gegerbten und mit den letzten legal erhältlichen Nägeln des Sarges des Pharaos verzierten Brieftasche seine Visitenkarte hervor, die sich gerade an seiner American Express Centurion Card verklebt hatte … das sind die schwarzen Kreditkarten der Hellseher, deren Vision wie der Kreditrahmen dieser Karten ja auch unlimited ist.

Der Interviewer: „Nice to feed you“, der Berater errötete und der Interviewer war sich schlagartig bewusst, dass sein Versprecher realiter als Bemerkung eigentlich Dr. Nemo zugestanden hätte.

Professor Dr. Salsiccia lässt im Gespräch durchblicken, er sei auf alles spezialisiert.

Salsiccia: „Unser neuestes Programm bei WMIA Inc. heißt „Arbeit Punkt Nullkomma Nix“, ein quasihumanes Freisetzungsprogramm für überflüssige Mitarbeiter.“

Stolz streichelt er seinen Blindenhund. In seiner braunen Louis Vuitton Ledertasche befindet sich außerdem ein Einweckglas mit einem auf einer kleinen Leiter hockenden grünen Frosch und eine ordentliche Portion Kaffeesatz für den Blick in die Zukunft NeunzehnhundertVierundachtzigPunktNull und natürlich sein neuestes Buch dazu, das schon in der drölften Auflage – eine neue Nummerierung für Wiederholungen im Inhalt – mit dem Titel „Völker höret die Signale“ zur Freude seines Verlegers erschienen ist. Der Titel ist natürlich geklaut, aber die Diktion hat sich ja in der Vergangenheit bewährt.

Frage an den Berater: „Woher kommen Sie?“

Berater: „Ich komme aus Kalkutta. Meine Familie sind dort bekannte Schlangenbeschwörer.“

Interviewer, leicht gruselnd: „Mmmh…“

Berater: „Schaun Sie mal, unsere Speakers Corner. Das ist unsere Inspirationsecke. Wir laden immer wieder Speaker ein, natürlich Speaker unseres Unternehmens.“

Auf einer fluoreszierenden Anzeigetafel war die Keynote des heutigen Tages zu lesen: „Zwölf Schritte zum Erfolg“… auf die Bühne passen aber nur drei Schritte bis zum Abgrund….

Eine Jogginggruppe hechelt vorbei. Dr. Nemo winkt kurz. Der Kollege CEO ist in Begleitung eines größeren Beraterteams. Das Winken Nemos kann er nicht sehen, ihm sind die Augen verbunden, eine Spezialität mancher Beratungsfirmen.

Die Berater laufen plötzlich jeder in eine andere Richtung.

Ein dumpfer Schlag lässt den Interviewer und Professor sich aufmerksam nach ihm umdrehen. Der CEO war allein gelassen gegen die Wand gelaufen, die er eigentlich überwinden wollte.

Nun, Nemo schaute gar nicht hin.

Er gilt als beratungsresistent, was in gewissen Situationen oder angesichts der Historie von Ratschlägen auf Vorstandsebene weltweit operierender Unternehmen sehr wohl als schlau interpretiert werden könnte.

„Beratungsresistenz“, so erzählte dem Interviewer später die bezaubernde Elvira, „ist übrigens eine Worterfindung der Beratungsindustrie.“

„O la la“, denkt der Interviewer.

Nemo: „Schauen Sie mal, meine Stiefel… vielfach geflickt, ein einhundertjahrealtes Erbstück von Mr. Taylor, in denen auch mein ältester Sohn einmal laufen wird…“

Die hiesigen Doktores und Gelehrten mögen die Stirn runzeln, aber einen gewissen Erfolg kann man Dr. Nemo ja nicht absprechen. Nur, was heißt „Erfolg“…

In dem Moment – der Berater Professor Salsiccia telefonierte gerade wegen seiner entschwundenen Ehefrau – lief Elvira um die Ecke aus dem Schatten einer wundervollen Pinie, im neongrünen enganliegenden Jogging Anzug.

Nemo war in Gedanken versunken.

Interviewer: „Herr Dr. Nemo, können wir beim nächsten Interview über das Betriebsklima, den Umgang mit dem „Du“ und Mitarbeiterbefragungen sprechen?“

Nemo: „Das ist auf den Punkt. Das sind Kernfragen unserer Produktivität… wir haben das alles im Griff! Sie wissen schon, Thema „Mensch“, ist ja neuerdings im Fokus.“

Das Interview fand seinen Abschluss im Parkrestaurant. Es gab gegrilltes Antilopenfilet. Der Berater aß geräucherten Tofu, auf Anraten seines Beraters.

Elvira aß Salat und da sie vermutlich die Einzige hier ist, die einen klaren Kopf hat, notierte Sie das nächste Thema zu einem Treffen mit Dr. Nemo am nächsten Dienstag und verabschiedete sich mit einem bezaubernd angedeuteten Bussi oder wie man das in München nennen würde.



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